Tour de France in Meerbusch Heimspiel - die Tour vor der Haustür

Meerbusch · Wer das Glück hat, direkt an der Tour-Strecke zu wohnen, konnte die Etappe gestern vor der eigenen Haustür erleben. RP-Mitarbeiterin Regina Goldlücke nutzte genau diese Chance für eine Reportage in ihrer eigenen Nachbarschaft.

 Deko in den Frankreich-Farben, französische Musik vom Trio "Chanson Trottoir": Überall wurden die Tour-Fahrer begrüßt.

Deko in den Frankreich-Farben, französische Musik vom Trio "Chanson Trottoir": Überall wurden die Tour-Fahrer begrüßt.

Foto: Kronemeyer

Beim ersten Blick aus dem Fenster morgens um 9 Uhr ist es noch ruhig. Bis auf die Gitter um den Matarébrunnen und stabile Barrieren zur Abriegelung von Post- und Dorfstraße deutet nichts auf das Großereignis hin, das Büderich seit Tagen auf den Kopf stellt. Also erstmal frühstücken.

Um 10 Uhr parken ein Feuerwehrauto, ein Polizeifahrzeug und ein Taxi am Brunnen. Da versäumt man noch nichts. Eine Stunde später ist das Bild plötzlich ganz bunt. In der Kurve von der Niederlöricker Straße über die Bahnschienen zur Dorfstraße hin ballen sich die ersten Zuschauergrüppchen zusammen. Schlau, denn dort hat man die Radler längere Zeit im Blick. Irgendwo erklingt Musik. Nix wie raus! Ich überquere den Platz am Brunnen, wo am Landsknecht Tische auf den Gehweg geschoben werden, und spähe in die Dorfstraße. Noch sind die Reihen licht, aber gleich unten ist es voll und die Stimmung super. Vor dem mit blau-weiß-roten Luftballons geschmückten Kiosk spielt das Trio "Chanson Trottoir" französische Klassiker.

Daneben fällt der Citroën HY von Kai-Uwe Vogel ins Auge. "Von 1980, einer der letzten, die gebaut wurden", erzählt der Meerbuscher Malermeister, der sein Nostalgie-Schätzchen bis heute als Lieferwagen einsetzt. Er findet das Tour-Spektakel klasse: "Was wir heute mit Heimvorteil erleben, siehst du sonst nie so nah." Robert Schliewe von "Bike City Meerbusch" stellt ein Fahrrad von 1947 auf, das er später versteigern will. "Ich bin zu einem Drittel Franzose", sagt er, "toll, dass wir die Tour bekommen haben."

Dieser Meinung sind alle, die in wachsender Zahl gut gelaunt den Straßenrand bevölkern. Zwei Männer in französischen Gendarmerie-Uniformen werden oft fotografiert. "Die haben wir für den Karnevalsumzug in Nierst angeschafft", berichten Michael Domhan und Jörg Zimmer. "Heute kommen sie wieder zum Einsatz." Sie amüsieren sich über den anerkennenden Zuruf: "Oh lala, les Gendarmes de St. Tropez!" Die Stimme tönt aus einem der zahlreichen Werbefahrzeuge, die im Konvoi an uns vorbei knattern. Aus einigen wird etwas geworfen, als hätten wir Rosenmontag: Kappen, Wimpel, Knabberzeug, Gummitierchen. Auf meinen Fuß prallt ein Madeleine-Gebäck. Vittel-Fläschchen werden ans Publikum verteilt, inklusive Wasserdusche. Da gehe ich lieber in Deckung, bin ja froh, dass es nicht regnet.

 Blickfang: Kai-Uwe Vogel und Robert Schliewe mit dem Citroen-Lieferwagen, Baujahr 1980.

Blickfang: Kai-Uwe Vogel und Robert Schliewe mit dem Citroen-Lieferwagen, Baujahr 1980.

Foto: regin agoldlücke

Am Wine Live wird "Oh Champs Elysées" gespielt. Alle Tische sind besetzt, der Grill dampft. Dort treffe ich den Büdericher Tobias Ludowigs, Geschäftsführer im Düsseldorfer Altstadtlokal Tante Anna. "Prächtige Volksfest-Stimmung", konstatiert er. "Das hat man in Meerbusch nur einmal im Leben, das muss man auch mitnehmen." Auf dem Rückweg zur Kurve, wo ich noch ein Stehplätzchen ergattern will, komme ich vorbei an einem üppig gedeckten Tisch. "Wir haben Freunde eingeladen", sagt Yadwigha Graubner, "wo die Tour schon mal durch den eigenen Vorgarten fährt!" Ihre Nachbarn Carola und Dirk Köhler geben neben dem Restaurant Luca eine noch größere Party. In wenigen Minuten werden die Radler erwartet. Die Spannung steigt. Vereinzelt weht die Trikolore, dazwischen blitzen, wie süß, Fortuna-Fähnchen auf. Autos und Motorräder brausen mit Getöse vorbei. Jubelschreie und Beifall. Dann, endlich, der dicht gedrängte Tross. Ein Gewimmel von Rädern, Helmen und - pfffffffffft - schon ist er vorbei. Sekundenschnell. Genau so flott verzieht sich das Publikum. Denn jetzt setzt er ein, der Regen.

(RP)
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