Mettmann Hilfe für die alte Heimat

Düsseldorf · Porträt In diesem Jahr wird der Wahl-Mettmanner Kurt Czwella zum 30. Mal Hilfslieferungen in seine alte ostpreußische Heimat bringen. Sein von Russen erschossener Vater liegt dort noch immer in einem Massengrab.

Wenn Kurt Czwella sich in diesem Sommer in sein altes Taxi setzt, wird er zum 30. Mal seinen Wagen bis unter das Dach mit Medikamenten, Kleidung und gebrauchten Haushaltsgeräten voll packen. Der fast 80-jährige ehemalige Mettmanner Taxiunternehmer fährt seit 1972 regelmäßig in seine alte ostpreußische Heimat in Soldau im ehemaligen Kreis Neidenburg. Er ist den Menschen, die ihm nach dem Krieg als 14-jährigem Jungen geholfen haben, heute noch dankbar. "Denn es waren Polen, die selber nichts zu essen hatten und uns Deutschen etwas abgaben", sagt Czwella.

Getötet weil er Deutscher war

Wenn Kurt Czwella einmal anfängt von früher zu reden, hört er so schnell nicht wieder auf. Bewundernswert, was der fast 80-Jährige für ein gutes Gedächtnis hat. Seit Jahrhunderten lebte seine Familie in Klenzkau im Kreis Soldau. Als fünftes von sechs Kindern wuchs er auf dem elterlichen Landgut auf, das mit einer Größe von 125 Hektar das größte im ganzen Dorf war. Bis zum 20. Januar 1945, einem Samstag. Am Freitag waren die Russen in sein Heimatdorf ohne die geringste Spur von Widerstand einmarschiert. Kurt Czwella war damals 14 Jahre alt.

Sein Vater Johann war davon überzeugt, dass die Russen wieder zurück geschlagen werden und blieb mit seiner Familie vor Ort. Doch die Russen machten kurzen Prozess. Sie erschossen seinen Vater Johann gemeinsam mit dutzenden Soldaten, Kriegsgefangenen und Zivilisten. "Noch heute liegt mein Vater mit etwa 40 anderen in einem Massengrab auf einem Acker begraben", sagt Czwella. Kein Stein, kein Busch, kein Kreuz erinnert an die Toten, die eigentlich längst auf einem Friedhof bestattet sein sollten. Auf die Frage, warum sein Vater erschossen wurde, hat Czwella nur eine Antwort: "Na weil er Deutscher war". Mit Briefen wendet sich Czwella bis heute immer wieder an die polnischen Behörden, um dort selbst ein Kreuz aufstellen zu dürfen. Aktenordner mit Korrespondenz stapeln sich bis unter das Dach des Einfamilienhauses an der Mettmanner Potsdamer Straße, das er in den 60er Jahren selbst gebaut hat.

Als sein Vater tot war, lebte er mit fünf Verwandten in einem Zimmer. "Obwohl wir Deutsche waren, gab es immer wieder Menschen, die uns halfen". Kurt Czwella fand Arbeit bei einem polnischen Bauern, seine Mutter arbeitete als Magd auf ihrem ehemals eigenen Hof. Bis ins Jahr 1958 verdiente sich Czwella sein Geld als Straßenwärter, als Arbeiter einer Baufirma, als Kraftfahrer auf dem Staatsgut und als Hilfsarbeiter, Heizer und Mechaniker in einer Molkerei. Zuletzt war er Fahrer bei der Feuerwehr. Als seine Mutter Rente beantragen wollte, erhielt die Familie statt dessen Pässe und eine Ausreisegenehmigung. "Wir konnten hin wo wir wollten", erinnert sich Czwella. "Wo gab es Arbeit, natürlich im Ruhrgebiet". So landete der Ostpreuße nach Umwegen in Mettmann. Bis zu seiner Rente fuhr er in Mettmann Taxi. Noch heute kennt er nicht nur in Mettmann jede Straße. Und den Weg in seine alte Heimat. Den wird er wohl nie vergessen.

(RP)
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