Integration Flucht vor Krieg findet gutes Ende in Mettmann

Er wurde im syrischen Aleppo geboren und ist jetzt in Mettmann Süd zuhause. Hinter Abdulraheem Kabbani liegt eine abenteuerliche Reise mit den Zielen Freiheit und Sicherheit. Jetzt lässt er sich zum Steuerfachangestellten ausbilden.

 Abdulraheem Kabbani im Gespräch mit unserer Reporterin über seinen langen Weg von Syrien in den Libanon, nach Istanbul, dann nach Izmir und von dort per Boot ins rettende Europa.

Abdulraheem Kabbani im Gespräch mit unserer Reporterin über seinen langen Weg von Syrien in den Libanon, nach Istanbul, dann nach Izmir und von dort per Boot ins rettende Europa.

Foto: "Köhlen, Stephan (teph)"/Köhlen, Stephan (teph)

Das glückliche Ende einer Flucht aus Syrien ereignete sich vor kurzem in Mettmann Süd. Abdulraheem Kabbani zog mit seiner Partnerin in das Haus von Ann- Kathrins Großeltern und sie wurden von der Nachbarschaft bei einem Treffen herzlich willkommen geheißen.

1981 erblickte Abdulraheem im schönen Aleppo das Licht der Welt. Er verbrachte seine Jugend in der Stadt, die er noch heute seine Heimat nennt, ging dort zur Schule, studierte BWL. Es begann ein ungewöhnliches Leben – er ging nach Dubai, später nach Saudi Arabien, um Geld zu verdienen, kehrte zurück nach Aleppo, wurde für zwei Jahre zum Militär eingezogen und dann kam der Krieg.

Der Krieg, in dem das einst stolze Aleppo mit seiner Jahrtausende alten Geschichte zerstört wurde, der Hunger und Elend und Tod über die Bevölkerung brachte und immer noch bringt. Der Bruder war mit der Mutter schon in die Türkei gegangen, lebt und arbeitet als Techniker in der Nähe von Istanbul. Auch Abdulraheem wollte fort. Fort aus dem Krieg, fort aus der Unterdrückung, fort aus einem Land, in dem man ohne Vitamin B, wie er sagte, keine Job bekam.

Also floh er von Syrien in den Libanon, von dort nach Istanbul, dann nach Izmir, die Hafenstadt an der Ägäis, in der Boote übersetzten nach Griechenland, ins rettende Europa. Nach einer Woche sah er seine Chance, fand ein Boot, Frauen und Kinder in der Mitte, die meist jungen Männer am Rande sitzend zuckelten sie über das Meer, im Dunkeln, acht Stunden lang und erreichten endlich Mytilini auf Lesbos, gesund und um 1000 Dollar ärmer.

Nach sechsstündigem Fußmarsch über die Insel erreichte er eine Stadt, in der er Papiere bekam und nach Athen reisen durfte. Die nächste Station war die Grenze zu Mazedonien, gesichert, voller Polizei und Soldaten. Und etwa 1000 Menschen, die hinüber wollten. Sie taten sich in Gruppen zusammen, suchten eine Möglichkeit und schafften in einem unbeobachteten Moment den Übergang ins nächste Land.

Auf die Frage, wovon er sich ernährt habe, antwortete Abdul: „Ich hatte einen Rucksack voll mit Snickers“. Seine Gruppe, lauter junge, gesunde Männer, konnte ein wenig ausruhen und fuhr mit dem Zug nach Belgrad in Serbien. Ein Bus brachte sie an die Grenze zu Ungarn. Ein Schock: Stacheldrahtzaun, Maschinenpistolen, schier unüberwindbar. Stunden vergingen,  dann endlich gab es eine Chance, diesen Stacheldraht zu überwinden. Wieder stundenlange Märsche, ein illegal fahrender Bus, Ankunft in Budapest. Auf der Straße zu schlafen, war schon zur Gewohnheit geworden und mithilfe von Google Masp konnten sie die Schlepper überwachen, dass sie auch das richtige Ziel ansteuerten.

Hatte er  keine Angst? „Nein, nicht wenn man den Krieg erlebt hat mit Bomben, Terror, Toten auf den Straßen und darüber hinaus ein Kilo Tomaten 100 Euro kostet“. Und dann war es nur noch eine Fahrt mit dem Taxi, das sie nach Passau brachte, nach Deutschland. Hier angekommen, warf er das Messer, das ihn auf der Flucht schützen sollte, in den nächsten Mülleimer. Er war in Deutschland – ein Land mit Rechten und Freiheit.

Nochmals ein Taxi. Es brachte drei von ihnen nach München, von dort ging ein Zug nach Hamburg und die erste offizielle Registrierung ließ aufatmen. Es war der 30. September 2015. Die Flüchtlinge wurden auf verschiedene Lager verteilt. Abdulraheem musste nach Hannover, wo Drogen und Alkohol das Leben im Lager beherrschten. So floh er abermals, zurück nach Hamburg und von dort nach Aufenthalten in verschiedenen Städten in NRW nach Duisburg.

Hier erhielt er eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Jahre, hatte ein Zimmer für sich alleine, machte ein Praktikum bei einer Bank, büffelte Deutsch, arbeitete, was immer er fand. Nie wollte er dem Gastland auf der Tasche liegen. Tja und dann begann ein Märchen, ein Märchen wie aus 1000 und 1 Nacht. Er lernte ein junges Mädchen kennen und es war Liebe auf den ersten Blick. Schon bald war dem jungen Paar klar, dass sie zusammenbleiben wollten, trotz eines Altersunterschieds von 13 Jahren, trotz der Unterschiede in Glauben und Kultur.

Sie verschaffte ihm eine Lehrstelle bei einem befreundeten Steuerberater zum Steuerfachangestellten und als Ann Kathrins Eltern auch den Segen gaben, konnte ein gemeinsames Leben in Sicherheit und Freiheit beginnen, und zwar in Mettmann. Was Abdulraheem ganz wichtig ist, sind Toleranz und Akzeptanz. Diese hat er als gläubiger Moslem aus dem Koran und in seiner Heimat Aleppo gelernt. Denn dort herrschte Glaubensfreiheit und direkt gegenüber einer Moschee steht eine große christliche Kirche, toleriert und akzeptiert. Welch großes Glück er trotz allem gehabt hat, dass er genügend Geld vor der Flucht verdient hatte, „wer arm ist, schafft die Flucht nicht und bleibt in den riesigen Lagern stecken“, dass er gut Englisch sprach, dass er seine große Liebe gefunden hat und nicht in Corona- Zeiten die Flucht angetreten hatte.

Die Pandemie hat ihn nur sechs Wochen ans Haus gebunden. Sein Chef ließ ihn pausieren und vom 4. Mai an bringen ihn wieder Bus und Bahn nach Gerresheim, wo er seine Ausbildung fortsetzen wird.

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