Meerbusch Der letzte Schultag

Düsseldorf · 14 Jahre lang hat Ingeborg Krömer (62) die Martinus-Grundschule geleitet. Heute verabschieden Schüler und Lehrer sie in den Ruhestand. Sie weiß: Junge Kollegen für den Beruf mit viel Verwaltungsarbeit zu begeistern, ist schwer.

Ihr Schreibtisch ist schon fast leer. Nur ein Kugelschreiber liegt dort noch, und ein Freundebuch, das ihr ein Schüler mit der Bitte gereicht hat, sich dort zu verewigen. "Oh je, was ist denn meine Lieblingsband? Ob ich da einfach Beethoven reinschreibe?", überlegt Ingeborg Krömer und wirft lachend den Kopf in den Nacken. Kaum zu glauben, dass die schlanke, dunkelhaarige Frau, die vor Energie und Lebenslust nur so sprüht, bereits das Pensionsalter erreicht hat. Heute ist ihr letzter Schultag, morgen, am offiziellen letzten Arbeitstag, wird sie alle Kisten aus dem Büro mitnehmen und zum letzten Mal zur Schule fahren — zumindest vorerst. "Wenn es mal brennt, bin ich natürlich für die Kollegen da. Das haben alle Lehrer bei uns so gemacht, die in Pension gegangen sind."

14 Jahre lang hat Ingeborg Krömer die Martinus-Grundschule geleitet. Dass sich die 62-Jährige bei Engpässen auch weiterhin für ihre Schüler und das Kollegium einsetzen will, passt zu ihr. Wer sie beruflich oder privat kennen lernt, schätzt ihre Verlässlichkeit, aber auch ihre Geradlinigkeit. "Ich weiß sonst niemanden, der so straight ist wie meine Chefin", sagt Krömers engste Mitarbeiterin, ihre Sekretärin Erika Schumacher. "Sie hat ihre Prinzipien und das ist auch gut so, weil jeder weiß, woran er ist." Wenn Eltern im Halteverbot vor der Schule parken, spricht Ingeborg Krömer sie persönlich darauf an. Sie kümmert sich um den Stundenplan und um die Schulmilch-Lieferung, um die Möbel für den Offenen Ganztag und die Anfragen vom Bauamt — und nimmt sich dennoch sehr viel Zeit für jeden einzelnen Schüler und auch für dessen Eltern. "Die Stunden, die ich hier verbringe, lassen sich nicht zählen. Das zehrt schon an der Kraft", sagt Krömer.

Der Beruf des Schulleiters hat sich stark verändert, seit Ingeborg Krömer 1968 zum ersten Jahrgang der Referendare in Nordrhein-Westfalen zählte. Der Verwaltungsaufwand ist enorm gestiegen. "Wenn ich unterrichten darf, ist das Erholung für mich. Dabei schöpfe ich Energie." Junge Menschen für den Beruf zu begeistern, ist schwierig. Ingeborg Krömers Stelle ist ausgeschrieben — ebenso wie viele weitere in NRW. Grundschulen sind besonders betroffen vom landesweiten Mangel an Rektoren und Konrektoren. Nach Angaben des Schulministeriums sind mehr als 240 leitende Positionen an Grundschulen unbesetzt, bei den anderen Schulformen sind es mehr als 70. In Meerbusch sind — bis auf die an der Martinus-Schule — derzeit keine Rektorenstellen vakant, "aber wir haben in der Vergangenheit immer erlebt, wie schwierig es ist, die Stellen zu besetzen und wie lange gerade Grundschulen suchen müssen", sagt Stadt-Sprecher Michael Gorgs. Als eine der Ursachen für fehlenden Führungsnachwuchs nennt ein Sprecher des Schulministeriums die "verfehlte Einstellungspolitik von 1982 bis 1999": dadurch fehlen Lehrer mittleren Alters, die sich für Führungspositionen eignen. "Aber wir haben eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die dazu beitragen, dass sich die Situation verbessert."

Christel Jungmann, Bildungsreferentin beim Verband Erziehung und Bildung, ist über den Mangel an Bewerbern nicht erstaunt. Der finanzielle Anreiz, um die Pflichten der Schulleitung zu übernehmen, sei für viele Lehrer zu gering. Vor allem Männer reize der Job mit begrenzten Aufstiegschancen und dem vergleichsweise niedrigen Gehalt nicht. Rektoren bekommen im Schnitt etwa 500 Euro mehr als die Mitglieder seines Kollegiums — trotz größerer Verantwortung und zahlreicher zusätzlichen Aufgaben.

"Der Unterschied zwischen Lehrersein und Schulleitertum ist immens", sagt Ingeborg Krömer. Traurig sei sie eigentlich nicht, wenn sie an ihren Abschied denke. "Ich freue mich darauf, nicht mehr so viel Verantwortung tragen zu müssen." Beim Verreisen — etwa zu ihrer Schwester in Spanien — nicht mehr auf die Ferien angewiesen zu sein, sei ein weiterer großer Vorteil. Vermissen werde sie ihre Aufgabe und das Miteinander an der Schule dennoch. "Der tägliche Umgang mit so vielen verschiedenen Menschen wird mir sehr fehlen."

(RP)
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