Meerbusch Hilferuf der Meerbuscher Pflegedienste

Meerbusch · Mobiler Hilfsdienst, Caritas, Diakonie und Malteser machen mit einer Initiative auf einen Missstand aufmerksam: Um wirtschaftlich zu sein, müssen sie Patienten immer schneller versorgen. Die Hoffnung: Ein Einlenken der Krankenkassen

 Birgit Grüntjens (links) vom Vorstand und Martina Kemper, Pflegedienstleiterin des Mobilen Hilfsdienstes Meerbusch, machen sich für eine Veränderung stark. Plakate, und Fahnen machen auf die heute startende Aktion aufmerksam.

Birgit Grüntjens (links) vom Vorstand und Martina Kemper, Pflegedienstleiterin des Mobilen Hilfsdienstes Meerbusch, machen sich für eine Veränderung stark. Plakate, und Fahnen machen auf die heute startende Aktion aufmerksam.

Foto: U.D.

Wenn Martina Kemper zum ersten ihrer 15 Patienten für heute fährt, dann hofft sie, möglichst schnell einen Parkplatz in unmittelbarer Nähe zu finden. In der Wohnung angekommen, darf sie ebenfalls keine Zeit verlieren. Für das Anziehen von Kompressionsstrümpfen, der Gabe von Medikamenten und Augentropfen hat sie nur zehn Minuten Zeit — diesen Zeitrahmen hat die Krankenkasse für ihre Refinanzierung der Leistung festgelegt.

Kemper ist Pflegedienstleiterin des Mobilen Hilfsdienstes Meerbusch und steckt täglich in dieser Zwickmühle, den Patienten gerecht werden zu wollen, und gleichzeitig wirtschaftlich zu arbeiten. Doch die Zeit für die ambulante Pflege der älteren Menschen wird dabei immer knapper — und die bekommen den zeitdruck mit zu spüren.

"Die Pflegekasse legt eine Pflegestufe für den Patienten fest. Im Bestfall sind das 1550 Euro für Sachleistungen. Das deckt lange nicht alle Kosten, aber für zusätzliche Leistungen sind die Menschen zu knauserig. Auch hier in Meerbusch", erklärt Cord Wellhausen aus dem Vorstand des Mobilen Hilfsdienstes. Die Krankenkassen rechnen auf die Minute genau aus, wie lange es dauert, eine pflegebedürftige Person zu waschen, anzuziehen oder zu füttern. Wenn die Pflegekräfte — für den Mobilen Hilfsdienst Meerbusch sind 40 unterwegs — länger brauchen, haben sie ein Problem.

Dazu kommt, dass die Personalkosten in den letzten Jahren stark gestiegen sind. "Wir haben eine Steigerung von 20 Prozent, doch die Vergütung der Leistungen wurden seitens der Krankenkassen nur um sieben Prozent angehoben. Die Kluft wird immer größer zwischen dem Bedarf und dem, was wir tatsächlich zur Verfügung haben", sagt Wellhausen. Neue Verhandlungen zwischen Wohlfahrtsverbänden und Krankenkassen sind 2012 ergebnislos abgebrochen worden.

Dieser Missstand hat dazu geführt, dass sich erstmals die Wohlfahrtsverbände in NRW zusammengeschlossen haben. Gemeinsam unterstützen sie die Initiative "Hilfe! Mehr Zeit für Pflege!", die heute für zwei Wochen startet. "Wir wollen Menschen dabei unterstützen, so lange wie möglich selbstständig zu Hause zu leben", sagt Wellhausen und Pflegedienstleiterin Kemper ergänzt: "Letztlich ist das auch günstiger, als die Unterbringung im Heim." Mit der Initiative wollen die gemeinnützigen Einrichtungen auch darauf aufmerksam machen, dass sie unter Druck stehen. "Unsere Mitarbeiter sollen nicht mehr gehetzt sein. Wegen des Kostendrucks leiden am Ende die Patienten, für die wir nicht genug Zeit aufbringen können", sagt Wellhausen. Ein Pflegebesuch dauert mindestens 20 Minuten, maximal 50 Minuten. Für lange Gespräche bleibt da keine Zeit, stattdessen müssen die Mitarbeiter auch noch eine Menge Papierkram erledigen und beispielsweise genau protokollieren, was sie beim Patienten gemacht haben und wie lange es gedauert hat.

"Für uns ist es wichtig, den Außenstehenden zu zeigen, dass wir mehr Zeit für die Patienten wollen, aber die Rahmenbedingungen es verlangen, dass wir schnell wieder weg müssen. Der Zeitdruck kommt aber nicht vom Pflegedienst selbst", sagt Paula Antones, Pflegedienstleitung der Diakonie Meerbusch. Die Caritas Krefeld/Meerbusch unterstützt die zweiwöchige Aktion ebenfalls. Um für das Thema zu sensibilisieren, werden nicht nur Flyer verteilt, auch das Gespräch mit den örtlichen Krankenkassen wird gesucht, um einen Kompromiss zu finden. "Der Zeitdruck geht zu Lasten unserer Patientinnen und Patienten, aber auch unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das kann nicht so weiter gehen", findet Georg De Brouwer vom Caritasverband.

"Die Kassen sagen einfach, dass die Pflegedienste das auffangen sollen. Aber ich weiß nicht, wie das gehen soll", sagt Wellhausen ratlos.

(RP)
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