Velbert Hund rettet Mädchen aus Kanal

Düsseldorf · Polizei und Staatsanwaltschaft fahnden nach einem Unbekannten, der eine Neunjährige in Velbert lebensgefährlich verletzt und bewusstlos in einen Regenkanal geworfen hatte. Das Kind überlebte nur, weil ein Spürhund es noch rechtzeitig fand.

Der Fall Kassandra
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Polizei und Staatsanwaltschaft fahnden nach einem Unbekannten, der eine Neunjährige in Velbert lebensgefährlich verletzt und bewusstlos in einen Regenkanal geworfen hatte. Das Kind überlebte nur, weil ein Spürhund es noch rechtzeitig fand.

Der Treff 51 in Velbert-Neviges ist für die Kinder im Stadtteil eine Oase des Friedens. Jungen und Mädchen kommen in die ehemalige Volksschule, um unter der Obhut von Mitarbeitern des Katholischen Jugendwerks zu spielen, zu basteln und zu musizieren. Doch gestern Mittag wirken Kinder und Eltern angespannt und bedrückt. In der Luft knattert ein Polizeihubschrauber.

Zwölf Stunden zuvor hat ein Spürhund der Rettungshundestaffel einen Steinwurf entfernt die neunjährige Kassandra schwer verletzt in einem Regenkanalschacht entdeckt. Der Deckel war verschlossen. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal ist sicher: Das Kind sollte ermordet werden.

Thomas Prien (43) ist Leiter des Treffs. Gemeinsam mit Gemeindepfarrer Pater Damian hat er gerade Kinder einer Gruppe über das informiert, was in der Nacht geschehen ist. Der Sozialpädagoge ist blass, wirkt übermüdet. Er war die halbe Nacht auf den Beinen, um der Polizei zu helfen. Nach seinen Schilderungen verlief die Chronologie der dramatischen Ereignisse so ab:

Um 16 Uhr trifft Kassandra von einer Hausaufgabenhilfe im Treff 51 ein. Dreimal in der Woche spielt sie hier. Fast zwei Stunden lang bastelt sie mit Bügel-Perlen. Dann hilft sie den Erziehern beim Aufräumen. "Weil sie das so lieb gemacht hat, hat sie von uns noch ein Eis bekommen”, erinnert sich Prien.

Um 18 Uhr füllt sich das Untergeschoss mit einer Gruppe älterer Jugendlicher. "Das Mädchen war auf einmal weg”, berichtet Prien. Er wundert sich, weil Kassandra sich sonst immer verabschiedet. Die Erzieher vermuten, dass sie die Abschiedsgrüße des Kindes in dem Getümmel überhört haben.

Um 18.20 Uhr erkundigt sich die ältere Schwester des Mädchens nach Kassandra. "Wir haben ihr gesagt, dass sie schon nach Hause gegangen sei”, berichtet Prien. Verdacht schöpft er da noch nicht. Es komme häufiger vor, dass Kinder auf dem Nachhauseweg trödeln.

Um 19 Uhr ruft der Vater an. Kassandra ist immer noch nicht nach Hause gekommen. Die Erzieher suchen die unmittelbare Umgebung der Volksschule ab. Keine Spur von dem Kind.

Um 20.50 Uhr alarmiert der Vater die Polizei. Die startet eine große Suchaktion.

Um 23.10 Uhr überfliegt ein Polizeihubschrauber Neviges mit Wärmebildkameras und Suchscheinwerfern. Vergeblich.

Um 23.50 Uhr fordert ein Einsatzleiter eine Rettungshundestaffel des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB) Ruhr-Hattingen an. Auch das Technische Hilfswerk, das Deutsche Rote Kreuz und der Malteser Hilfsdienst beteiligen sich.

Um ein Uhr beginnen zehn Spürhunde des ASB damit, das Gelände um die ehemalige Volksschule abzusuchen. Das Gebiet um den Kanal wird Hundeführerin Birgit Oschmann (49) zugewiesen. Ihr Hund Christo wird derzeit dafür ausgebildet, Spuren auch in bis vier Metern Tiefe aufzuspüren. Im November soll er die Prüfung ablegen.

Um 1.19 Uhr rennt Christo in Richtung des Kanaldeckels, weicht dann "seltsam zurück und geht wieder nach vorne”, wie Birgit Oschmann später erzählt. Die Hundeführerin ruft ihre Kollegen heran. Ein Mitarbeiter des DRK öffnet den Kanaldeckel. Etwa zwei Meter tief liegt Kassandra. In einer Pfütze, bewusstlos, mit schweren Kopfverletzungen. Ihr Körper ist noch mit Steinen bedeckt.

"Seit 30 Jahren mache ich solche Einsätze”, sagt später Peter Haase (52), Leiter der Hundestaffel, der Kassandra aus dem Kanalschacht trägt. "So etwas habe ich in all den Jahren nicht gesehen.”

Der Fundort liegt, keine hundert Meter vom Eingang zum Treff 51 entfernt, hinter einer Turnhalle in einem Gebüsch, das nur über einen Trampelpfad zu erreichen ist. Die Häuser der nahen, belebten Wilhelmstraße grenzen mit ihrer Rückfront an das Grundstück, das ein Spurensicherungsteam der Polizei inzwischen abgesperrt hat. So versteckt der Ort auch ist, er liegt doch mitten im Herzen von Neviges. "Selbst abends sind hier immer Leute, weil Sportvereine die Turnhalle benutzen”, berichtet Prien. "Da liegt die Vermutung nahe, dass der Täter sich gut auskannte.”

Möglicherweise ist die Polizei ihm schon dicht auf den Fersen. Mittwoch soll Näheres mitgeteilt werden.

(RP)
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