Meerbusch Sorge vor Holland-Meiler

Meerbusch · Im niederländischen Borssele ist der Bau eines neuen Atomkraftwerks geplant. Die Entfernung nach Meerbusch beträgt 205 Kilometer Luftlinie. Der BUND warnt, der Rhein-Kreis liege in der "unmittelbaren Gefahrenzone".

Das energiepolitische Nachbeben des Reaktorunglücks von Fukushima führte in Deutschland zum Atomausstieg — doch in den Niederlanden sieht es ganz anders aus. Die Nachbarn planen den Ausbau der Kerntechnik. In Borssele (Provinz Zeeland) soll ein neuer Atommeiler entstehen. Dort befindet sich das einzige noch aktive Kernkraftwerk des Landes, dessen Laufzeit bis 2033 verlängert wurde. RWE will sich mit 30 Prozent (wohl rund 540 Millionen Euro) am bereits laufenden AKW Borssele beteiligten.

Angesichts der Nähe zum Rhein-Kreis schlägt nun der BUND Alarm. Borssele nahe Vlissingen liegt lediglich 205 Kilometer Luftlinie von Meerbusch entfernt — und fast genau westlich: "Der Rhein-Kreis liegt in der unmittelbaren Gefahrenzone des geplanten Kraftwerks", so die Umweltschützer. Ihnen macht neben der Entfernung besonders die Richtung Sorge. Denn in Meerbusch herrschen westliche Winde vor. Der Wind bläst häufig aus Richtung Eifel oder Nordsee. "Im Fall eines Unglücks könnten radioaktive Emissionen nach Meerbusch geweht werden", warnt Wolf Mache. Der ehemalige Fraktionschef der Grünen im Rat kümmert sich beim Meerbuscher BUND um Atomfragen. Er fürchtet, dass holländischer Atomstrom letztlich im deutschen Netz landen wird und kritisiert die mögliche Beteiligung von RWE am bereits laufenden Kraftwerk scharf.

Die Stadt selbst kann nicht intervenieren: "Wir sind durch den Bau des Atomkraftwerks weder in unserer Planungshoheit bezüglich konkreter Vorhaben, durch Grundwertverlust oder im Recht auf freie Selbstverwaltung beeinträchtigt — und könnten eine solche Beeinträchtigung auch nicht nachweisen. Eine Intervention der Stadt wäre damit ohne Aussicht auf Erfolg", sagt Stadtsprecher Michael Gorgs.

Zwar gibt es mit dem AKW Emsland bei Lingen auch ein deutsches Kraftwerk, das mit 147 Kilometer Luftlinie noch näher an Meerbusch liegt. Doch der Standort ist aufgrund der vorherrschenden Windrichtung günstiger. Im Schadensfall würden Emissionen wohl eher von Meerbusch weg geweht. In Nordrhein-Westfalen selber sind keine Meiler am Netz.

Die Meerbusch am nächsten gelegene Anlage steht in Belgien: Das Kernkraftwerk Tihange bei Lüttich liegt 127 Kilometer entfernt, die Anlage Doel nördlich von Antwerpen 168 Kilometer. Die Abschaltung dieser AKW ist bis 2025 geplant.

Die neue Anlage in Borssele, die laut dem niederländischen Wirtschaftsminister Maxime Verhagen ab 2015 gebaut werden und 2020 den Betrieb aufnehmen könnte, soll "höchste Sicherheitsstandards" erfüllen. Sie soll Erdbeben der Stärke 5,2 ebenso aushalten können wie einen Wasserstand von 7,30 Metern über dem Meeresspiegel. Bei der Rekord-Sturmflut von 1953 mit fast 2000 Toten wurde ein Pegel von "nur" 4,55 Metern gemessen.

Ein Viertel des von den Wirtschaftsbetrieben Meerbusch zurzeit verkauften Stroms stammt aus Kernenergie. Damit liegen die WBM exakt im Bundesdurchschnitt.

(RP)
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