Historie aus Meerbusch Ein Blick in die Ortsgeschichte

Meerbusch · Die neue Ausgabe der Geschichtshefte erzählen von der Weltwirtschaftskrise, einem schief gegangenen Klassenausflug und warum man im Osterather Brauchtum sicherheitshalber „Rey op“ trinkt.

 Seit einem tragischen Zwischenfall trinken die Osterather Schützen „Rey op“. Der Geschichtsverein hat die Geschichte um den Tod eines Schützenbruders am Tisch recherchiert.

Seit einem tragischen Zwischenfall trinken die Osterather Schützen „Rey op“. Der Geschichtsverein hat die Geschichte um den Tod eines Schützenbruders am Tisch recherchiert.

Foto: RP/Repro: Kunze

Mit den Meerbuscher Geschichtsheften können die Bürger in der Vorweihnachtszeit tief in die Lokalgeschichte eintauchen. Diesmal haben sieben Autoren die 39. Ausgabe der Heftreihe hervorgebracht, in der die Altgemeinden Osterath, Büderich und das Amt Lank, ihre Entwicklung und das Leben der Menschen vom Mittelalter bis in die jüngste Vergangenheit unter die Lupe genommen werden. Wichtig war den Erstellern dabei, alle Gemeinden in ausgewogenem Maße zu berücksichtigen. Das Ergebnis sind elf Aufsätze mit zusammen 200 Seiten historischer Lektüre.

Den Aufschlag macht Norbert Schöndeling, der 100 Jahre Medizingeschichte Revue passieren lässt. Dabei war es vor 100 Jahren gar nicht so einfach, in Osterath die erste Dorfapotheke zu gründen, und die aufstrebende Gemeinde musste einige Rückschläge in der medizinischen Versorgung hinnehmen, bevor Paul Fink 1922 die heute noch bestehende Marien-Apotheke eröffnen konnte.

Ebenso packend wie aktuell ist die Geschichte der Weltwirtschaftskrise, die sich besonders 1931/32 niederschlug, als in Osterath die Winternothilfe das Überleben zahlreicher Einwohner sichern musste. Dabei bildeten praktisch alle Osterather Vereine eine Selbsthilfeorganisation, berichtet Schöndeling. Die Zahl der Bedürftigen überrollte die Helfer förmlich. Die Mittel versuchten die Vereine etwa durch Feste, Sport- und Kulturveranstaltungen zu erwirtschaften. Abgelöst wurde das erfolgreiche Engagement 1933 durch das zentrale Winterhilfswerk der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt.

Mit der verworrenen Geschichte des Blomenhofes beschäftigt sich Paul Hoffmann. Er hat sich des Themas angenommen, weil der historische Hof neben dem Büdericher Alten Kirchturm aktuell umgebaut und teilweise abgerissen wird. Bekannt war über einen der ältesten Büdericher Höfe bislang kaum etwas.

Auch andere Autoren haben die alten Höfe erforscht. Der Ilvericher Hennenhof etwa geht auf die Grafen von Bentheim zurück und gelangte erst über eine komplexe Lehnsverbindung in den Besitz des Klosters Meer. Und in der Gaststube des Osterather Kröllgeshofs hat sich Ende des 18. Jahrhunderts ein tragischer Todesfall ereignet. Zecher hatten nicht bemerkt, dass einer ihrer Schützenbrüder am Tisch verstorben war. Seither sollte nur noch reihum getrunken werden, damit so etwas nicht wieder passiert. Der Spruch „Rey op wie die Jonges von Osteroth“ ist heute noch ein geflügeltes Wort in Schützenkreisen.

Ein weiteres Thema sind Feldpostbriefe aus den deutschen Einigungskriegen 1866 und 1870/71. Der Lanker Wilhelm van Dawen berichtete von seinen Erlebnissen in der Schlacht von Königgrätz, während der Ilvericher Bürgermeister den Soldaten seiner Gemeinde einen Ehrensold von je drei Talern zukommen lassen sollte. Drei antworteten in kurzen Briefen und berichteten, wie es ihnen als Besatzer in der Fremde sprichwörtlich „wie Gott in Frankreich“ erging.

Einen aufregenden Ausflug erlebte 1927 eine Schulklasse aus Osterath. Damals kamen einige Kinder auf dem Rückweg zwischen Rheinfähre und Heimatort abhanden, was große Aufregung unter den Eltern auslöste, als die ersten Kinder viel zu spät und in unbegleiteten Grüppchen im Ort auftauchten. Autorin Monika Rameil unterstützt den Geschichtsverein in diesem Jahr zum ersten Mal.

Mathias Meusch betrachtet Osterath aus der Luft. Anhand von Luftbildern zeichnet er die rasante Entwicklung des Dorfes in den 1960er-Jahren nach und entdeckt, wie große Freiflächen damals noch rund um den Ortskern lagen.

Die Nachkriegsjahre hat der Ehrenvorsitzende des Geschichtsvereins, Robert Rameil, selbst in Büderich erlebt. Die Erinnerungen werden durch Akten und Chroniken ergänzt und zeichnen ein lebendiges Bild einer bewegten Jugend zwischen Trümmern und beginnendem Wiederaufbau, einer Zeit, die heute fremd geworden ist.

Die 1977 erschienene Broschüre „Wandern in Meerbusch“ hat Stephan Haag dazu animiert, zu prüfen, wie die Stadt Meerbusch ihre grüne Seele für Standortwerbung und Volksgesundheit einsetzt – und wie grün die „Stadt im Grünen“ wirklich erlebt werden kann.

Anmerkung Autor Mike Kunze ist im Meerbuscher Geschichtsverein aktiv und hat Beiträge im Geschichtsheft veröffentlicht.

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