Leben im Alter in Meerbusch Zerplatzter Traum vom Mehrgenerationen-Haus

Meerbusch · 2008 gründeten 16 Meerbuscher den Verein Alma. Die Abkürzung steht für „Aktiv leben mit anderen“. Die Mitglieder wollten im Stadtgebiet alternative Wohnprojekte für Senioren realisieren. Wolf Mache war einer der Gründungsmitglieder des inzwischen aufgelösten Vereins.

 Wolf Mache hat den Verein „Aktiv leben mit anderen“ (Alma) mitgegründet. Das Projekt ist aber nach einigen Jahren gescheitert.

Wolf Mache hat den Verein „Aktiv leben mit anderen“ (Alma) mitgegründet. Das Projekt ist aber nach einigen Jahren gescheitert.

Foto: Ja/Anne Orthen (ort)

 „Wie will ich leben, wenn ich alt bin?“ Mit dieser Frage beschäftigen sich viele Meerbuscher. Und das nicht erst seit heute. Auf Initiative von Wolfgang Schlimm wurde 2008 der Verein Alma („Aktiv leben mit anderen“) gegründet. Einer der 16 Gründungsmitglieder ist Wolf Mache. Er erzählt: „Ich habe mich davor schon lange mit dem Thema beschäftigt. Man sollte sich diese Frage nicht erst mit 80 Jahren stellen, sondern viel früher.“

Ziel des Vereins war es, ein Wohnkonzept zu entwickeln, das Gleichgesinnte zueinander führt: Weltanschaulich offene Senioren, die im Alter nicht alleine wohnen möchten, sondern in einer Gemeinschaft. Geplant war dafür eine Wohnanlage mit Eigentumswohnungen, frei finanzierten und auch öffentlich geförderten Mietwohnungen. „Ein solches Zusammenleben hat neben den vielen sozialen Vorteilen auch wirtschaftliche und finanzielle – nicht nur für die Beteiligten, sondern letztlich auch für Gesellschaft und Sozialsysteme “, sagt Mache.

Ein weiterer Aspekt sei der demografische Wandel gewesen. Ein Phänomen, das immer noch aktuell ist: Da vor allem junge Menschen aus ländlichen Regionen abwandern und in Städte ziehen, verändern sich die Lebensverhältnisse. Die Zahl alter Menschen wächst, die Altersphase dauert länger. Das führt zu veränderten Anforderungen an den Wohnraum und das Wohnumfeld. Eine Lösungsmöglichkeit für die Gestaltung demografischer Veränderungen ist beispielsweise gemeinschaftliches Wohnen, auch in der Form von Mehrgenerationen-Häusern, wie sie der Verein geplant hatte. „Solche Projekte können ganze Stadtteile revitalisieren“, sagt Mache. So habe etwa im benachbarten Krefeld das dort in der Südweststadt realisierte Wohnprojekt „Alte Samtweberei“ deutlich zur Aufwertung des Viertels beigetragen.

Schnell fanden sich noch mehr Vereinsmitglieder, die sich für alternative Wohnformen in Meerbusch interessierten. „Die Resonanz war groß, man merkte, dass sich viele Senioren mit dem Thema beschäftigten.“ 20 bis 30 Menschen trafen sich regelmäßig, lernten sich kennen, tauschten Erwartungen, Wünsche, Hoffnungen aus. Es ging ihnen darum, ihr Leben im Alter frühzeitig und selbstbewusst, sinnvoll und vorausschauend zu gestalten, berichtet Mache. Nicht untätig zu bleiben, bis das Pflegeheim die letzte Option sein würde.nGemeinsam suchten die Vereinsmitglieder nach einem geeigneten Gebäude oder Grundstück in Meerbusch. Professionelle Hilfe bekamen sie nicht, keines der Mitglieder war vom Fach. Sie informierten sich selber, lernten Schritt für Schritt, worauf sie achten mussten. Beispielsweise, indem sie sich Bauprojekte in anderen Städten anschauten und sich Beispiele und Vorbilder suchten. „In vielen Orten, Aachen, Dortmund, Düsseldorf, aber auch in Hamburg, gibt es bereits alternative Modelle, an denen wir uns orientiert haben “, sagt Mache.

