Meerbusch Historisch Der Verkehrsrowdy vom Herrenbusch

Meerbusch · Jeder kennt das: Zwei Fahrzeuge begegnen sich an einer Engstelle, kein Fahrer will ausweichen, die Emotionen kochen hoch. Was sich heute noch auf so mancher Straße in Meerbusch abspielen könnte, geschah auch im Jahre 1772.

 Das historische Bild zeigt: Der schmale Weg von Linn nach Büderich führte ursprünglich direkt am heutigen Schloss Pesch vorbei. Heute ist die prächtige Allee von der A44 zerschnitten.

Das historische Bild zeigt: Der schmale Weg von Linn nach Büderich führte ursprünglich direkt am heutigen Schloss Pesch vorbei. Heute ist die prächtige Allee von der A44 zerschnitten.

Foto: RP/Stadtarchiv Meerbusch/Repro Mike Kunze

Das neue Jahr 1772 hatte kaum begonnen, als sich auf Höhe des Hauses Pesch (damals noch nicht Schloss) auf dem schmalen Weg von Strümp nach Bösinghoven ein Fuhrmann mit einem Karren voller Kälber und eine Kutsche begegneten. Beide Fahrzeuge waren mit zwei Zugpferden bespannt. Aber während die Chaise auf einem Wegstück halten musste, das offenbar beidseitig mit Entwässerungsgräben auf einen schmalen Durchlass begrenzt war, hatte der Transportwagen wohl etwas mehr Platz. Nun forderte der Kutscher den Fuhrmann auf, an den Wegesrand zu fahren, damit beide passieren könnten.

Während sich der Fuhrmann gerade anschickte, das offensichtlich Vernünftige zu tun, sprang hinter dem Karren ein wild gestikulierender Mann hervor, der an seiner Kleidung als Metzger zu erkennen war. Der nun schrie: „Bleibe in den Weg, weiche im Mindesten nicht, der Kuhrfürst hat für mich müssen weichen, so sollen diese auch weichen!“ Wann und wo der Landesherr das Unglück hatte, auf diesen Menschen zu treffen ist nicht bekannt. Aber vermutlich war es eine Situation, die man von der anderen Seite sicher als ein Missgeschick oder unvermeidbar sah, denn sonst hätte es sicher Ärger geben und die Situation wäre dem Metzger nicht so zu Kopf gestiegen.

An diesem 3. Januar jedenfalls sollte die Geschichte für den harschen Metzger anders ausgehen. Der nämlich war für gutes Zureden des Kutschers völlig unempfänglich. Dabei konnte die Kutsche in der Situation gar nicht zurücksetzen oder anders den Weg frei geben. Also machten sich der Kutscher und ein Begleiter daran, den störenden Karren an den Wegesrand zu führen, damit sich die Kutsche daran verbeizwängen könne. Da ergriff nun der robuste Metzger sich einen am Wegesrand liegenden Knüppel und ging damit drohend auf den Mann los, leistete tatkräftige Gegenwehr und überschüttete die beiden auch noch mit ebenso robusten Schimpfwörtern wie „Canaille“ und „nichtsnutziger Kerl“.

Da gab sich der vom Kutschbock abgestiegene Mann als Linner Gerichtsbote zu erkennen. Und die Insassen der Kutsche waren zwar nicht Kurfürst und Gefolge, aber immerhin die beiden Linner Gerichtsschöffen Kochs und Gygel und der Gerichtsschreiber, die zuvor in Büderich den beweglichen Besitz des Adolph Schmitz für eine spätere Zwangsversteigerung inventarisiert hatten und sich nun auf dem Heimweg befanden. Die beiden Schöffen fackelten nun auch nicht mehr lange, machten im Sinne des Wortes kurzen Prozess und beschlagnahmten Karren und Kälber des verdutzten Wüterichs. Das Vieh wurde nach Ossum auf den kurfürstlichen Herbertzhof geschafft und dort sichergestellt. Dem Bauern schärfte man ein, die Tiere nicht ohne ausdrücklichen Befehl herauszugeben.

Immerhin musste Antoni Elsen – mittlerweile musste der Metzger auch seinen Namen nennen – nicht lange auf den Gerichtstermin waren. Mit zwei Schöffen und dem Schreiber war ein Notgericht komplett, sodass noch vor Ort das Urteil gesprochen wurde: Elsen wurde zu erklecklichen drei Goldgulden Brüchtenstrafe verdonnert. Als Auswärtiger ohne Besitz im Amt Linn sollte er sofort zahlen oder einen Bürgen mit pfändbarem Besitz vor Ort stellen, sonst sollten die Kälber im Arrest verbleiben. Niemand wollte das Risiko eingehen, den Verkehrsrowdy auf nimmer Wiedersehen verschwinden zu lassen.

Gleichwohl zeigte sich das Gericht gnädig, weil Elsen plötzlich sehr kleinlaut seinen Fehler eingesehen hatte und nach eigenem Beteuern aufrichtig bereute. So akzeptierte man zwei Kronentaler als Anzahlung und ließ im Gegenzug die Tiere aus dem Arrest. So konnten diese geschlachtet und verkauft werden – vermutlich der besseren Preise wegen in Düsseldorf – und im Anschluss die restliche Geldstrafe beglichen werden.

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