Interview mit dem Chef der Arbeitsagentur, Karl Tymister „Die Wirtschaft im Kreis Mettmann ist robust“

Kreis Mettmann · Gute Leute, Fachkräfte, betont der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Mettmann, werden händeringend gesucht.

 Ausbildung ist Zukunftssicherung: Die Jugendarbeitslosigkeit liegt im Kreis Mettmann bei 4,2 Prozent – im Vergleich zu NRW ein sehr positiver Wert.

Ausbildung ist Zukunftssicherung: Die Jugendarbeitslosigkeit liegt im Kreis Mettmann bei 4,2 Prozent – im Vergleich zu NRW ein sehr positiver Wert.

Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Die Zahl der versicherungspflichtig Beschäftigten hat im Kreis Mettmann mit 193.000 Frauen und Männern ein neues Allzeithoch erreicht. Doch Experten blicken mit Sorge ins kommende Jahr, zeichnet sich doch bereits ein konjunktureller Abschwung ab. Karl Tymister, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Mettmann, ordnet die Lage ein.

Herr Tymister, im Kreis Mettmann gibt es so viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte wie noch nie. Trotzdem schlagen Beobachter erste sorgenvolle Töne an. Woran liegt das?

Tymister Auf dem Arbeitsmarkt zeichnen sich konjunkturell bedingte erste Rückläufe ab. Das zeigt sich zurzeit vor allem im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, denn es werden weniger Leiharbeitskräfte nachgefragt. Zugleich gibt es mehr Kurzarbeit. Das ist zwar auf der einen Seite ein klares Signal für eine abkühlende Konjunktur. Aber wir sind weit davon entfernt, daraus irgendwelche Katastrophen-Botschaften abzuleiten.

Warum?

Tymister Der Arbeitsmarkt im Kreis Mettmann hat schon während der Wirtschaftskrise im Jahr 2009 robust reagiert, und wir erwarten, dass er das auch im kommenden Jahr tun wird. Wir rechnen nicht mit einem konjunkturellen Abschwung, sondern eher mit einer „Konjunkturdelle“, in der wir uns bereits befinden und die bis ins erste Quartal des kommenden Jahres noch andauern wird. Aber die Erwartung, dass es nächstes Jahr schnell wieder zu einer Stabilisierung kommt, weil die Nachfrage ungebrochen ist, erscheint mir berechtigt. Beobachter rechnen schon ab dem zweiten Quartal wieder mit einem steigenden Brutto-Inlandsprodukt.

Warum wird es keine nachhaltigen Folgen dieser Konjunkturdelle auf dem Arbeitsmarkt geben?

Tymister Gute Leute, Fachkräfte, werden händeringend gesucht, daran ändert auch die konjunkturelle Abschwächung nichts. Das hat mit dem demographischen Wandel zu tun, der im Moment ein starkes Thema ist: In den kommenden 20 Jahren wird gut die Hälfte aller Arbeitnehmer im Kreis Mettmann nach und nach das Rentenalter erreichen. In der Mehrzahl handelt es sich dabei um Fachkräfte, Spezialisten und Experten. Für sie müssen die Unternehmer Nachfolger suchen. Daher bleibt die Nachfrage nach Arbeitskräften auf einem hohen Niveau.

Wer profitiert davon?

Tymister Wir sehen, dass die Dauer der Arbeitslosigkeit stark von der Qualifikation abhängig ist. Doch selbst Langzeitarbeitslose haben in jüngster Vergangenheit von den positiven Entwicklungen profitiert. Außerdem sind auch Jugendliche deutlich weniger von Arbeitslosigkeit betroffen als der Durchschnitt aller Personen. Im Kreis Mettmann liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 4,2 Prozent, das ist im Vergleich zu NRW ein sehr positiver Wert.

Wieso gilt der Arbeitsmarkt im Kreis Mettmann als stark und krisenrobust?

Tymister Das liegt beispielsweise daran, dass der Kreis Mettmann ein Einpendlerkreis ist. Das heißt, es kommen mehr Menschen in den Kreis, um hier zu arbeiten, als Beschäftigte ihn verlassen, um außerhalb zu arbeiten. Dieses Verhältnis hat sich vor zwei, drei Jahren gedreht und jetzt stabilisiert. Das ist ein sehr, sehr starkes Zeichen. Außerdem weist die Unternehmenslandschaft im Kreis Mettmann einen breiten Branchenmix auf, der durch größere mittelständische und kleine Betriebe geprägt ist. Das macht die Wirtschaft in einer Region krisenfest.

Die Zahl der versicherungspflichtig Beschäftigten ist gestiegen, aber wie sieht es mit der vertraglichen Bindung aus? Junge Arbeitskräfte, die lediglich Ein- bis Zwei-Jahres-Verträge erhalten, sind schwer an ein Unternehmen zu binden und werden daran gehindert, ihr eigenes Leben und eine Familie zu planen.

Tymister Das hat sich geändert. Diese Zeit, in der es nur Zeitverträge gab, ist aus meiner Sicht vorbei. Die vertragliche Bindung wird nachhaltiger, weil der Fachkräftemangel steigt. Und für junge Mitarbeiter ist es mittlerweile eben nicht nur der Faktor Gehalt, der eine Rolle spielt, wenn sie sich für einen Arbeitgeber entscheiden. Da müssen sich Unternehmer schon was einfallen lassen. Zugleich steigt die Flexibilität der Mitarbeitenden. Wenn ihnen die Arbeitsbedingungen nicht gefallen, wechseln sie schneller als früher. Ein gutes Beispiel für das veränderte Kräfteverhältnis auf dem Arbeitsmarkt liefert der Gesundheitssektor, in dem der Fachkräftemangel ja besonders stark ist: Das medizinische Personal lässt sich schon lange nicht mehr die Dienstpläne diktieren. Und es gibt kein Krankenhaus mehr, das für die Kinder seiner Mitarbeiter nicht eine Betreuung anbietet.

 Karl Tymister, Chef der Agentur für Arbeit Mettmann.

Karl Tymister, Chef der Agentur für Arbeit Mettmann.

Foto: Agentur für Arbeit Mettmann

Was sind neben der demographischen Entwicklung aus Ihrer Sicht die entscheidenden Herausforderungen für den Arbeitsmarkt der Zukunft?

Tymister Wie sich der Arbeitsmarkt mittel- und langfristig entwickelt, hängt natürlich vor allem davon ab, wie gut unsere Wirtschaft in die Zukunft kommt. Die technologische Entwicklung bietet enorme Chancen und gleichzeitig große Risiken für diejenigen, die die Chancen nicht nutzen. Geschäftsmodelle und Berufsbilder verändern sich in allen Branchen. Eine entscheidende Rolle spielt daher die Qualifizierung der Mitarbeiter. Wer zielgerichtet in die Weiterbildung seiner Mitarbeitenden investiert, macht sein Unternehmen fit für die Zukunft. Wir können Arbeitgeber bei dieser Investition mit Beratung und mit einer finanziellen Förderung unterstützen.

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