Analyse Wahlplakate - schlicht zum Gähnen

Meerbusch · Der Chefredakteur einer der größten deutschen Werbeagenturen hat sich die Plakate der Ratsparteien angeschaut

Analyse der Meerbuscher Wahlplakate
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Es freut mich zu sehen, dass bei den Kommunalwahl-Plakaten in Meerbusch ähnliche Inspirationslosigkeit und Einfältigkeit herrscht wie bei uns in Hamburg, wo wir auch am 25. Mai neben den Europa-Wahlen Bezirkswahlen (also Kommunalwahlen) haben. Wenn ich die Plakatmotive in Meerbusch mit denen in Hamburg vergleiche, beschleicht mich der Eindruck, dass Plakate immer mehr zum Ritual werden, bei dem es nicht mehr um die Aussagen geht, sondern einfach nur um Präsenz. Wortwitz oder fesselnde Motive, die ja eigentlich die große Kunst und vor allem der eigentliche Sinn von Wahlplakaten sind, finde ich nicht mehr. Schlimmer noch: Dort, wo man wortwitzig oder grafisch/bildlich aussagekräftig sein will, ist der Witz, die Aussage oft nach hinten losgegangen - oder schlicht zum Gähnen.

Zu den Meerbuscher Plakaten: Fast alle Plakate sind wenig, wenn sogar überhaupt nicht innovativ. Insbesondere die größeren Parteien bedienen sich den Layout- und Designvorgaben der Parteizentrale. Am wenigsten gefallen mir die Plakate der SPD, der UWG und der FDP.

Grafisch besonders einfallslos ist die SPD. Quasi in ein Standardmotiv hinein wurde ein Thema, nämlich die Forderung nach einer zweiten Gesamtschule gepackt. Aus dem Zusammenhang gerissen. Da wirkt der Abbinder "Wir bringen Meerbusch auf Kurs" unfreiwillig bedrohlich. Und langweilig sind Forderungen wie "mehr Geld für alle", "unsere Stadt soll schöner werden" oder "noch mehr Schulen für in Zukunft noch weniger Kinder" allemal. Wahrscheinlich der potenziellen SPD-Wählerschaft jenseits der 50 geschuldet, die bekanntlich Ironie nicht versteht. Aber auch keine schulpflichtigen Kinder mehr hat. Kurz: Der Spruch geht an der eigentlichen Zielgruppe (junge und Erst-Wähler, Familien mit Kindern) vorbei.

Genauso "unschön" grafisch und sprachlich sind die Plakate der UWG. Die Signalfarbe, an der wir uns alle irgendwie schon satt gesehen haben, nämlich Orange kontrastiert fast wie in einer mit Prilblumen verzierten 70er-Jahre-Küche mit schmutzigem Gelb. Hätte man die Schrift wenigstens in einem durchaus dazu passenden Dunkelgrau gelassen. Nein, es musste stumpfes Schwarz sein. Und dann die Sprüche, die grammatikalisch vom Bezug auch noch falsch sind. Okay, unbeleuchtete Straßen kann ich noch als Leichtsinn (der amtierenden Stadtväter) durchgehen lassen. Aber Einbrüche (doch wohl nicht von den Verantwortlichen in der Stadtverwaltung) und dito Raserei sind stoppenswürdige Dinge. Aber keinesfalls Leichtsinn, sondern Ordnungswidrigkeiten bzw. Verbrechen. Das nehme ich für Hamburg von der UWG mit: Mehr Licht und mehr Verkehrsberuhigung bringt mehr Sicherheit - auch vor Einbrechern (Achtung: Ironie).

Ich weiß, in Meerbusch ist die FDP stark und steht für Schuldenabbau. Dann sollte man das auch im Bild zeigen und nicht nur behaupten. Stattdessen wirkt das Motiv für den ortsfremden Betrachter fast skurril: Eine gestaltungswillige FDP präsentiert sich mit einem Kapellchen vor blühender Kastanie. Ist das der Sitz der Meerbuscher Kämmerers? Aber Scherz beiseite: Die FDP muss sich schon sehr sicher sein, wieder ein starkes Ergebnis bei den Kommunalwahlen einzufahren, wenn sie sich so wenig Mühe bei ihren Wahlplakaten geben. Da wäre übrigens noch satt Platz für zwei oder drei weitere Aussagen. Etwa: wie die FDP die Schulden abbauen möchte. Immerhin: "Nur mit uns" klingt weniger bedrohlich als das "Auf-Kurs-bringen" der SPD.

