Rhein-Kreis-Wettstreit Heute: Kaarst Kaarst verbindet Historie und Moderne

Meerbusch · Der typische Kaarster pflegt das Brauchtum und ist stolz auf seine Stadt. Zu recht, schließlich hat diese viel zu bieten: Ort mit Geschichte und Orte zum Wohlfühlen — was die Einsendungen unserer Leser in einer Umfrage belegen

 Der Kaarster See gilt vielen Kaarstern als liebster Freizeitort — vor allem im Sommer.

Der Kaarster See gilt vielen Kaarstern als liebster Freizeitort — vor allem im Sommer.

Foto: Hammer, Linda

Hand aufs Herz, wer von Anderswo kommt, verbindet mit Kaarst auf Anhieb drei Dinge: das Kaarster Kreuz, den dazugehörigen Stau und — Ikea, das große schwedische Möbelhaus. Dass die 42 000-Einwohner-Stadt in ihrer Igelposition zwischen Düsseldorf, Neuss und Mönchengladbach schon lange viel mehr ist als eine bloße Schlafstadt, wird allerdings jedem sofort klar, der es schafft, über sein Billy-Regal hinauszuschauen. Kaarst ist eine besondere Stadt. Alleine schon deshalb, weil sie in ihrer jetzigen Form nicht gewachsen, sondern durch die kommunale Neugliederung 1975 geschaffen wurde. Das Zusammenwachsen unter Beibehaltung der Individualität der fünf Ortsteile — Kaarst, Holzbüttgen, Büttgen, Vorst und Driesch —, die Stärkung des Wir-Gefühls, ist ein ständiger Prozess, der durchaus für Reibung sorgt, aber auch für Dynamik. Kaarst entwickelt sich, verbindet Alt und Neu, Historie und Moderne.

 Seit 2010 erstrahlt die romanische Kirche Alt St. Martinus nach anderthalbjähriger Restaurierung in neuem Glanz. Archivfoto:

Seit 2010 erstrahlt die romanische Kirche Alt St. Martinus nach anderthalbjähriger Restaurierung in neuem Glanz. Archivfoto:

Foto: mreu

Besonders stolz sind die Menschen diesseits und jenseits des Nordkanals auf ihre "Neue Mitte". Deren Herzstück ist das in den 1990er Jahren von Professor Erich Schneider-Wessling entworfene Kaarster Rathaus. Sowohl für Nadine Graber als Reimer Schubert ist das wegen seiner runden Form und der modernen Fassade aus Glas und Stahl von den Kaarstern auch "Blechdose" genannte Verwaltungshaus das herausstechendste Gebäude der Stadt. "Unser Rathaus symbolisiert Offenheit und Toleranz", sagt Schubert. Eingebettet in eine Seenlandschaft und die angrenzenden Geschäftsarkaden vervollständige es den modernen Stadtkern. Wer einmal dort ist, zum Beispiel, um den Blick von der Aussichtsplattform auf dem Rathausdach über Häuser und Felder schweifen zu lassen, sollte denn auch gleich noch einen Abstecher in den Stadtpark machen, rät Nadine Graber: "Das ist Naherholung direkt im Zentrum. Da ist immer etwas los." Grabers kulinarischer Tipp für die Kaarster City: die "Salumeria Casucci" — Restaurant und italienischer Feinkostladen.

 Vom Rathausdach aus lässt es sich kilometerweit blicken.

Vom Rathausdach aus lässt es sich kilometerweit blicken.

Foto: lh
 Besucher können sich im Sommer durch die historische Braunsmühle in Büttgen führen lassen.

Besucher können sich im Sommer durch die historische Braunsmühle in Büttgen führen lassen.

Foto: lber
 Wegen der modernen Fassade nennen die Kaarster ihr Rathaus gerne auch "Blechdose".

Wegen der modernen Fassade nennen die Kaarster ihr Rathaus gerne auch "Blechdose".

Foto: lber
 Tausende Besucher kommen jedes Jahr zum Stadtfest "Kaarst Total".

Tausende Besucher kommen jedes Jahr zum Stadtfest "Kaarst Total".

Foto: lber

Selbstverständlich hat die Stadtmitte auch Geschichte zu bieten. Die romanische Kirche Alt St. Martinus im Alten Dorf — rund elf Minuten Fußweg vom Rathaus entfernt — ist für Stefan Bluch nicht nur das markanteste Gebäude der Stadt, sondern auch das, das man unbedingt gesehen haben muss. Seit 2010 erstrahlt das Gotteshaus nach anderthalbjähriger Restaurierung in neuem Glanz. Der Turm der Kirche ist möglicherweise mehr als 1000 Jahre alt. Ohne Frage historisch bedeutsam und absolut sehenswert ist für viele Kaarster — neben dem Vorster Tuppenhof — auch die Braunsmühle am Ortseingang von Büttgen. Dort gründete sich 2001 eine Fördergemeinschaft, die mittlerweile auf 300 Mitglieder angewachsen ist und sich rührend um das im Rhein-Kreis einzigartige Baudenkmal kümmert. In den Sommermonaten wird neben Mühlenführungen auch frischer Kuchen im urigen Mühlen-Café angeboten. Für Liebhaber deftiger Mahlzeiten empfiehlt Heinz Kampermann derweil das Büttgener Brauhaus in der Nähe des Rathausplatzes. Im Blick hat der Gast dort unter anderem den Turm der alten Kirche St. Aldegundis. Der hat vor kurzem nicht nur sein restauriertes und frisch vergoldetes Turmkreuz wiederbekommen — für Kampermann ist er auch der spannendste Ort der Stadt: "Hier wird gebeiert, indem die Glocken in Schräglage gebracht werden und der Klöppel nach Anweisung geschlagen wird. Das Ganze — die Turmbesteigung und die Atmosphäre im Glockenstuhl — hat etwas Mystisches." Das Beiern, eine alte Kirchentradition, pflegen seit einigen Jahren die Grenadierzüge "Leeve Jonges" und der Jägerzug "Fidele Jonge" der St. Sebastianus-Schützenbruderschaft Büttgen. Was auf eine weitere Kaarster Eigenschaft hinweist. "Der typische Kaarster", sagt Kampermann, der vor 13 Jahren Büttgener Schützenkönig war, "ist stolz auf seinen Stadtteil und pflegt das Brauchtum." Und das ist entscheidend. Weil es am Ende die Menschen sind, die Kaarst zu einer Stadt machen, in der es sich nicht nur gut schlafen, sondern vor allem hervorragend leben lässt.

(RP)
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