Meerbusch Soll die Gerretz-Schule auslaufen?

Meerbusch · Am Mittwoch entscheidet der Schulausschuss über das Ende der Barbara-Gerretz-Schule – RP Online berichtet ab 17 Uhr live. Unsere Redaktion fragte Fraktionen, Verwaltung und Schulpflegschaft nach ihrer Position zur Schulschließung. CDU, SPD, FDP und Grüne gaben keine Stellungnahme ab.

 Seit Herbst 2011 diskutierte der Arbeitskreis Schule nichtöffentlich über die mögliche Schließung der Barbara-Gerretz-Schule.

Seit Herbst 2011 diskutierte der Arbeitskreis Schule nichtöffentlich über die mögliche Schließung der Barbara-Gerretz-Schule.

Foto: Dackweiler, Ulli

Am Mittwoch entscheidet der Schulausschuss über das Ende der Barbara-Gerretz-Schule — RP Online berichtet ab 17 Uhr live. Unsere Redaktion fragte Fraktionen, Verwaltung und Schulpflegschaft nach ihrer Position zur Schulschließung. CDU, SPD, FDP und Grüne gaben keine Stellungnahme ab.

Angelika Mielke-Westerlage, Schuldezernentin von Meerbusch:

"Investition von 800.000 Euro nicht vertretbar"

Wie in anderen Kommunen sind auch in Meerbusch die Schülerzahlen drastisch gesunken. Betroffen sind davon alle drei großen Stadtteile: In Büderich sind nach Aufgabe eines Standortes drei Grundschulen für 755 Schülerinnen und Schüler verblieben. In Lank unterrichten wir derzeit 535 Schüler an zwei Grundschulen. In Osterath sind die Schülerzahlen um fast 50 Prozent gesunken. Die Grundschülerzahl ist hier am geringsten. Für die nur noch 509 Schüler halten wir aber noch drei Grundschulen vor.

Die Einschulungszahlen in Osterath machen in den nächsten fünf Jahren insgesamt noch vier bzw. fünf Eingangsklassen erforderlich. Damit kann ein Schulstandort aufgegeben werden. Genau das hat auch der unabhängige Fachgutachter festgestellt, der im Auftrag des Schulausschusses die Zahlen und das Konzept der Verwaltung sowie die Einwendungen der Schulkonferenz der städt. Barbara-Gerretz-Schule geprüft hat.

Leider ist in der bisherigen Diskussion die städti. Erwin-Heerich-Schule in Bovert zu sehr aus dem Blickfeld geraten. Die Schule kann nach den Sommerferien zum wiederholten Mal nur eine Eingangsklasse bilden und ist damit schon in zwei von vier Jahrgangsstufen einzügig. Zum Schuljahresbeginn 2012/13 muss die Schule erneut Lehrkräfte abgeben. Die Folge: Unterrichtsorganisation, Klassenleitung, Krankheitsvertretungen und die Sicherung des Fächerangebotes werden immer schwieriger. Sollten alle drei Schulstandorte trotz weiter sinkender Schülerzahlen fortbestehen, besteht die Gefahr, dass die Erwin-Heerich-Schule komplett einzügig wird und weitere Lehrer abgezogen werden. Das brächte die Schule existenziell in Not. Auch Eltern sehen diese Entwicklung mit Sorge, weil sie befürchten müssen, dass für ihre Kinder an der Boverter Grundschule kein qualifiziertes Bildungsangebot mehr gesichert ist.

Noch ein geografischer Gesichtspunkt: Die städt. Barbara-Gerretz-Schule und die räumlich größere Eichendorffschule liegen in unmittelbarer Nachbarschaft "im Dorf", die städtischen Erwin-Heerich-Schule jenseits der Bahngleise rund 1,6 Kilometer von dort.
Würde der Rat beschließen, die Heerich-Schule aufzugeben, müssten die Kinder aus dem Osten Osteraths weite Wege in Kauf nehmen, um eine der beiden Grundschulen im Ortszentrum zu erreichen. Durch eine behutsame Steuerung kann erreicht werden, dass sowohl im Osten als auch im Westen der Bahngleise in Osterath ein gutes Bildungsangebot erhalten bleibt.

