Meerbusch Von Osterath aus Fahrwege sichern

Meerbusch · Seit 1982 stellen Fahrdienstleiter im Stellwerk in Osterath Signale um, erst mechanisch, nun über Drucktasten und Relaisschaltungen

 Normalerweise arbeitet Fahrdienstleitern Ida Doberstein allein. Zurzeit bedient auch der Auszubildende Christoph Winkels das Gleisbild.

Normalerweise arbeitet Fahrdienstleitern Ida Doberstein allein. Zurzeit bedient auch der Auszubildende Christoph Winkels das Gleisbild.

Foto: Christoph Reichwein

Im Stellwerk bimmelt es laut, der RE10 unten auf den Gleisen schließt die Türen und beschleunigt. Ab nach Düsseldorf. Die Schranke beim Bahnhof in Osterath öffnet sich. Mit nur wenigen Tasten hat Ida Doberstein vom Stellwerk aus den Fahrweg gesichert. Auf einem Monitor blinkt eine Zahl auf. Aus der Nummer liest die Fahrdienstleiterin Gattung, Start und Ziel vom Zug ab, der demnächst kommt.

Über 39 000 Züge sind täglich im Personen- und Güterverkehr auf dem deutschen Schienennetz unterwegs. Für einen sichereren Betriebsablauf sorgen über 12 000 Fahrdienstleiter. Doberstein arbeitet seit 1976 als Fahrdienstleiterin, seit 1992 für die Deutsche Bahn. Insgesamt wechseln sich in Osterath neun Fahrdienstleiter ab. Früh- und Spätschicht dauern sieben Stunden, die Nachtschicht umfasst zehn Stunden. Sonntags gibt es Zwölf-Stunden-Schichten. Der Zugverkehr ist dann geringer.

 Es sieht so aus, als luge das Stellwerk in die Bahnstrecke. Die hochstehende Bauform ist historisch bedingt. Das Stellwerk wurde früher mechanisch betrieben.

Es sieht so aus, als luge das Stellwerk in die Bahnstrecke. Die hochstehende Bauform ist historisch bedingt. Das Stellwerk wurde früher mechanisch betrieben.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Seit 1982 ist das Stellwerk in Osterath in Betrieb. Die hochstehende Bauform ist dadurch bedingt, dass es einst ein mechanisches Stellwerk war. Die Gleise mussten vom Stellwerk aus überprüft werden. Die Bedienung der Signalelemente erfolgte über Hebel oder Drahtzüge. Die Übertragungswege waren begrenzt. Weichen konnten nur bis 800 Meter und Signale bis 1,8 Kilometer gestellt werden. Zwar liegt noch heute ein Fernglas auf der Fensterbank. Hauptsächlich beobachtet Doberstein die Strecke aber auf vier Monitoren. Kameras übertragen, ob es ein Hindernis gibt oder nicht. Auf dem Bildschirm wandert ein X von links nach rechts. Das X wird "Lebenszeichen" genannt und bedeutet: Die Technik läuft einwandfrei. Man könnte auch an etwas Anderes denken. "Die Technik allein setzt keinen Notruf frei", erklärt Doberstein. "Wenn eine Störung vorliegt, muss das ein Mensch melden."

Mittlerweile ist das Stellwerk ein Relaisstellwerk. Die Außenanlagen werden elektrisch durch Drucktasten und Relaisschaltungen gesteuert. Der technische Fortschritt ermöglichte die Steuerung von Signalelementen über eine größere Distanz. Das Stellwerk in Osterath verantwortet einen Abschnitt von rund zwölf Kilometern mit 14 Bahnübergängen, drei davon in Meerbusch. Im Zentrum steht das Gleisbild. Der Stellbezirk wird auf der Oberfläche eins Tisches schematisch abgebildet: Gleise, Weichen, Bahnhöfe oder Übergänge. Die hell- und dunkelgrauen Quadrate der Oberfläche kann man entnehmen, um den Osterather Bahnhof zu markieren - oder den Namen vom Dienstältesten: Ulli Rips. Eingebaute Weiß- und Rotleuchten geben den Betriebszustand an. Bei Rot ist das Gleis - dargestellt als schwarze Linien - besetzt. "Ich muss mindestens zwei Tasten gleichzeitig drücken", erklärt Doberstein. Zwei Tasten sind nötig, wenn eine Strecke für einen Zug gesichert wird. Doberstein bedient Start- und Zieltaste, wenn die Voraussetzungen für freie Fahrt gegeben sind. Es gibt Magnete mit Aufschriften wie "ARB" für Arbeitsstelle oder "BUE" wie gestörter Bahnübergang. Diese verteilt die Fahrdienstleiterin als Merkhilfen.

Auf einem Monitor links vom Gleisbild leuchten bunte Linien und Zugnummern. Die Linien simulieren den Stellbezirk. Davor befindet sich eine Art überdimensionaler Taschenrechner. Über diese Eingabestelle kann Doberstein an ein anderes Stellwerk melden, dass ein Zug umgeleitet werden soll. Es gibt mehrere Funkgeräte im Raum. Damit gibt Doberstein beispielsweise Lokführern Bescheid, die Geschwindigkeit zu drosseln, um den Raum- bzw. Blockabstand zum Vorzug einzuhalten. Eines der Geräte könnte ein Wählscheibentelefon für Riese sein, beigefarben, verstaubt, sicher Jahrzehnte alt.

Im Hintergrund tickt ein Nadeldrucker, unermüdlich spult Papier heraus. Die Zugfahrten werden gerichtsfest dokumentiert. Mehrere Uhren im Raum erinnern an das Soll von Pünktlichkeit, um das sich die Deutsche Bahn bemüht. Das Fenster steht offen. Die "Blechelse" - die Frauenstimme aus den Lautsprechern - kündigt den nächsten Zug an. Und Ida Doberstein hat die Schranke im Blick.

(RP)
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