Mettmann Eine Stadt, drei Namen und eine Patenschaft

Mettmann · Vor 60 Jahren wurde die Städtepatenschaft zwischen Mettmann und Angerapp besiegelt. Ob darauf auf den Ortseingangsschildern Mettmanns hingewiesen werden sollte, darüber wird da und dort gestritten.

 Mettmanns Bürgermeister Wilhelm Rosendahl übergibt die Patenschaftsurkunde an Wilhelm Haegert, damals Kreisvertreter der Landsmannschaft Ostpreußen.

Mettmanns Bürgermeister Wilhelm Rosendahl übergibt die Patenschaftsurkunde an Wilhelm Haegert, damals Kreisvertreter der Landsmannschaft Ostpreußen.

Foto: Janicki, Dietrich (jd-)

Angerapp? Darkehmen? Oder doch Osjorsk? Eine Stadt, drei Namen und eine Städtepatenschaft, die viele Fragen aufwirft. Denn Angerapp hieß der Ort mit damals etwa 4500 Einwohnern nur sieben Jahre lang. Und es waren ausgerechnet die Jahre inmitten der Kriegswirren des Zweiten Weltkrieges, die heute so manch einer gerne vergessen würde. Glaubt man den Chronisten, so soll es der Wuppertaler Erich Koch gewesen sein, der im Jahre 1938 - als damaliger Gauleiter in Ostpreußen - aus dem früheren Darkehmen das aus deutscher Sicht besser klingende Angerapp gemacht hat. Und ausgerechnet dieser Ortsname soll nun als Patenstadt auf den Mettmanner Ortseingangsschildern erscheinen?

 Die Wappen von Mettmann (l.) und Angerapp. Die Patenschaftsurkunde ist im Mettmanner Rathaus zu sehen.

Die Wappen von Mettmann (l.) und Angerapp. Die Patenschaftsurkunde ist im Mettmanner Rathaus zu sehen.

Foto: Dietrich Janicki

Wo solche Fragen aufgeworfen werden, hilft wohl am ehesten ein klärender Blick auf die Geschichte. Und dabei wird schnell klar: Schon damals, als Mettmanns Bürgermeister Rosendahl den Patenschaftsvertrag unterschrieben hat, gab es diesen Ortsnamen nicht mehr. Aus Angerapp war längst das russische Osjorsk geworden. Die Stadt war nach Kriegsende hinter politisch unüberwindbaren Mauern verschwunden, die Heimat für die vertriebenen Angerapper verloren. Daher reiste auch nicht der Bürgermeister aus Osjorsk zur Heimatwoche an, die Mettmann im Spätsommer 1954 rings um die Übernahme der Patenschaft organisiert hatte. Sondern es war Wilhelm Haegert, der als Kreisvertreter der Landsmannschaft Ostpreußen für die traumatisierten Vertriebenen sprach und seine Unterschrift unter die Urkunde setzte.

"Bei der Übernahme solcher Patenschaften ging es vor allem darum, eine Heimatkartei einzurichten. So konnten sich die im ganzen Bundesgebiet verstreuten Angerapper finden und einen Lastenausgleich beantragen", erinnert sich Helmut Kreil. Der Baas der Aulen Mettmanner saß als Leiter des Sozialamtes damals selbst mit am Verhandlungstisch. Daher weiß er auch: "Eine persönliche Partnerschaft und menschliche Nähe haben sich erst später entwickelt."

Vielmehr sei es so gewesen, dass der Bund der Vertriebenen bundesweit für die Übernahme von Patenschaften geworben und die Stadt Mettmann sich daraufhin an die Landesregierung gewandt habe. Dass es schließlich Angerapp wurde, war also eher ein bürokratischer Akt, mit dem sich die Kreisstadt anlässlich der bevorstehenden 1050 Jahrfeier durchaus auch schmücken wollte. Und dennoch, in Mettmann nahm man die Angelegenheit in den Anfangsjahren sehr ernst. Nicht nur Bürgermeister Rosendahl hatte den "Kommunalpolitischen Informationsbrief" gelesen, in dem klar geregelt war, wie die "Patenschaften als gesamtdeutsche Verpflichtung" gelebt werden sollten. Oder besser: Dass sie nicht in den Schreibtischschubladen verstauben sollten. Obwohl man genau das so manch einer Patenschaft nachsagte, reihte sich die Stadt Mettmann keineswegs in die Agenda liebloser Patenstädte ein. Im Gegenteil: Es wurden Heimattreffen organisiert, es gab rege Kontakte zu ehemaligen Angerappern, ein Platz wurde nach der Partnerstadt benannt und im "Angerapper Heimatbrief" wurde regelmäßig aus der früheren Heimat und auch aus Mettmann berichtet. "Wir haben den Angerappern damals angeboten, sich in Obschwarzbach anzusiedeln", erinnert sich Helmut Kreil. Dass dieses Angebot ungenutzt blieb, lag wohl auch daran, dass die Heimatvertriebenen nicht Jahre später nochmals ihren Wohnort wechseln wollten. Während man bis in die 60er Jahre hinein noch darauf hoffte "das Unrecht wieder zu Recht wird und die unter Fremdherrschaft geratene Heimat auf friedlichem Wege "zurückerobert" werden kann", beschränkte sich die gelebte Patenschaft offenbar zunehmend auf die Abwicklung von Ritualen.

Als nach dem Mauerfall schließlich auch ein erster Kontakt zum mittlerweile russischen Osjorsk entstand, gestalteten sich die "diplomatischen Beziehungen" anfangs eher schwierig. Das Verhältnis war von gegenseitigem Misstrauen geprägt, Bürgermeister Nikolai Iwanowitsch Krivda fürchtete gar "von den Deutschen umgedreht" zu werden. In einem Schreiben durfte Bürgermeisterin Ingrid Siebeke zudem lesen, dass Krivda das Geld für einen Besuch in Mettmann fehlte und er keineswegs in ihrer Schuld stehen wolle. Um die zahlreichen Bittbriefe um humanitäre Hilfe zu beantworten, ließ Siebeke eine Schreibmaschine mit kyrillischen Buchstaben anschaffen. Hilfstransporte wurden organisiert und Jahre später hoffte ein offenbar entspannter Bürgermeister Krivda auf gute wirtschaftliche Kontakte zur Patenstadt, die eigentlich keine war. Denn bis heute gibt es keine Städtepartnerschaft mit Osjorsk, sondern lediglich die Patenschaft zur Kreisgemeinschaft Angerapp. Und auch dieses Verhältnis blieb über die Jahrzehnte hinweg nicht gänzlich ungetrübt. Als zum 39. Jahrestreffen der Angerapper "nur" der zweite Bürgermeister Mettmanns zugegen war, reagierte der damalige Kreisvertreter der Landsmannschaft Ostpreußen etwas ungehalten. "Darin zeigt sich sehr deutlich, an welcher Stelle die Patenschaft rangiert. Vielleicht lässt sich beim nächsten Patenschaftsjubiläum eine ,Bewusstseinserweiterung' herbeiführen", war in einem Brief an die Stadtverwaltung zu lesen. Offenbar sind - wie so manche Ehe - auch Städtepatenschaften nicht frei von Missstimmungen. Mittlerweile haben sich die Wogen längst wieder geglättet.

Zum 60. Jahrestag der Patenschaft - der offiziell am 31. August begangen wird - werden nicht nur Angerapper, sondern auch der Bürgermeister aus Osjorsk in Mettmann erwartet.

(magu)
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