Meerbusch Hermès öffnet seine Ateliers — bei Böhler

Meerbusch · Zehn Hermès-Handwerker aus Paris zeigen von heute an in Meerbusch ihr Können. Auf ihrer Welttournee machen sie mit dem "Festival de Métiers" Halt auf dem Areal Böhler in Büderich. Die Schau läuft bis 11. Juni

 Auf 600 Quadratmetern demonstrieren die Kunsthandwerker von Hermès in der Böhler-Halle am Wasserturm, wie sie bei ihrer Arbeit vorgehen. Die Schau war zuvor bereits in New York und London zu sehen.

Auf 600 Quadratmetern demonstrieren die Kunsthandwerker von Hermès in der Böhler-Halle am Wasserturm, wie sie bei ihrer Arbeit vorgehen. Die Schau war zuvor bereits in New York und London zu sehen.

Foto: Ulli Dackweiler

Gleich hinter der Einfahrt auf das Böhler-Gelände weisen die orangefarbenen Aufkleber auf dem grauen Stein-Boden den Weg. Im Miniaturformat stellen sie all die Werkzeuge dar, mit denen die Handwerker des französischen Luxusunternehmens Hermès ihre so begehrten wie oftmals mehrere tausend Euro teuren Produkte fertigen.

 Mélanie Kuntz (24) ist die erste Frau im Team der Sattler. 25 Stunden braucht die junge Frau, um einen der berühmten, jeweils signierten Sattel aufwändig von Hand zu produzieren.

Mélanie Kuntz (24) ist die erste Frau im Team der Sattler. 25 Stunden braucht die junge Frau, um einen der berühmten, jeweils signierten Sattel aufwändig von Hand zu produzieren.

Foto: Dackweiler, Ulli (ud)

Halbmondmesser, Sattlerhämmer, Nähahlen, Gravurstifte, Siebdruckplatten, butterweiche Lederhäute, Pinsel für die Porzellanmalerei — mit all diesen Utensilien haben sich zehn Meister ihres Fachs — vom Sattler über den Uhrmacher bis zum Täschner - in der Böhler-Halle am Wasserturm eingerichtet. Dort demonstrieren sie auf 600 Quadratmeter inszenierter Handwerkskunst beim "Festival de Métiers" ihr Können.

Wie verwandelt wirkt die große, lichte Fabrikhalle, in der einst Stahl verarbeitet wurde. Es riecht nach Leder und Farben, die Arbeitstische, Regale und Paravents stehen auf einem extra angefertigten Teppichboden. Auch er ist ein Abbild der wichtigsten Werkszeuge, die zum Einsatz kommen: Handwerk hat hier offenbar goldenen Boden. Quer durch den Raum sind analog zur Hausfarbe von Hermès orange-getönte Bögen gespannt. Wie feine Garne spinnen sie ein Netz und "verbinden" so alle Métiers miteinander. Die Idee dieser künstlerischen den Ateliers in Paris nachempfundenen Installation hatte die renommierte Mailänder Architektin Paola Navone.

Nach Stationen in New York, im Münchner Haus der Kunst (9000 Besucher) und zuletzt in Londons Saatchi-Gallery (43 000 Besucher) kann nun Jedermann in Meerbusch beim "Savoir faire" zuschauen wie zehn Kunsthandwerker von insgesamt 3900 Mitarbeitern ihre Objekte herstellen. "Auch Anfassen, Fühlen und Fragen sind erlaubt", sagt Firmensprecherin Katja Kleebach. Damit die Besucher die Antworten der Franzosen problemlos verstehen, wurden sogar Studenten als Dolmetscher gecastet, die simultan übersetzen.

Wie entsteht denn nun eines der berühmten Carrés? Frédérique Colomb zeigt die einzelnen Schritte der Gravur, der Druckvorlage für das berühmte Seidentuch. Die Seidendrucker Kamel Hamadou und Said Benayad aus Lyon setzen diese Gravur nach dem Siebdruckverfahren um, in dem sie Farbe für Farbe nach dieser Vorgabe punktgenau die Seide bedrucken.

Zum ersten Mal dabei ist die 24 Jahre alte Mélanie Kuntz. Sie ist überhaupt die erste Frau im Team der Sattler. Seit einem Jahr steht sie an der Werkbank über den Dächern von Paris im Stammhaus an der edlen Rue de Faubourg Saint-Honoré. 25 Stunden braucht die junge Frau, um einen der berühmten, jeweils signierten Sattel aufwändig von Hand zu produzieren. "Sonderanfertigungen dauern auch schon mal 40 Stunden", sagt sie. Dabei sind die Arbeitsschritte nicht aufgeteilt, vielmehr ist die Sattlerin für "ihren" Sattel von Anfang bis Ende verantwortlich. Und konsequent wie seit den Anfängen des Unternehmens werden bis heute die Sättel und Taschen, darunter die berühmte nach Grace Kelly, der Fürstin von Monaco, benannte Kelly-Bag, mit dem robusten, aber kraftraubenden Sattlerstich zusammengenäht.

Müßig die Frage, was wohl geworden wäre, wenn Dietrich Hermes, alias Thierry Hermès aus Krefeld damals in seiner Heimat geblieben wäre? Denn 1837 mit Mitte 20 zog es den jungen Mann, der das beste Sattlergeschirr aus dem besten Leder herstellen wollte, vom Niederrhein in die französische Metropole. Dort eröffnete er ein Sattel- und Zaumzeug-Geschäft und legte so den Grundstein für das heute international bekannte Unternehmen, das zudem die Ansicht vertritt: "Luxus ist das, was man reparieren kann." Die Kunden scheinen dies zu honorieren. Trotz Krise in aller Welt wurde 2012 ein Rekordumsatz von knapp 3,5 Milliarden Euro erzielt.

(RP/rl)
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