Das Wochenende Wie aus Geometrie Buchkunst wird

Meerbusch · Der Büdericher Künstler und ehemalige Fachhochschul-Professor Helfried Hagenberg zeigt in der Stadtbibliothek eine Auswahl dreidimensionaler Buchskulpturen und Druckgrafiken. Die Ausstellung "seitenweise" ist bis zum 6. Mai zu sehen.

 Zeigt ab heute seine ausgefallene Buchkunst in der Stadtbibliothek in Büderich: Helfried Hagenberg.

Zeigt ab heute seine ausgefallene Buchkunst in der Stadtbibliothek in Büderich: Helfried Hagenberg.

Foto: Dackweiler, Ulli (ud)

"Links oben, rechts unten" heißt eines der jüngsten Buchobjekte von Helfried Hagenberg. Farbenfroh lagert es in einer Vitrine und ist Blickfang seiner Ausstellung "seitenweise", die heute in der Stadtbibliothek Büderich eröffnet wird. Wie stets lieferte ein fertiges Buch die Basis seines Schaffens. Hier verwendete der Künstler einen Jahreskalender, den er buchstäblich "seitenweise" bearbeitet hat: 360 Blätter bemalte er mit Aquarell- und Acrylfarben in 360 Nuancen. "Danach begann ich damit, geometrische Figuren von Dreieck bis Sechseck in die einzelnen Seiten zu schneiden", erzählt er. "Durch Überlagerung ergeben sich bei jedem Umblättern neue Einblicke."

Die Buntheit markiert einen Wechsel. Bei seiner Kleidung pflegt Helfried Hagenberg seinen Hang zu starken Farben seit jeher genussvoll auszuleben. Für seine Buchobjekte jedoch bevorzugte er bisher pures Weiß. Woher kommt die frische Liebe? "Form und Schnitt allein waren mir auf Dauer zu wenig", antwortet er. "Ich bemerkte, dass durch intensive Farben unglaubliche Dramaturgien entstehen." Andere Bücher der Ausstellung zeigen, dass auch schlichte weiße Vorlagen durch präzise Schnitttechniken erstaunliche Verwerfungen hervorbringen. Bei einem zart karierten alten Kontorheft scheint die Oberfläche zu vibrieren, andere haben runde Gucklöcher, die den Blick ansaugen.

Zu sehen sind auch eine Reihe Druckgrafiken des Büdericher Künstlers. 40 Jahre war er Professor im Fachbereich Design an der Fachhochschule Düsseldorf. Sein Spezialgebiet, Semiotik und Typografie, führt ihn heute immer wieder nach China, wo er Vorlesungen vor jeweils 3000 Studenten hält. "Musik ist dort ebenfalls ein Thema", sagt Hagenberg. Sie begleitet ihn auch bei seiner künstlerischen Arbeit, die morgens um sechs Uhr beginnt. Beim "bunten Buch" hörte er Erik Satie. "Das ruhige Gleichmaß seiner Musik hält die Konzentration aufrecht", hat er festgestellt. Sie braucht er im Übermaß, denn: "Hat man sich einmal verschnitten, ist alles vernichtet."

In Büderich musste er sich mit den Gegebenheiten einer Bibliothek arrangieren. Die Serie "Schleifen und Knoten", inspiriert von Werken von Klee und Matisse, hat über dem Zeitschriftenregal ihren Platz gefunden. Die meisten Arbeiten, etwa die "Sylter Blätter" mit reizvollen Wellenbewegungen, wild, sanft oder schaukelnd, hängen exponierter und geben bei näherem Betrachten ihre Details preis. Häufig verbindet Hagenberg mathematische Strenge mit Zufälligkeiten. Bei "Ansichten" (1,30 mal 1,60 m) bezieht er sich auf einen Schriftwechsel zwischen Voltaire und Friedrich dem Großen, dessen Reisen das Werk aufgreift. Hagenberg setzte drei sich überlagernde Farben ein. Dann legte er die Druckplatte unter einen Kirschbaum und ließ die Früchte darauf verfaulen, deren Spuren sich manifestierten und einätzten. Die Edition "Alles in allem" hat mit taumelnden Münzen, rotierenden Kreisen und Spiralen eine heitere Anmutung. Alle Grafiken sind in kleinen Auflagen gefertigt und auch zu erwerben. Nicht so seine Bücher. Sie werden demnächst von der Sammlung Preußischer Kulturbesitz in Berlin übernommen.

Die Vernissage zu "seitenweise" ist heute um 18.30 Uhr, zur Einführung spricht der Kunstwissenschaftler Thomas Hirsch. Öffnungszeiten: Di+Fr 14-18 Uhr, Mi 15-19 Uhr, Do 10-18 Uhr, Sa 10-13 Uhr, bis 6. Mai.

(RP)
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