Strümper Tradition Männer unter sich

Schon 179 Mal haben sich Strümper zum „Männerfrühstück“ in der Versöhnungskirche getroffen. Es geht um mehr als nur Rührei.

 Der lange Tisch ist reich gedeckt, zu Wurst, Brötchen und Käse gibt es auch frisches Rührei mit Speck.

Der lange Tisch ist reich gedeckt, zu Wurst, Brötchen und Käse gibt es auch frisches Rührei mit Speck.

Foto: Viktor Marinov

Es gibt Veranstaltungen, unter denen man sich nicht so viel vorstellen kann, wenn man nur die Ankündigung liest. So ist das bei dem 179. Strümper Männerfrühstück. Es soll gegessen werden, so viel ist klar, die meisten Teilnehmer dürften männlichen Geschlechts sein. Im Online-Kalender der Stadt steht nicht viel mehr dazu: der Tag, die Uhrzeit, der Ort. Das Thema eines Vortrags: „Deutsch – ein Pflegefall? Neues zur Sprachentwicklung“. Ein geheimnisvolles „…und mehr“, welches alles bedeuten könnte. Und diese imposante Zahl: 179. Ein Treffen, das schon so häufig stattgefunden hat, muss einen Reiz ausüben. Aber welchen und auf wen? Ein Besuch.

„Guten Morgen, Männer!“, mit diesem Satz fängt das Frühstück an. Die Männer sind zusammengekommen in der Versöhnungskirche an einem Freitag, wie sie es schon seit mehr als zehn Jahren tun. In der Kirche ist es voller und lebendiger als die kurze Beschreibung erahnen lässt. 80 Teilnehmer sind es dieses Mal, mehr als erwartet, viel mehr als es in den Anfängen waren. Es wird viel und laut gesprochen. Die meisten kennen sich schon lange, manche noch aus der Schule. Viele haben graue Haare, die anderen gar keine. Der Saal der Kirche ist mittlerweile zu klein für die Treffen, am Eingang sind noch vier oder fünf Tische aufgestellt, ein Lautsprecher überträgt das Gesagte auch dorthin.

Viel zu übertragen gibt es allerdings nicht. Eine kurze Anrede, Grußworte. Wichtiger ist das Drumherum. „Wir sind ein Netzwerk“, sagt Peter Schulze. Er ist promovierter Ingenieur, von Anfang an dabei. „Es ist menschlich immer intensiver geworden mit den Jahren“, sagt er. Wenn Schulze über Netzwerk spricht, denkt man zunächst eher an berufliches Fortkommen, an Kontakte und Karriereleitern. Hier ist wohl eher der Austausch gemeint, der häufig in Freundschaft übergeht. Jeder habe seine Aufgabe, fügt Schulze ernsthaft hinzu. Dann macht er eine kurze Pause und schmunzelt, bevor er weiterspricht. „Meine Aufgabe ist es, die Brötchen und das Fleisch abzuholen“. Um 7.45 Uhr habe er das gemacht, ein anderer hat bestellt, wiederum andere sind für die Zubereitung zuständig.

 Bernhard Kuntze und der ehemalige Pfarrer Friedemann Johst sind die zwei Hauptorganisatoren der regelmäßigen Treffen in Strümp.

Bernhard Kuntze und der ehemalige Pfarrer Friedemann Johst sind die zwei Hauptorganisatoren der regelmäßigen Treffen in Strümp.

Foto: Viktor Marinov

Auch das Essen ist ein Aspekt, der bei der Ankündigung unter Wert verkauft wird. Brötchen, Wurst und Käse sind auf einem langen Tisch ausgebreitet, dazu gibt es frisch zubereitetes Rührei und Speck. Dass so viele gekommen sind, macht den Organisatoren aber fast einen Strich durch die Rechnung. Die Besucher werden ermahnt, nicht zu viel auf einmal zu nehmen. „Die Brötchen sind heute abgezählt“, sagt ein Teilnehmer und lacht.

Frühstück schön und gut. Aber warum ist das hier eigentlich eine reine Männerveranstaltung? „Man wollte die Männer in die Kirche bringen“, sagt Schulze. Denn sie seien in der Minderzahl gewesen in der evangelischen Gemeinschaft in Strümp. Die Frauen dagegen hielten mehr zusammen und bildeten viele Gruppen. Das wollten die Männer auch – unter sich sein. Man habe vor Jahren mal versucht, den Kreis für die Frauen zu öffnen, das habe aber nicht geklappt, erklärt ein Tischnachbar. Auf die Hilfe einer Frau sind sie aber nach wie vor angewiesen, auch wenn sie beim Frühstück nicht dabei ist.

 Für das schönste Detail beim Männerfrühstück, die roten Tulpen auf jedem Tisch, ist dann doch eine Frau zuständig.

Für das schönste Detail beim Männerfrühstück, die roten Tulpen auf jedem Tisch, ist dann doch eine Frau zuständig.

Foto: Viktor Marinov

Die Spuren dieser Frau findet man etwa bei den schönen roten Tulpen, die auf roten und gelben Servietten in dünnen Vasen aus Glas auf jedem Tisch stehen. „Meine Frau hat mir die Aufgabe weggenommen“, sagt Adam Werner. Er ist einer der Hauptorganisatoren des Männerfrühstücks, entscheidet immer, was bestellt werden muss und kümmert sich auch sonst um ganz viel. Nur um die Deko nicht mehr. „Letztes Weihnachten war das auch wunderschön“, schwärmt ein Teilnehmer von der Arbeit von Frau Adam.

Nach dem Frühstück versammeln sich die Männer im Kirchsaal für den Vortrag. Die Themen sind ganz unterschiedlich, mal kirchlich geprägt, mal nicht. Es ging schon um Künstliche Intelligenz oder die Weihnachtsbotschaft bei Bach, am 15. Mai kommt der Düsseldorfer Karnevalswagenbau-Künstler Jacques Tilly. Die Referenten kommen in der Regel ohne Honorar.

 Holger Klatte, Geschäftsführer des Vereins für Deutsche Sprache, hielt beim 179. Männerfrühstück einen Vortrag zum Thema Sprachentwicklung.

Holger Klatte, Geschäftsführer des Vereins für Deutsche Sprache, hielt beim 179. Männerfrühstück einen Vortrag zum Thema Sprachentwicklung.

Foto: Viktor Marinov

Beim 179. Treffen spricht Holger Klatte, Geschäftsführer des Vereins Deutsche Sprache. Das Thema ist Sprachentwicklung, auch Gender-Sprache. Die findet Klatte nicht so gut. Die Mehrheit der Deutschen verstehe nicht, was gerade mit der Sprache passiere. „Wer verordnet das und wie kann man sich dagegen wehren?“, fragt einer der versammelten Männer. Spätestens dann wünscht man sich, dass Frau Adam doch ein bisschen mehr übernommen hätte als nur die Dekoration.

Info: Die nächsten Treffen in der ev. Versöhnungskirche sind: 20. März, Thema Masuren/Ostpreußen, 24. April, Thema Abendmahl und Eucharistie im Neuen Testament, und 15. Mai, Thema Despoten, Demagogen und Diktatoren mit Jacques Tilly. Kontakt über Bernhard Kuntze per Mail an berniku@web.de, telefonisch unter 02150 2002.

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