Historisches aus Meerbusch Als Seuchen die Dörfer heimsuchten

Im Jahr 1918 starben Meerbuscher an der spanischen Grippe. Auch Pest, Ruhr und Pocken rafften die Menschen in der Region dahin. Alte Dokumente und Karten zeigen, wie die Meerbuscher schon in der Vergangenheit mit Krankheiten zu kämpfen hatten.

 Am Kruseboom (Kreuzbaum) zwischen Lank und Nierst soll eines der Massengräber von 1689 gewesen sein, das die Sebastianus-Schützen angeblich anlegten. Damit verhinderten sie den Ausbruch einer Seuche.

Am Kruseboom (Kreuzbaum) zwischen Lank und Nierst soll eines der Massengräber von 1689 gewesen sein, das die Sebastianus-Schützen angeblich anlegten. Damit verhinderten sie den Ausbruch einer Seuche.

Foto: mike kunze

Zurzeit beherrscht das Coronavirus das Leben und den Alltag auch in Meerbusch. Ein Blick in die Archive zeigt, dass die Region im Laufe der Jahrhunderte immer wieder von Seuchen und Krankheitswellen heimgesucht wurde. Die Berichte darüber sind zwar spärlich, aber aussagekräftig:

Thönis Plönis war einer der Wohlhabenden in Osterath. Der Besitzer des Plöneshofes besaß nicht nur einen der ältesten und größten Höfe des Dorfes, er war auch solvent und angesehen genug, um zwischen 1554 und 1577 als Kirchmeister das Kirchenvermögen mit zu verwalten. Damit gehörte seine Familie zu den tonangebenden in Osterath. 1584 aber ereilte seine Familie der Seuchentod. Zuvor hatten sich Thönis, seine Frau und Tochter, die beide Trein oder Katharina hießen, vermutlich vor der Bedrohung in die befestigte Stadt Neuss zu Verwandten geflüchtet. Nach dem Tod des Vaters lagen schließlich auch Frau und Tochter „mit abscheulicher pestilentzischer Krackheytt behafftet“ auf dem Totenbett in der Küche eines Neusser Hauses, wo sie ihr Testament diktierten. Die Flucht, Stadtmauern und Tore hatten sie offensichtlich nicht zu retten vermocht.

 Das Bild aus der Sammlung des Geschichtsvereins zeigt einen Kartenausschnitt: Oberhalb von Büderich war das Leprosenhaus.

Das Bild aus der Sammlung des Geschichtsvereins zeigt einen Kartenausschnitt: Oberhalb von Büderich war das Leprosenhaus.

Foto: Geschichtsverein Meerbusch/Landesarchiv NRW

Was sicher ist: Im weiten Umland tobte eine Seuche, die die Menschen veranlasste, ihre Häuser zu verlassen, sofern sie nur konnten. Sollte es wirklich der „Schwarze Tod“ gewesen sein, der damals auch durch Meerbusch zog, war es die gefürchtetste aller Seuchen. Ab 1348 fielen ihr in manchen Landstrichen zwischen einem Drittel und der Hälfte der Bevölkerung zum Opfer. Sogar bis ins 18. Jahrhundert traten immer wieder Pestausbrüche auf.

Den Ausbruch einer Seuche verhinderten angeblich die Lanker St. Sebastianus-Schützen im Jahr 1689. Nach einer verlustreichen Schlacht sollten die gefallenen Franzosen dort „verrotten“, wo sie gestorben waren. Allerdings setzten sich die Schützenbrüder über das Verbot hinweg und legten nach dem Abzug der siegreichen Brandenburger drei große Massengräber an, um Schlimmeres zu verhindern.

Aber auch in kleinerem Rahmen gab es gefürchtete Krankheiten, die Menschen in die Isolation trieben. Eine Karte von 1677 verzeichnet in Büderich ein „Leprosenhaus“. Spätestens ab den Kreuzzügen war die Lepra gefürchtet. Aussätzige mussten durch Kleidung, Klappern und den Warnruf „unrein“ auf sich aufmerksam machen und wurden nach ärztlicher Begutachtung in ein Leprosorium eingewiesen. Zuvor las man in der Kirche ihre Totenmesse und stieß sie so für jeden sichtbar aus der Gemeinschaft der Lebenden aus. Diese Häuser standen weit außerhalb der Bebauung und waren nicht selten mit geistlichen Besitzungen verbunden, die eine gewisse Grundversorgung der Bewohner leisten mussten. In Büderich war es der Wanheimerhof des Klosters Meer, auf dessen Land (heute im Bereich der Neusser Straße/Oststraße) das Haus errichtet war. Wenn gerade kein Leprose in der Umgebung lebte, konnten auch andere Kranke dort isoliert oder auch arme Leute untergebracht werden. Um solche Häuser machten die meisten Menschen einen Bogen und gruselige Geschichten kursierten.

Bedrohlich waren in der landwirtschaftlich geprägten Meerbuscher Landschaft aber auch Viehseuchen. In den Jahren 1768, 1769 und 1755 berichtet der Lanker Pfarrer Wilhelm Jacobs, dass überall der größte Teil der lebensnotwendigen Kühe an der Maul- und Klauenseuche verendet waren. Begehrt waren Tiere, die das Elend überstanden hatten. Man wusste, dass sie immun waren. Trotzdem konnte man kaum etwas gegen Krankheiten tun. Bei der Viehseuche wie bei der „Roten Ruhr“, die 1757 die Menschen dahinraffte, galten ausgiebige Gebete und Prozessionen nach Kaiserswerth zum Grab des heiligen Suitbertus oder nach Gerresheim als Mittel der Wahl. 1770 litten die Meerbuscher unter einem heftigen Fieber, gegen das man mehrfach zur Ader gelassen wurde. Ärzte gab es lange gar keine im Meerbuscher Raum, der erste Wundarzt ist erst Ende des 18. Jahrhunderts in Osterath nachgewiesen.

Die erste planmäßige Impfung wurde unter napoleonischer Regie um 1804 gegen die Pocken vorgenommen. Dabei musste die skeptische Bevölkerung oft genug von Männern wie dem Lanker Gesundheitsoffizier und Chirurg Wilhelm van Dauwen, der aus Düsseldorf zugewandert war, überredet werden.

Dass es besonders durch Krisenzeiten und insbesondere von Hunger geschwächte Menschen waren, die Krankheiten zum Opfer fielen, bewies sich europaweit im Jahr 1918. Rund 50 Millionen Europäer erlagen der spanischen Grippe, die auch in Meerbusch ihre Opfer fand. Die Schulen blieben damals vom 26. Oktober bis zum 9. November geschlossen. Der Langst-Kierster Lehrer Martin Költer vermisste vorher zeitweise 30 Kinder gleichzeitig in seiner zweiklassigen Zwergschule. Sein Sohn Ludwig war allerdings schließlich das einzige Kind, das an den Folgen der Krankheit gestorben ist.

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