Meerbusch Der Reiz des Hochwassers

Düsseldorf · Wenn der Rhein sich breit macht, steigt auch die Zahl der Schaulustigen, die das Naturspektakel sehen wollen. Viele reisen von außerhalb an, um den Hochwasserstand zu betrachten. Momentaufnahmen.

Gut, dass es den neuen Deich gibt. Seit Wochen tritt der Rhein bereits über die Ufer. Das Wasser steht nun zwischen den Deichen wie ein Flussarm. Was für den einen eine ärgerliche Laune der Natur ist, ist für andere ein eher willkommenes Naturspektakel für den Wochenendausflug. Zahlreiche Schaulustige reisten extra an, um sich den Ausnahmezustand anzusehen.

Wer an der Fähre Langst-Kierst einen Spaziergang geplant hat, muss sich bis auf weiteres eine andere Wanderroute suchen, denn dort steht alles unter Wasser. Den Campingplatz "Azur", links von der Fähre gelegen, kann man nicht einmal mehr erahnen. Was hier nicht niet- und nagelfest war, wurde von der Wassermasse weggeschwemmt. Hätte das Hotel Vier-Jahreszeiten nicht ein Transferboot, das die Gäste trockenen Fußes zum "Ufer" bringt, wäre es mittlerweile wie eine Insel vom Rest der Welt abgeschnitten.

Heinz und Sabine Tourné wohnen im letzten Haus vor dem neuen Deich. Bereits seit über hundert Jahren ist es im Besitz der Familie. Das Haus erzählt Geschichte, denn es trägt Hochwassermarken von 1845 bis heute neben der Eingangstür. "Mein Vater erzählte mir, das Wasser sei schon so hoch gestiegen, dass man nur mit einem Boot und durchs obere Fenster ins Haus gelangen konnte", erinnert sich Heinz Tourné. "Einmal sollen sogar ganze Eisschollen vorbeigezogen sein. Ich bin froh, dass ich das noch nicht erleben musste." Seine Frau Sabine ist froh, dass der Deich sie nun etwas schützt: "Ich könnte mir vorstellen, dass unser Deichgräf Friedrich von der Leyen nach all der Kritik, die er für die Sanierung einstecken musste, sich nun bestätigt sehen kann," sagt die Hausfrau. "Etwas störend sind die Touristen, die den ganzen Tag an unserem Haus vorbeigehen und sich die Pegelmarken anschauen", gesteht sie. "Es sind nicht wenige, die sogar bei uns klingeln, um zu fragen, wie es uns angesichts der drohenden Flut geht. Ich schaue schon nur noch aus dem Fenster."

Auch die ehemalige Pot'sche Residenz am Löricker Rheinufer liegt wie eine Insel im Wasser. "Wir fragen uns, wie die Leute selbst ihr Gehöft verlassen", wundern sich Ruth Schleyer und Jochen Schnitzel bei ihrem Spaziergang. "Wir sind aus Gerresheim hier hergekommen, weil wir wussten, dass man die Ausmaße besonders gut sehen kann, denn die Wiesen sind hier sehr breit. Wir können nun auf dem Deich und direkt am Wasser gehen". Monique Wiedhoff und ihre Freundin Ida Kaup sehen die kleine Naturlaune aus einem ganz romantischen Blickwinkel: "Wir genießen es besonders, bei Nebel, Raureif, Schnee oder Hochwasser herzukommen. Dann zeigt sich die niederrheinische Landschaft von ihrer besonderen und auch besonders schönen Vielfalt."

(RP)
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