Diese Fehler führten zum Zugunglück in Meerbusch Wie das Unglück seinen Lauf nahm

Meerbusch · Eine Aneinanderreihung von vielen Fehlern zweier Fahrdienstleiterinnen war laut Ermittlungsstand der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft die Ursache dafür, dass am Abend des 5. Dezember 2017 ein mit 200 Personen besetzter Zug sowie ein leerer Güterzug zwischen Neuss und Meerbusch zusammenstießen.

 Der Zugunfall passierte auf offener Strecke in Meerbusch-Osterath (Archivfoto).

Der Zugunfall passierte auf offener Strecke in Meerbusch-Osterath (Archivfoto).

Foto: Christoph Reichwein (crei)/Reichwein, Christoph (crei)

Bei dem Zugunglück wurden 41 Menschen verletzt, es entstand Schaden von mehr als zwei Millionen Euro. Experten sind sich einig: Wäre der Güterzug beladen gewesen und wären die Waggons nicht aus den Gleisen gesprungen - und der Einsatz wäre ganz anders ausgegangen. In zehnmonatiger Ermittlung haben Mitarbeiter von Staatsanwalt Uwe Kessel und der Bahnpolizei den Abend des Unglücks rekonstruieren können. Dass die beiden Fahrdienstleiterinnen dabei manuell die Zugnummern eingaben, wäre gar nicht nötig gewesen, so ein Fazit. Die Technik habe einwandfrei funktioniert.

Laut den Ermittlungen hat sich der Unglücksabend so abgespielt:

19.09 Uhr Die Fahrdienstleiterin in Neuss-Weißenberg gibt irrtümlich in die Zugnummernmeldeanlage anstelle des Zuges Nummer 95307 des Verkehrsunternehmens RheinCargo den Zug mit der Nummer 66365 ein. Die Fahrt dieses Zuges fand aber gar nicht statt. Das war der erste entscheidende Fehler, durch den der echte Zug von RheinCargo nun mit der falschen Zugnummer geführt wurde.

19.12 Uhr Die Zugnummer 66365 wechselt in der Meldeanlage vom Streckenabschnitt 700 in den Streckenabschnitt 201. Tatsächlich fuhr dort aber ein 1500 Tonnen schwerer Güterzug mit einer Diesellok (Zugnummer 95307).

19.15 Uhr Die Fahrdienstleiterin in Neuss-Weißenberg gibt erneut die falsche Zugnummer 66365 ein. Der nächste entscheidende Fehler, denn dadurch wechselte diese Zugnummer in der Meldeanlage von Streckenabschnitt 201 zurück in Streckenabschnitt 700. Dadurch entstand im Stellwerk Meerbusch-Osterath systembedingt eine Fehlernummer anstelle der ursprünglichen Zugnummer 66365. Tatsächlich handelte es sich dabei immer noch um den Güterzug mit der Nummer 95307.

19.16 Uhr Die Fahrdienstleiterin im Stellwerk Meerbusch-Osterath löschte die Fehlernummer aus der Meldeanlage und gab stattdessen 48714 ein. Ihre Reaktion hatte zwei Folgen: Die Nummer 48714 wurde für den Abschnitt 200 gelöscht. Das Zugnummernfeld 200 erschien als frei, obwohl sich dieser Güterzug noch in dem Abschnitt befand. Der Güterzug mit der Nummer 95307, der sich zu dieser Zeit auf Gleis 2 im Bereich des Stellwerks Meerbusch befand, erhielt dadurch die falsche Zugnummer 48714.

19.18 Uhr Beide Fahrdienstleiterinnen gehen jetzt von einer technischen Störung der Streckenblockanlage aus, die tatsächlich aber einwandfrei funktionierte. Jetzt ergab sich die Kette von Fehlern, an deren Ende der Zusammenstoß stehen sollte: Neuss-Weißenberg bat nun Meerbusch-Osterath über Funk um eine „Einzelräumungsprüfung“ für den letzten Zug, nannte dabei aber nicht die Zugnummer. Meerbusch-Osterath gab dann die falsche Rückmeldung, dass die Strecke frei sei und sich der Zug mit der Nummer 48714 in Osterath befinde. Tatsächlich war aber nicht dieser Zug, sondern der Güterzug 95307 durch Osterath gefahren. Der Güterzug 48714 befand sich zu diesem Zeitpunkt noch im Streckenabschnitt 200 zwischen Weissenberg und Osterath und fuhr in Richtung Streckenabschnitt 201.

19.22 Uhr Der Güterzug 48714 hält vor dem Einfahrsignal „A“ von Osterath im Streckenabschnitt 201.

19.24 Uhr Der Personenzug 32547 fährt in den Streckenabschnitt 200. Da der vor ihm liegende Streckenabschnitt besetzt war, stand das Selbstblocksignal auf „Halt“.

19.25 Uhr Die Fahrdienstleiterin in Neuss-Weißenberg erteilt - der nächste große Fehler - dem Triebfahrzeugführer des Personenzugs 32547 über Zugbahnfunk die Erlaubnis, in den noch durch den Güterzug 48714 besetzten Streckenabschnitt 201 zu fahren. Sie dachte, der Abschnitt sei frei. Sie betätigte das Ersatzsignal „Zs 1“, so dass der Personenzug weiterfahren konnte. Und jetzt macht sie das, was zum guten Schluss den ganzen Zusammenstoß noch verhindert hätte: Sie gibt dem Zugführer des Personenzugs nicht den vorgeschriebenen „Befehl 12“ zum „Fahren auf Sicht“. Denn dann hätte er nur so schnell fahren dürfen, dass er den Zug vor einem Hindernis sicher hätte anhalten können, höchstens aber mit 40 Stundenkilometer.

19.27 Uhr Der Triebfahrzeugführer beschleunigte den Personenzug (32547) auf 120 Stundenkilometer. Als er die Gefahr erkennt, bremst er sofort. Trotzdem fuhr der Personenzug (32547) auf den Güterzug 48714 der DB Cargo mit einer Geschwindigkeit von Tempo 85 auf.

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