Meerbusch Wie ein Büdericher das Bild der Spiele machte

Meerbusch · Der Sportfotograf Laci Perényi erzählt die Geschichten seiner schönsten Bilder 2012 — und erklärt, warum sie auch Kunstwerke sind.

 "Es gibt keine Situation zweimal, nichts ist wiederholbar": 4. August, Olympiastadion, der erste Start des behinderten 400-Meter-Läufers Oscar Pistorius. Laci Perényi sitzt oben unterm Stadiondach, drückt im richtigen Moment ab. Der Verband Deutscher Sportjournalisten kürt das Bild zum Sportfoto des Jahres.

"Es gibt keine Situation zweimal, nichts ist wiederholbar": 4. August, Olympiastadion, der erste Start des behinderten 400-Meter-Läufers Oscar Pistorius. Laci Perényi sitzt oben unterm Stadiondach, drückt im richtigen Moment ab. Der Verband Deutscher Sportjournalisten kürt das Bild zum Sportfoto des Jahres.

Foto: laci perényi

Es ist der 4. August, der Tag von Oscar Pistorius. Gebannt wartet die Sportwelt auf den großen Moment der olympischen Spiele in London: dem ersten Start eines behinderten Sportlers. Während sich unten an der Tartanbahn hunderte Fotografen um den vermeintlich besten Platz für den Vorlauf schubsen, sitzt Laci Perényi einsam in der hintersten Reihe des Oberrangs. Dort, wo sich ansonsten nur Tauben tummeln.

Seit Tagen träumt der Büdericher von seinem Wunschmotiv, dem potenziellen Foto der Spiele: Oscar Pistorius läuft auf Prothesen aufs olympische Feuer zu. Die Bedingungen sind so günstig, dass Perényi richtig aufgeregt ist. In London scheint die Sonne (!), die Flamme lodert recht tief im Olympiastadion — und Pistorius läuft mittig auf Bahn 4. Ändert sich nur ein Stellschräubchen, ist es vorbei mit dem Traumfoto. Aber als der Startschuss ertönt, ist klar: Alles stimmt, jetzt kommt es nur noch auf Perényi an.

Die hinterste Reihe des Oberrangs ist ein ungewöhnlich stiller Ort für einen Fotografen. Wer im Fernsehen die Menschen mit den großen Objektiven beobachtet, sieht oft ausgefahrene Ellenbogen, aufgeregte Anweisungen an die Sportler ("hierher schauen, hierher!") und hektische Strumpeleien von A nach B. Perényi ist ein Mann der stillen Orte — er ist immer auf der Suche nach dem anderen Foto. Und für andere Fotos braucht er andere Perspektiven. "Jedes Bild von mir hat eine eigene Geschichte, einen eigenen Plan", sagt Perényi.

Seit 1974 ist der Büdericher als Sportfotograf im Einsatz, war unter anderem bei 15 olympischen Spielen und sieben Fußball-Weltmeisterschaften dabei. "Diese Erfahrung hilft mir natürlich", sagt er. Um die schnellen, ersten Bilder ging es ihm in seinem Leben als freier Fotograf nie. Perényi wartete auf die besonderen Momente — oder er schuf sie selbst. Viele seiner Bilder gingen um die Welt, erschienen im "Stern", "Spiegel", im "Time Magazine" und in vielen Sonderpublikationen.

Eines haben alle Bilder gemeinsam: Perényi hatte auf dem Weg zum jeweiligen Bild nur eine Chance — und zwar nur für einen Bruchteil einer Sekunde. "Es gibt keine Situation zweimal, nichts ist wiederholbar", sagt der 57-Jährige. Am 4. August drückt er im richtigen Zeitpunkt auf den Auslöser — es ist der Moment, der den Meerbuscher zum Fotografen des Jahres macht. Der Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) kürt dabei gleich sein ganzes Olympia-Portfolio, dessen Motive in ihrer Entstehung unterschiedlicher nicht sein könnten.

Beim Fechten erfasst Perényi einen außergewöhnlichen Doppeltreffer-Moment im denkwürdigen Halbfinale zwischen Britta Heidemann und ihrer südkoreanischen Gegnerin Shin A-Lam, die nach der Niederlage fast eine Stunde die Bahn nicht verlässt und bittere Tränen vergießt. "Anders als bei Pistorius war das natürlich nicht planbar, da hatte ich auch viel Glück", sagt er.

Wenige Tage später wird es stressig: Horse Guards Parade, Beachvolleyball, Entscheidungssatz im Finale zwischen Deutschland und Brasilien. Die "Beach Boys" Julius Brink und Jonas Reckermann vergeben zahlreiche Matchbälle, müssen immer wieder die Seiten wechseln. Und mit ihnen Perényi. "Wie ein Stehaufmännchen bin ich da umhergelaufen — und das immer gebückt", erzählt er und weiß selbst nicht, wie er wohl ausgesehen haben mag. Aber er weiß, wie sich die Gefühlslage in solchen Momenten beschreiben lässt: "positive Aufregung". Dann die Erleichterung: Er steht richtig, fängt im Moment des Sieges gleichzeitig Wahnsinn und Bescheidenheit des Duos ein. "Hätte ich das Foto nicht gehabt, wäre ich fix und fertig gewesen", sagt er.

Es ist eines der Bilder, das Perényi auswählen könnte für seine Ausstellung im Mai im Kölner Sportmuseum — unter den 500 000 Bildern aus 40 Jahren Fotografie, die er alle archiviert hat. Ausstellungen dieser Art machen Perényi stolz. Er versteht sich als Künstler, vertreibt auf seiner Internetseite gerahmte Editionen seiner Bilder. Manchmal fehle der Sportfotografie die Anerkennung als Kunst. Sportfotos müssten nicht nur schnelle News-Bilder sein, sagt er. "Sie sind auch Kunstwerke."

(RP/rl)
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