Meerbusch Martinszug — ein organisatorisches Großprojekt

Meerbusch · Damit Laternen und Kinderaugen wirklich strahlen, ist monatelange Vorarbeit nötig. Wir haben uns gestern in Büderich umgesehen

 Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind, sein Ross, das trug ihn fort geschwind. Horst Diel hingegen hält seinen Schimmel Tristan lieber davon ab, zu geschwind davonzugaloppieren.

Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind, sein Ross, das trug ihn fort geschwind. Horst Diel hingegen hält seinen Schimmel Tristan lieber davon ab, zu geschwind davonzugaloppieren.

Foto: Ulli Dackweiler

Horst Diel streicht Tristan sacht übers angelegte Ohr. Beruhigt den Schimmel. Redet ihm zu. Auch wenn das Pferd dafür ausgebildet ist, sich sicher in großen Menschenmengen zu bewegen, ein wenig beeindruckt ist das Tier schon von dem Umfeld in Büderich. Hunderte leuchtende Laternen. Doppelt so viele leuchtende Kinderaugen. Dazu Blasmusik. Alles gut und schön, wenn da nur dieser Fluchttrieb nicht wäre.

Diel hält das Pferd ruhig. Er ist Profi. Den roten Mantel (aus dem Kostümverleih), das Schwert (ein echtes) und den goldenen Helm (aus seinem eigenen Fundus) trägt der Büdericher seit mehr als 30 Jahren am Martinstag. Und seit mehr als 30 Jahren steckt ihm eine Frau etwas zu, kurz bevor der Zug losgeht: Ingeborg von Lettow-Vorbeck. Geld. Für das geliehene Pferd. Die Mauer stand noch, der Bundeskanzler hieß noch Helmut Kohl, als von Lettow-Vorbeck ihr Amt im Büdericher St.-Martin-Komitee antrat.

Die Martinszüge beginnen üblicherweise im November, kurz vor dem Namenstag des Heiligen Martin am 11. des Monats. Nicht so für die Vorsitzende des Martinskomitees. "Im Mai fange ich immer mit dem Organisieren an", berichtet sie. Als erstes und wichtigstes: den Termin abstimmen und Musikkapellen verpflichten.

Aus Trompeten erklingt die altbekannte Melodie: "Ich geh' mit meiner Laterne..." Das Bundesfanfarencorps Büderich zieht vorbei. Sechs bis sieben Kapellen müssen es sein, damit jeder Teil des Zuges mit Martinsliedern versorgt wird. Da hilft an diesem Martinsabend auch der Musikverein Osterath 1925 aus, kommt aus Kempen das Fanfaren- und Majorettencorps.

 Die Klasse 4a der Mauritiusschule mit Indianer-Laternen.

Die Klasse 4a der Mauritiusschule mit Indianer-Laternen.

Foto: Dackweiler

Die Büdericher Schulkinder ziehen vorbei, geordnet nach Klassen. Gut zu erkennen an den einheitlichen Laternen. Die Klasse 4a der Mauritiusschule zeigt ihre selbstgebastelten Indianer. "Es zieht immer die Schule als erstes, die die Laternenausstellung ausrichtet", erklärt von Lettow-Vorbeck. Apropos ausrichten: Bereits vor Tagen haben Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr den großen Holzstoß auf der Wiese an der Büdericher Allee aufgeschichtet, der nun zum großen Martinsfeuer wird. "Das Holz liefern uns immer örtliche Bauern", erklärt die Leiterin des Martinskomitees.

Das hätte dem Heiligen gewiss gefallen: dass der organisatorische Aufwand für diese Großdemonstration fürs Teilen, nun ja: geteilt wird. Zum organisatorischen Aufwand gehört auch, dass St. Martin in Büderich das Beamen beherrscht. Hier ist er auf dem Pferd, dort, im liebevoll lampiongeschmückten Verwaltungsgebäude am Dr.-Franz-Schütz-Platz gibt er persönlich die Martinstüten an die Kinder aus. "Ganz kommt es nie aus", sagt von Lettow-Vorbeck. Heute Abend will sie die restlichen Tüten im Büdericher Flüchtlingsheim abgeben.

Dabei sind die gut 340 Martinstüten für die Kinder ein Klacks. "Der Mittwoch wird der Großkampftag", weiß die Leiterin des Martinskomitees. Da besuchen die Mitglieder alle Büdericher Senioren über 75 Jahre, geben ihnen ebenfalls eine Tüte. Das sind 2400 Stück. Ein Viertel davon lagert noch in von Lettow-Vorbecks Haus, die anderen drei Viertel bei drei weiteren Mitgliedern des Komitees. Sie müssen an diesem Mittwochmorgen noch gepackt werden; die Weckmänner - mit Tonpfeife - liefert die Bäckerei Wieler frisch an. Von Lettow-Vorbeck hat sich Helfer eingeladen. Sie kommen gern. "Es gibt immer einen großen Weckmann, den wir beim Packen teilen."

(RP)
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