In Meerbusch hat es für die Vereinsmitglieder letztlich nicht geklappt. Elf Jahre hielt der Elan, ein passendes Grundstück zu finden. 2019 löste sich der Verein auf. Ihren Traum vom gemeinsamen Wohnen konnten sie in Meerbusch nicht realisieren. Rückblickend hätten viele Faktoren eine Rolle gespielt, sagt Mache heute. „Viele Umstände haben einfach nicht gestimmt.“ Der wichtigste Punkt sei die Lage gewesen: Ein Grundstück, das zentral, aber verkehrsberuhigt und finanzierbar ist, haben sie in Meerbusch nicht gefunden.

Die fehlende Unterstützung der Stadt sei ebenfalls ein Faktor gewesen. Zwar sei der Verein auf offene Ohren gestoßen – alternative Wohnformen seien in Meerbusch keineswegs unerwünscht gewesen. Aktive Förderung und Unterstützung, etwa bei der Suche nach einem geeigneten Grundstück, blieben aber aus. „In anderen Städten würden etwa durch die städtische Planung geeignete Grundstücke, die der Stadt gehören, vorrangig für Projekte gemeinsamen Wohnens reserviert und angeboten“, sagt Mache. Dort seien solche Initiativen nicht allein auf den freien Immobilienmarkt und die Konkurrenz mit meist gewerblichen und kapitalkräftigen Kaufinteressenten angewiesen. „Mit Hilfe hätte es in Meerbusch vielleicht auch geklappt“.

Karin Proff und ihr Mann Wolfgang Schlimm als Initiator waren damals Mitbegründer des Vereins. Dass es nicht geklappt hat, führt Proff unter anderem auf die Schwierigkeit zurück, sich als Gruppe zu entscheiden: Miete oder Eigentum? „Auch in anderen Bereichen, wie beispielsweise der Standortwahl, haben wir uns mit einer Konkretisierung schwer getan“, sagt sie. Proff und ihr Mann schauten sich deswegen auch immer in anderen Städten nach alternativen Wohnprojekten um. Sie versuchten es in Düsseldorf, wo sie den Verein „Miteinander - Wohnen in Verantwortung“ mitbegründeten. Dort klappte es auf Anhieb. 2010 zogen fünf Paare und 19 alleinstehende Männer und Frauen der Generation 50plus in ein Haus in Gerresheim, das von Niklaus Fritschi entworfen wurde. Von den 23 barrierefreien Wohnungen ist mehr als die Hälfte öffentlich gefördert. Neben den individuellen Wohnungen stehen allen Bewohnern zwei Gemeinschaftsräume zur Verfügung. Dort gibt es vielfältige nachbarschaftliche Veranstaltungen wie Tai-Chi, Kochen, Kunstbesprechungen, Lesungen und Literaturtreffs, Musikveranstaltungen und Vorträge. „Wir sind stolz auf das, was wir erreicht haben“, sagt Proff.

Geholfen habe in Düsseldorf die enge Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung. Regelmäßig waren die Mitglieder des Vereins bei Ausschusssitzungen anwesend, sie präsentierten sich und hielten Vorträge. „Wir hatten jede Woche zwei bis drei Termine“, sagt sie. Ihre politische Arbeit fiel auf, sie erhielten Förderungen von der Stadt, der Stadtsparkasse und anderen. „Es war viel Arbeit, aber sie hat sich gelohnt.“ Dass es in Meerbusch nicht geklappt hat, bedauert sie vor allem, weil die Kontakte zu den Vereinsmitgliedern großenteils verloren gingen. Trotzdem: „Wir fühlen uns in Gerresheim so wohl, dass niemand wegziehen möchte“, sagt Proff.

Auch Wolf Mache hat sich damit abgefunden, dass der Plan vom gemeinsamen Wohnen in Meerbusch nicht aufgegangen ist. Einige Mitglieder des Vereins sind immer noch befreundet und treffen sich regelmäßig. „Das ist zwar nicht wie gemeinsames Wohnen, aber es sind dauerhafte Freundschaften entstanden“, sagt er. Und darin sind sich Proff und Mache einig: Alma war in Meerbusch sicher nicht die letzte Initiative für ein soziales Wohnprojekt.

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