Damit komme ich zu den drei Wahlplakaten, die mir besser gefallen: die der CDU, der Zentrumspartei und der Grünen.

Immerhin sieht man bei der CDU was. Nämlich das Team, das die Stimmen der Meerbuscher will. Sehr staatsmännisch, pardon -fraulich, das Ganze. Aber eine sympathische Aufstellung mit der wichtigsten Figur, offenbar die Bürgermeisterkandidatin, in der Mitte des "Kabinetts". Dumpf und nichtssagend dagegen das "Ja zu Meerbusch". Es wird ja im Ernst niemand in der Stadt "Nein" oder Ja, aber" oder "Vielleicht" sagen. Vielleicht ein paar Separatisten aus Lank-Latum (dort leben Verwandte von mir), die die Gemeindereform aus den 70er Jahren wieder zurückdrehen wollen. Nein, im Ernst: Ein Team zu präsentieren, muss nicht mit Volkstümelei à la Seehofer einhergehen. Insofern ist die CDU Meerbusch auf einem guten Weg und muss noch hier und da mit Atavismen kämpfen. Für mich als langjähriger Hamburger, der die Kulisse der Hansestadt mit ihren Kirchtürmen, Brücken und dem Fernsehturm immer im Herzen trägt, besonders angenehm zu sehen: die Meerbuscher CDU macht es richtig, Kirchtürme, Windmühlen und andere markante Bauwerke der Stadt als Silhouette zu zeigen. Das vermittelt Vertrautheit und unaufgeregtes Heimatgefühl.

Außer der Reihe gut, weil das Wahlplakat genauso anachronistisch wie die Partei ist, finde ich das Motiv der Zentrumspartei. Das war die Partei, die meine Groß- und Urgroßeltern gewählt haben. Am Niederrhein gibt es sie offensichtlich noch. Und auch hier gilt: "what you see is what you get" - kurz: wysywyg. In der Computerwelt ist der wysywyg-Modus eher was für diejenigen, die nicht abstrahieren können (oder wollen). Und genauso präsentiert sich die Partei Zentrum: etwas überladen wie damals in der guten Stube meiner Großmutter. Aber mit schnörkellosen Aussagen: bürgernah, zuverlässig und ehrlich (Aha! Andere sind das dann nicht?) und dabei fortschrittlich und die Zukunft bestimmend. Schön, weil auch Retro: wie beim "Spiegel" vor seiner Layout-Verjüngung die Meldungsbanderole "140 Jahre Zentrum". Wer so viel Erfahrung auf dem Buckel hat, kann nichts falsch machen. Das ist in der Politik genauso wie bei meinem Fischhändler in Hamburg-Eimsbüttel. Der muss nach 100 Jahren dicht machen, weil er keinen Nachfolger findet.

Man könnte sagen: In der Partei Bündnis90/Die Grünen sind so viele Kreative, Designer, Künstler - die können nur richtig schicke und aussagekräftige Wahlplakate hinbekommen. Stimmt auch fast. Aber eben nur fast. Denn die Meerbuscher Grünen bedienen sich auch den vorfabrizierten Layouts der Parteizentrale und den unsäglichen so genannten Stock-Bildern. Das sind Fotos, die von großen Agenturen mit möglichst nichtssagendem Motiv produziert werden, damit Kunden in diese Bilder ihre Inhalte kopieren können. In Meerbusch muss das Stock-Motiv Ortsschild mit dem Thema "Fluglärm" herhalten. Auch hier wenig Inspiration. Aber trotzdem ein starkes Motiv. Denn während sich andere Parteien brüsten müssen, kompetenter, ehrlicher, fortschrittlicher als andere zu sein oder gegen Leichtsinn aller Couleur sind, weiß man bei den Grünen, wogegen sie kämpfen werden. Gegen den Fluglärm vom angrenzenden Düsseldorfer Flughafen. Eine klare Aussage mit einer klaren Verknüpfung von Bild und Text. Das haben sie handwerklich sauber hinbekommen. Liegt wahrscheinlich an den vielen Künstlern und Kreativen bei den Grünen (Achtung: Ironie).

(RP)
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