Die städt. Barbara-Gerretz-Schule und die städt. Mauritiusschule sind staatliche kath. Bekenntnisschulen. Eltern aus Osterath, die für ihr Kind in Zukunft den Besuch einer kath. Grundschule wünschen, haben die Möglichkeit der Anmeldung an der städt. Mauritiusschule. Bei einem Anmeldeüberhang an einer Bekenntnisschule haben die Kinder, die dem entsprechenden Bekenntnis angehören, Vorrang gegenüber anderen Kindern. Aber auch an Gemeinschaftsschulen werden Kinder auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte in Offenheit für die christlichen Bekenntnisse unterrichtet und erzogen und nehmen am Religionsunterricht teil, der ihrem Bekenntnis entspricht.

Der finanziele Aspekt: Die Erwin-Heerich-Schule ist saniert und 2004 um vier Klassenräume erweitert worden. Am Gebäude der Barbara-Gerretz-Schule besteht in den nächsten Jahren ein nicht wegzudiskutierender Sanierungsbedarf von rd. 800 000 Euro. Vor dem Hintergrund der Haushaltssitution der Stadt mit einer Verschuldung von rund 120 Millionen Euro muss die Frage gestellt werden, ob eine solche Investition, die nur über weitere Kredite finanziert werden könnte, vertretbar ist.

Arndt Fiebig und Antje Stosch, Vorsitzende der Schulpflegschaft der Barbara -Gerretz-Schule:

"Entscheidung drei Jahre aufschieben"

Wir schlagen vor, dass die Entscheidung über die Grundschullandschaft in Osterath drei Jahre aufgeschoben wird. Die Höhe der von der Stadt angesetzten Investitionskosten wird von uns massiv in Frage gestellt. Weiter ist ein Auf- bzw. Ausbau von Neubaugebieten zu erkennen, der sich verstärkend auf die Anzahl der Grundschüler auswirken wird. Das Konzept der Stadt sowie das Gutachtens des Dr. Rösners wird von der Schulpflegschaft abgelehnt, da diese Entwicklungen nicht ausreichend gewürdigt wurden und keine Alternativen zur Schulschließung der Barbara-Gerretz-Grundschule (BGS) untersucht wurden. Der Arbeitskreis wurde mit einem einseitigen Auftrag befasst: Eine Schule im Ort muss schließen.

Dem städtischen Konzept wurden Geburtenzahlen aus den frühen 70er Jahren zugrunde gelegt. Wenn man so verfährt, müsste man diese Kalkulationsgrundlage auch bei der finanziellen Beurteilung wählen und analysieren, welche Geldmittel in den Jahren seit 1970 in die Grundschulen geflossen sind.

Man wird feststellen, das Geld in eine wenig nachgefragte Schule nach Bovert geflossen ist und die BGS mit den meisten Anmeldungen "kurz gehalten" wurde. Fest steht, dass in 2015/2016 mit so vielen Schülern zu rechnen ist, dass diese nicht nur an zwei Schulen am Ort beschult werden können. Mit 30 Schülern überfüllte Klassen im "Dorf" werden Realität, ca. 20 Kinder müssen über die Bahnlinie nach Bovert laufen. Dr. Rösner ist auch davon ausgegangen, dass an der Eichendorffschule je Jahrgang drei Eingangsklassen gebildet werden können. Bei 10 Klassenräumen funktioniert das nicht. Die Verwaltung hat Ausschuss, Berater und Öffentlichkeit mit der Nennung von "12 Klassenraum-großen Räumen" getäuscht. Tatsächlich können an der Eichendorffschule nur vereinzelt drei Klassen gebildet werden. Die Erwin-Heerich-Schule kann laut Gutachter nicht in jedem Jahrgang, wie von der Verwaltung unterstellt, zwei Eingangsklassen bilden. Es steht fest, dass die Stadt bei Umsetzung der geplanten Schließung keine Kosten spart, sondern im Gegenteil höhere Kosten für die Aufstockung der Kapazitäten in Kauf nimmt und investieren muss, um alle Kinder unterzubringen. Offensichtlich geht es der Stadt und der Politik nicht darum Kosten zu sparen oder ideale Rahmenbedingungen für qualitativ guten Unterricht zu sorgen, sondern darum, um jeden Preis das Grundstück der BGS "freizuräumen". Wer hieran ein so großes wirtschaftliches oder persönliches Interesse hat, dass selbst ein Aufschub von drei Jahren mit Täuschung und Manipulation zu verhindern versucht wird, würde sich über kurz oder lang zeigen. Der Wähler wird die Politik bei der nächsten Kommunalwahl dafür abstrafen. Dann wäre es aber für die Schüler in Osterath zu spät.

