Historisches aus Meerbusch „Kleinwasser“ ließ die Brunnen trocken fallen

Meerbusch · Bereits aus dem 18. Jahrhundert sind extrem niedrige Rheinpegel dokumentiert. Für die Menschen war die Situation lebensbedrohlich.

 Der Wasserstand in Meerbusch ist auch heute wieder bedenklich niedrig; im 18. Jahrhundert war die Not jedoch größer.

Der Wasserstand in Meerbusch ist auch heute wieder bedenklich niedrig; im 18. Jahrhundert war die Not jedoch größer.

Foto: RP/Dominik Schneider

Fallende Rheinpegel und tropische Temperaturen sind aktuell fast schon Tagesthema. Aber über rekordverdächtige Trockenheit und Niedrigwasser im Rhein berichtete schon der Lanker Pfarrer Wilhelm Jacobs vor 250 Jahren. In seinem gewissenhaft geführten Pastoral-Jahrbuch hielt er Informationen für seine Nachfolger in der PFarrei fest.

Zum ersten Mal beschrieb der Lanker Chronist 1765 die Auswirkungen einer monatelangen Regenpause. Während das Frühjahr noch ausgesprochen nass geraten war, klagte der Pastor, dass „von Ostern biß hiehin, den 9ten Augustus, … es schier nicht geregnet [hat] oder doch so wenig,“ dass der Flachs keine Feuchtigkeit abbekommen habe und daher schlecht geraten sei. Auch Buchweizen und Sommergerste „seynd schier verdorret“.

Für die fast vollständig von der Landwirtschaft lebenden Ur-Meerbuscher in der ausgedehnten Pfarre Lank war dieses Szenario noch mehr Katastrophe als heute. Die kleinen Kätnern, die nur einen Garten oder kleine Äcker ihr Eigen nannten, und selbst die Pächter auf den großen Höfen mussten hilflos mit ansehen, wie Gras und Klee und damit das Futter für ihr Vieh auf dem Halm verdorrte. In ihrer Not schwärmten die Menschen fast täglich in die nahen Büsche, um sich dort mit Gras und Laub zu versorgen und damit das Vieh zu füttern.

Als einziges Hilfsmittel erschien Pfarrer und Pfarrgenossen in dieser bedrohlichen die Zuflucht zum Gebet. Jacobs setzte ab dem Stephanusfest (3. August) für die ganze Oktav Gebetsstunden an, auf die er die Menschen in der Messe gewissenhaft vorbereitet hatte. Im Gegensatz zu heute waren die Menschen im 18. Jahrhundert zum sonntäglichen Kirchgang geradezu verpflichtet, weil von der Kanzel herab auch Mitteilungen und obrigkeitliche Erlasse verkündet wurden. Jedenfalls beteten die Pfarrangehörigen tagelang eifrig je drei Vater Unser und Ave Maria samt Lauretanischer Litanei und Rosenkranz „in honorem Sancti Stephani et Beati Mariae Virginis“ – also zum Pfarrpatron Stephanus und der Gottesmutter Maria – und erflehten dadurch den sehnlichst erwarteten Regen. Befriedigt vermerkte der Geistliche, dass es seit dem 8. August auch „zimlich viel“ zu regnen begonnen habe.

Die Freude währte allerdings nicht allzu lange, denn bereits im Herbst 1766 wiederholte sich das traurige Ereignis. Diesmal war sogar der Rhein betroffen, in dem „das Wasser gantz klein“ wurde. So mussten „alle Pützen zu Langst, Ilverich, Nierst, Lanck etcetera … gefeget werden, und doch [hatten] viele kein Wasser mehr gehalten.“ Das Trockenfallen der Brunnen in den Dörfern war eine Katastrophe, gab es doch kein modernes Trinkwassernetz. In Niederlörick war das Werth, also die Insel Mönchenwerth, mittlerweile trockenen Fußes zu erreichen. Auch dort fielen die Hausbrunnen trocken, „also daß die Leuth dabey haben ein tieffes Loch graben müßen, darauß Wasser für ihr Vieh zu holen“. Auch dieses beschwerliche Unterfangen entsprang der puren Not, die durch den extrem gefallenen Rheinpegel ausgelöst wurde.

Diesmal hielt die Trockenheit sogar über den Jahreswechsel hinaus an, so dass „zu Langst unterschiedliche Leuth wegen Beschwernus, das Wasser im Rhein zu hohlen, ihre Kühe mit Schneewasser, so sie gekocht,“ tränkten. Hygienisch war dieses Verfahren sicher sogar das bessere, aber bei weitem auch das beschwerlichere, denn das nötige Feuerholz musste zuvor in den Wäldern gesammelt werden. Dass der Rhein als Wasserquelle genannt wird, kann übrigens nur bedeuten, dass auch zu diesem Zeitpunkt die Brunnen im Dorf trocken lagen, was wiederum für extremes Niedrigwasser – Jacobs nennt es „Kleinwasser“ – spricht. Auch wenn sich die Verhältnisse im Laufe des Jahres 1767 besserten, blieben die bereits geschädigte Saat und damit auch die Ernte spürbar hinter den üblichen Erwartungen zurück.

Für die Zeitgenossen muss diese trockene Zeit beängstigender gewesen sein als die deutlich regelmäßigeren Hochwasser und Überschwemmungen des Rheins. Mit zu viel Wasser konnte man umgehen, dass aber in der unmittelbaren Nachbarschaft des damals noch nicht eingedeichten Stromes Wasser knapp wurde, war ebenso unheimlich wie lebensbedrohlich.

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