Rheinfähre in Meerbusch in der Krise „Es sind nicht einmal mehr zehn Pendler, die das Angebot nutzen“

Langst-Kierst · Der Rheinfähre „Michaela II“ von Hajo Schäfer fehlen die Stammkunden. Schuld daran ist nicht nur die Flughafenbrücke, sondern auch Corona.

Fährmann Hajo Schäfer kennt die Arbeit auf dem Wasser seit er ein Kind ist. Die Rheinfähre ist seit über 50 Jahren ein Familienbetrieb.

Fährmann Hajo Schäfer kennt die Arbeit auf dem Wasser seit er ein Kind ist. Die Rheinfähre ist seit über 50 Jahren ein Familienbetrieb.

Foto: RP/Theresa Szorek

Vor 20 Jahren hatte die Rheinfähre zwischen Langst-Kierst und Kaiserswerth noch rund 500 Stammkunden. Heute sind es nicht einmal mehr zehn Pendler, die das Angebot werktäglich nutzen. Für Fährmann und Geschäftsführer Hajo Schäfer ist das ein großes Problem. Für den Wandel waren nicht nur verkehrsplanerische Faktoren ausschlaggebend, aber sie alle haben dem Betrieb zugesetzt.

Es ist schön auf dem Rhein. Rund um die beiden Anlegeplätze der Michaela II rauschen die Bäume so friedlich, dass man Lust hätte, nie wieder an Land zu gehen. Dass Hajo Schäfer einen bemerkenswerten Arbeitsplatz hat, muss man ihm nicht erzählen. Das weiß er selbst: „Ich bekomme hier den Wechsel der Jahreszeiten und des Wetters mit, die Wolken und den Sonnenschein“, sagt er. „Ich sehe Spaziergänger mit ihren Hunden und die Fahrradfahrer, die die Natur genießen. Das würde ich gerne mit mehr Leuten teilen.“ Eine Fährfahrt über den Rhein entschleunigt den Alltag, obwohl sie nicht einmal fünf Minuten dauert. Doch die Rheinfähre steckt in einer Krise, und daran können die Radler und Wochenendurlauber, die die malerische Umgebung zu schätzen wissen und das Angebot der Fähre ab und zu nutzen, nichts ändern. „Es müssen Stammkunden her“, sagt Schäfer. Davon gab es vor 20 Jahren noch rund 500. Pendler, die morgens mit dem Auto auf die Fähre gefahren sind und abends wieder zurück. Dann kam 2002 die Flughafenbrücke, über die die A44 von Meerbusch nach Düsseldorf verläuft, die Zahl der Pendler schrumpfte daraufhin dramatisch, plötzlich waren es nur noch 70. Das war vor Corona. Lockdown und Homeoffice taten ihr Übriges, und heute sind es nicht einmal mehr zehn Passagiere, auf die Hajo Schäfer sich werktäglich verlassen kann. Mittlerweile befördert er an Wochenenden mehr Autos als an Arbeitstagen, besonders bei schönem Wetter. Für die Unternehmenskasse ist das gefährlich, denn so kann der Betrieb auf Dauer nicht aufrecht gehalten werden.

Seit 50 Jahren ist die Rheinfähre in Familienhand. Hajo Schäfer und seine Schwester haben schon als Kinder auf dem Schiff mit angepackt, sie sind in Meerbusch zur Grundschule gegangen. Mit der Zeit wuchs das Unternehmen weiter, die Schiffe wurden immer größer. Das waren goldene Zeiten für die Rheinfähre. Früher haben Chefs ihren Mitarbeitern die Fähre bezahlt, erzählt Schäfer. Heute haben viele Angestellte einen Firmenwagen, den Sprit dafür müssen sie nicht selbst bezahlen – den Preis für die Überfahrt mit der Fähre aber schon. „Da nehmen viele lieber einen Umweg über die A44 in Kauf“, bedauert Schäfer. „Dabei ist die Fähre den Leuten wichtig, und die Stadt Meerbusch schmückt sich damit, dass es sie gibt.“ Tatsächlich sei die Fährstelle schon fast 900 Jahre alt. Damals habe man den Fährmann allerdings eher in der Kneipe angetroffen als im Fährhäuschen. Losgeschippert wurde erst, wenn sich genug Fahrgäste zusammengefunden hatten, das konnte schon mal Stunden dauern.

Heute fährt die Fähre etwa im Zehn-Minuten-Takt und ist daher wie gemacht für Pendler. Eine Überfahrt kostet 1,80 Euro, mit dem Fahrrad sind es 2,50 Euro und mit dem Auto 3,70 Euro. „Wir mussten die Preise leider vor Kurzem anheben, das war unvermeidbar“, so Schäfer. „Der Krieg mit den teuren Benzinpreisen und die Erhöhung des Mindestlohns haben uns zugesetzt.“ Nichtsdestotrotz verliert er nicht den Mut. Zu der Zeit, als die Flughafenbrücke gebaut wurde, hat Familie Schäfer sich ein zweites Standbein geschaffen: Die Kirmesfähre. Sie bringt Besucher von der Düsseldorfer Altstadt zur Kirmes und wird von den Passagieren gut angenommen. 2,50 Euro kostet die Überfahrt, es gibt sogar eine Bewirtung. Die Fahrt selbst dauert zwar nur drei Minuten, aber mit Ein- und Ausstiegen verbringt man etwa 20 Minuten auf dem Schiff, das reicht für ein kühles Bier.

Oft rufen Krisen nach einem neuen Geschäftsmodell, das sieht der Betreiber der Rheinfähre ein. Er möchte, dass diese nicht nur als Wochenenddampfer, sondern auch als Verkehrsmittel gesehen wird, auf das man sich im Alltag verlassen kann. Dass dafür vielleicht neue Wege gegangen werden müssen, kann nicht ausgeschlossen werden. Überlegenswert wären ein Abo-Modell oder das Einführen von Kartenzahlung. Bei vielen traditionsreichen Unternehmen, zu denen die Rheinfähre genau so zähle wie zum Beispiel der Einzelhandelsriese Karstadt, sei es allerdings schwierig, solche neuen Maßnahmen durchzusetzen. „Wir werden sehen“, sagt Schäfer. Für den Erfolg der Rheinfähre seien sicher andere Dinge ausschlaggebend. Die Zahl der Stammkunden ist zwar geschrumpft, aber die Michaela II hat nach wie vor viele Fans — auch Prominente. Der Regisseur Sönke Wortmann sagte letztens bei seiner Auszeichnung zum Düsseldorfer des Jahres, die Fähre zwischen Kaiserswerth und Lank-Latum sei sein Lieblingsort: „Ich verbringe dort gerne sehr viel Zeit. Ein echter Kurzurlaub. Manchmal fahre ich auch hin und her, dann dauert der Urlaub halt ein bisschen länger.“

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