Serie Meerbusch entdecken Tradition mit Rheinblick in Langst-Kierst

Mit dem „Mundartpapst“ Johannes Toups unterwegs in dem Ortsteil direkt am Fluss. Der 84-Jährige erzählt Geschichten von Kirchen, Schulen und alten Höfen. Start des Spaziergangs ist an der Kirche St. Martin.

 Johannes Toups vor der Kirche St. Martin. Der durch seinen Mundartstammtisch bekannte, rüstige Rentner kann getrost als Original bezeichnet werden. Zu der Kirche hat er eine besondere Beziehung.  RP-Foto:   Andreas Endermann

Johannes Toups vor der Kirche St. Martin. Der durch seinen Mundartstammtisch bekannte, rüstige Rentner kann getrost als Original bezeichnet werden. Zu der Kirche hat er eine besondere Beziehung. RP-Foto:   Andreas Endermann

Foto: Endermann, Andreas (end)

Langst-Kierst ist eine der drei Meerbuscher Gemeinden, die direkt am Rhein liegen. Da hier schon die alten Römer entlang zogen und siedelten, blickt das Dorf auf eine lange Tradition zurück. „Schon zu spätrömischer Zeit gab es eine Holzkapelle, die auf einem Hügel inmitten von Wald stand“, erzählt Johannes Toups. „In seiner ganzen Geschichte ist das Kierster Gotteshaus noch nie unter Wasser gewesen“, ergänzt er.

     Blick in das denkmalgeschützte alte Backhaus: Dort gibt es  eine alte Krautpresse. Bis 2002 wurde dort noch der Ofen angeheizt.

Blick in das denkmalgeschützte alte Backhaus: Dort gibt es  eine alte Krautpresse. Bis 2002 wurde dort noch der Ofen angeheizt.

Foto: RP/Angelika Kirchholtes

Der durch seinen Mundartstammtisch bekannte, rüstige Rentner, der getrost als Original bezeichnet werden kann, hat von seinem Urgroßvater die Liebe zur Heimatforschung geerbt. Er kennt die Geschichte von St. Martin ganz genau, wo der Spaziergang durch den Ort startet.

 Das Haus Tourné, an dessen Mauern die Hochwassermarken vergangener Zeit verzeichnet sind.

Das Haus Tourné, an dessen Mauern die Hochwassermarken vergangener Zeit verzeichnet sind.

Foto: RP/Anke Kronemeyer

Die Kirche mit dem markanten weiß-gelben Erscheinungsbild ist Zentrum des Dorfes. „Die Umrahmung der Tür stammt noch von der im 12. Jahrhundert errichteten Tuffsteinkapelle“, erklärt Toups. Wegen Baufälligkeit sei diese im Jahr 1910 abgerissen und durch den heutigen Bau ersetzt worden. Die helle Farbgestaltung erhielt sie allerdings erst später, nämlich 1980.

Was nur wenige Menschen wissen: Bei der Sanierung wurde das Innere der Kirche mit Altar, Ambo, Tabernakel und Leuchtern durch den Tischlermeister und Berufsschullehrer Johannes Toups entworfen und gefertigt. Drei Mosaike aus der Kommunionbank der Tuffsteinkapelle wurden in die Predella des neuen Altares eingearbeitet. Daher hat der 84-Jährige eine ganz besondere Beziehung zu dem Gotteshaus.

Von dort sind es nur wenige Schritte zur ersten Schule des Dorfes, in der der Schuster nebenbei die Kinder unterrichtete. Allerdings ist das Gebäude nicht mehr erhalten. Auch eine Bäckerei mit Backstube und Laden, die sich später an diesem Standort befand, ist inzwischen geschlossen. Eine Möglichkeit zum Einkauf gibt es in Langst-Kierst nicht mehr. Auch die zweite Schule ist verschwunden. Bis 1938 wurden die Dorfkinder in dem Haus des ehemaligen Kuhhirten an der Langster Straße unterrichtet.

Vorbei am dritten Schulhaus, das gleichfalls abgerissen und durch das Feuerwehrgerätehaus ersetzt wurde, geht es weiter Richtung Rhein. „Hier wohnte der bekannte Bürgermeister Johann Heinrich Hilgers“, berichtet Toups, vor einem großen Gehöft stehend, das heute den Reit- und Ponyhof Löwenzahn beherbergt. Dieser sei Gründer des Düsseldorfer Milchhofes gewesen und habe viel für das Dorf geleistet.

Besonders bemerkenswert: Als die Amerikaner 1945 mit ihren Panzern anrückten, habe er sich mit einer weißen Fahne mitten auf die Straße gestellt, auch auf die Gefahr hin, dass die Nazis des Dorfes ihm in den Rücken schossen. Gleich um die Ecke steht das Haus Tourné, an dessen Mauern die Hochwassermarken vergangener Zeit verzeichnet sind: 1845, 1882 und 1920 versanken Felder und Häuser in den Fluten.

Heute ist die Gefahr gebannt. Weiter geht es vorbei am Deichtor des neuen Rheindeiches, es öffnet sich der Blick auf Kaiserswerth mit der Pfalz von Friedrich Barbarossa. „Bis 1802 wurde die Pfarre Nierst von Kaiserswerth mitbetreut, dann von Lank“, erzählt Toups. Von 1867 bis 1983 habe man dagegen einen eigenen Pfarrer gehabt, der von der Familie Sassen von Haus Kierst bezahlt wurde.

Zurück zum Rheindeich: Radfahrer und Spaziergänger genießen heute die Rheinfront. „Leider verschwindet immer mehr die ländliche Bauweise“, bedauert Toups. Wie es anders geht, könne man beim ehemaligen Köneshof sehen, in dem Bürgermeister Hilgers geboren wurde. Die Gebäude wurden behutsam vom neuen Eigentümer Albrecht renoviert.

Beim Blick in das denkmalgeschützte alte Backhaus von 1619 entdeckt man auch noch eine alte Krautpresse. Bis 2002 wurde dort noch der Ofen angeheizt. Auf einer Tafel steht in altdeutscher Schrift: „Wehe, du rauchst hier“.

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