Landwirtschaft in Meerbusch Der rote Harvey und die süßen Kartoffeln

Langst-Kierst · Weil Süßkartoffeln sehr empfindlich sind, brauchen sie eine besonders sensible Behandlung. Das Team des Meerbuscher Kartoffelhofs setzt den selbst fahrenden Kartoffelroder „Harvey“ auf dem Feld ein. In dieser Woche fuhren alle gemeinsam die erste große Ernte ein.

 Stefanie de Kok, ihr Mann Riccardo Bär und Sohn Henk sitzen auf dem Kartoffelroder Harvey, Projektleiter Alexander Wengert prüft die Ernte.

Stefanie de Kok, ihr Mann Riccardo Bär und Sohn Henk sitzen auf dem Kartoffelroder Harvey, Projektleiter Alexander Wengert prüft die Ernte.

Foto: RP/Anke Kronemeyer

10.000 Pflanzen waren im Sommer gesetzt worden – zum ersten Mal auf einem 4000 Quadratmetern großen Feld in Langst-Kierst. Niemand wusste, ob sie gedeihen, ob daraus wirklich große und süße Kartoffeln werden würden. Aber: Es hat geklappt. Zwar wurde nicht aus jeder der 10.000 Pflanzen eine stattliche Kartoffel, einige sehen mickrig aus, andere wurden von Mäusen angefressen, aber die meisten werden nach ihrem Aufenthalt in der 30 Grad warmen Wärmekammer in der Tüte beim regionalen Supermarkt und später im Kochtopf landen.

Aufatmen also bei Riccardo Bär und Stefanie de Kok. Mit normalen Kartoffeln haben die beiden vom Meerbuscher Kartoffelhof schon ihre Erfahrungen gemacht, die bauen sie schon länger an. Aber Süßkartoffeln? Dass die in unseren Gefilden wachsen können, war bislang ungewöhnlich. Sie brauchen halt viel Wärme während ihrer viermonatigen Wachstumsphase. Dass die nun gerade in diesem Sommer nicht wie sonst in den Vorjahren vorhanden war, hat die Ernte ein wenig getrübt. Der Regen hat immer wieder das Wachstum gestört und vor allem die Erntezeit nach hinten verlagert. „Nächstes Jahr machen wir alles früher“, kündigt Bär an. Früher pflanzen, einige Lagen vielleicht versuchsweise mit Vlies abdecken und dann auch früher ernten.

 Die Entwickler von Harvey stellen sich als Erntehelfer zur Verfügung – Mittagspause wird direkt auf dem Feld gemacht.

Die Entwickler von Harvey stellen sich als Erntehelfer zur Verfügung – Mittagspause wird direkt auf dem Feld gemacht.

Foto: RP/Anke Kronemeyer

Einer wird dann auf jeden Fall wieder dabei sein: Harvey. Dieser selbst fahrende Süßkartoffelroder wurde vom Team von SchmiedeOne in Düsseldorf entwickelt und wird schon auf mehreren Feldern bei der Ernte eingesetzt, so Projektleiter Alexander Wengert – zum Beispiel in der Schweiz und in den Niederlanden, aber auch in Ratingen seien weitere Exemplare von Harvey im Einsatz. Sein besonderes Kennzeichen: Er arbeitet sehr behutsam und beschädigt die empfindlichen Süßkartoffeln nicht, wenn er sie aus der Erde holt. Beim Aushub mit einem Fahrttempo von drei Stundenkilometern nimmt die Maschine zwar viel Boden mit raus, die Kartoffeln bleiben aber auf dem Förderband liegen, die Erde schiebt sich dann hinten wieder raus und bleibt auf dem Feld liegen.

Der Einsatz von Harvey in Langst-Kierst ist eine Win-Win-Situation: So kann das Team von SchmiedeOne, das zur niedersächsischen Grimme-Gruppe gehört, die Maschine im echten Einsatz testen, andererseits haben Riccardo Bär und Stefanie de Kok beste Unterstützung bei der Ernte. „Sonst müsste man die einzelnen Kartoffeln von Hand aus dem Boden holen.“

 Die Süßkartoffeln landen in der Kiste, danach geht es in die Wärmekammer.

Die Süßkartoffeln landen in der Kiste, danach geht es in die Wärmekammer.

Foto: RP/Anke Kronemeyer

Und damit im Einsatz auch alle eventuellen technischen Probleme mit Dieselmotor, Assistenz- oder Spurhaltesystem gelöst werden können, stellen sich die acht Entwickler ausnahmsweise als Erntehelfer zur Verfügung. Acker-Sprache ist dann Englisch. „Wir sind ein internationales Team“, berichtet Alexander Wengert. Das übrigens in der Mittagspause sehr gerne Pizza isst. „Es gibt aber in Meerbusch nur einen Pizza-Service, der bis ans Feld liefert.“ Stefanie de Kok lacht: „Ansonsten kümmere ich mich ja um das Acker-Catering und koche heiße Suppen.“

Fünf Tage wurde insgesamt bei eigentlich zu kühlen Temperaturen geerntet, wurden die Kartoffeln sortiert und dann ins Lager gebracht. Jetzt bleiben sie erstmal zwei Wochen bei hoher Luftfeuchtigkeit in der Wärmekammer, damit sie ihren süßlichen Geschmack entwickeln, dann werden sie ausgeliefert. Alle Hofläden in der Region, aber auch die Edeka-Märkte von Familie Nettersheim gehören zum Kundenstamm. Wieviel kostet das Kilo Süßkartoffeln am Ende? „Das wissen wir noch nicht genau“, so Bär. Aber vermutlich etwas mehr als drei Euro. „Ist am Ende ja immer noch viel Handarbeit, außerdem sind die Kartoffeln unbehandelt.“

Das nächste Projekt hat das Ehepaar, Eltern von drei Kindern, auch schon im Visier: Nach den Chips aus den normalen Kartoffeln sollen jetzt auch Süßkartoffelchips in die Tüte kommen. Da ist Harvey dann aber nicht dabei.

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