Kerstin Cramer, Iris Sternemann und Daniela Winter von der Schulpflegschaft der Erwin-Heerich-Schule:

"Pädagogische Qualität erhalten"

In der Elternschaft von Osteraths kleinster Grundschule, der Erwin-Heerich-Schule in Bovert, sorgt die Schulschließungsdebatte für Verunsicherung. Die Heerich-Schulkonferenz warnte, dass es gravierend negative Auswirkungen auf die pädagogische Arbeit hätte, wenn die Grundschule durchgängig einzügig würde (zurzeit sind je zwei Stufen ein- und zweizügig).

Die Einzügigkeit und der Abzug von Lehrkräften droht jedoch, wenn die Osterather Schullandschaft unverändert bleibt. Gegenüber der RP meldete sich jetzt die Schulpflegschaft zu Wort. Deren Vorsitzende Iris Sternemann lobt die pädagogische Qualität der Schule am Neusser Feldweg, die unbedingt erhalten werden müsse: "Wir haben ein sehr gutes Kollegium." Auch die moderne Ausstattung der Schule, beispielsweise mit elektronischen Tafeln — und die engagierte Elternschaft — könnten sich sehen lassen. 2004 ließ die Stadt einen Anbau errichten, nun ist Platz für zwei Klassen pro Jahrgang. Gerade wurden die Toiletten renoviert.

Die Klassen sind behindertengerecht ausgebaut, die oberen Etagen per Aufzug erreichbar. Auch an die Pausen-Beschäftigung wird gedacht: Auf dem Schulhof steht ein Häuschen mit ausleihbarem Spielgerät, demnächst soll die Schule eine Sandgrube bekommen. Gut laufe auch der Kontakt mit den Kindergärten der Umgebung, so Sternemann.

Christian Staudinger-Napp, Fraktionsvorsitzender der UWG im Stadtrat:

"Erhalt wäre preiswerter als Schulschließung"

Seit der erstmaligen Erwähnung der geplanten Schließung der katholischen Grundschule in Osterath kann die UWG eine öffentlichkeitsscheue Bearbeitung durch die Stadtverwaltung und der regierenden Parteien CDU und Grüne erkennen. Die UWG unterstützt die Haltung der Elterninitiative, diese Schule zu erhalten. Es wurde durch die Eltern ein schlüssiges Konzept erarbeitet, die Schule erhalten zu können. Zudem wäre dieses Konzept sogar preiswerter als die geplante Schließung. Der Gutachter stützt sich hauptsächlich auf die von der Verwaltung zur Verfügung gestellten Zahlen.

Sie sind sind teilweise einseitig falsch angesetzt und nicht nachvollziehbar. Ebenso werden geplante Neubaugebiete inkl. deren Anzahl neuer Schüler nicht berücksichtigt. Pikanterweise wurde das angeblich unabhängige Gutachten nach Erhalt durch die Schuldezernentin mit der Bitte um Korrektur einiger Punkte zurückgesendet. Fazit: Verwaltung und CDU/Grüne bleiben in dieser Frage intransparent.

Wolfgang Müller, für die Zentrumspartei im Stadtrat:

"Schulschließung ist nicht nachhaltig"

An meiner bisherigen Meinung, die Barbara-Gerretz-Schule für mindestens drei Jahre komplett weiterzuführen, hat sich nichts geändert. Der Gutachter spricht von nicht kalkulierbaren Zuzügen nach Bebauung diverser Neubaugebiete. In Zukunft stufenweise kleinere Klassen zu bilden, ist ein Demographie-Gewinn. Im übrigen haben alle Parteien im Landtag dazu die gleiche Meinung.

Der wichtigste Teil der schulischen Bildung überhaupt entfällt auf die Grundschule. Dass Schulschließungen wegen des demographischen Wandels langfristig möglich sind, weise ich nicht von der Hand. Sie sollten aber so weit wie möglich vermieden werden. Dass wir heute kein Geld für eine Sanierung haben, kann ja nur an der falschen Geldpolitik der bisher Regierenden in Meerbusch liegen. Die Auflösung der Schule ist nicht nachhaltig und nicht im Sinne der Kinder. Ich bleibe dabei: kurze Beine — kurze Wege, die Gerretz-Schule muss im Dorf bleiben.

(RP/jco/ila/top)
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