Meerbusch Als Heuss in Lank zu Gast war

Düsseldorf · Meerbuschs Gastronomie ist voller interessanter Geschichten. Die 1845 gegründete Alte Weinschenke van Dawen war in den Wiederaufbaujahren ein beliebter Treffpunkt der Wirtschaftselite von Rhein und Ruhr.

Lank-Latum Franz-Josef Radmacher kann sich noch gut an die 50er Jahre in Lank-Latum erinnern. Als Knirps blieben ihm besonders die schweren Limousinen im Gedächtnis, die regelmäßig auf dem Marktplatz vor der Alten Weinschenke van Dawen parkten. "Da waren sogar Autos mit Standarte dabei", erinnert sich der heutige stellvertretende Bürgermeister. Die Dorfjugend soll aber bald die Ehrfurcht vor den hohen Herren verloren und sich durch Bewachung der chromglänzenden Fahrzeuge ein paar Pfennige hinzuverdient haben, weiß Drago Babij, Pächter des Hauses seit 1976.

Die Wirtschaftselite der Wiederaufbau-Jahre schätzte den örtlichen Spargel, die frischen Erdbeeren — und natürlich das hochklassige Weinangebot. Regelmäßig begaben sich bedeutend dreinschauende, Zigarre paffende Herrschaften in dunklen Anzügen zu Aufsichtsratssitzungen und Banketten in die drei Säle des Hauses. Der Andrang der schweren Mercedesse war so groß, dass das Haus zeitweise einen eigenen Parkplatz-Einweiser und -Wächter beschäftigte. Stolz ist man an der Hauptstraße 23 noch heute, dass auch der erste Bundespräsident Theodor Heuss (im Amt von 1949 bis 1959) die Alte Weinschenke besuchte.

Die Geschichte des Lokals geht auf das Gründungsjahr 1845 zurück. Die ursprünglich aus Rotterdam stammende Familie van Dawen hatte es in Diensten der in Düsseldorf residierenden Herzöge von Berg zu Wohlstand gebracht, und diverse Sprösslinge hatten sich in Lank-Latum angesiedelt. Ferdinand-Josef van Dawen entschied sich mit Ehefrau Elisabeth ein Weinlokal mitten im Ort zu eröffnen. Unter der Gaststätte erstreckte sich ein Weinkeller bis unter die heutige Gonellastraße. Alte Fotos zeigen lange Reihen dicker Eichenfässer, in denen der edle Tropfen bei gleichmäßiger Temperatur reifte. Der Wein wurde hier auch in Flaschen abgefüllt, verkorkt und etikettiert. Als Babij das leer stehende Haus in den 70ern von einer Erbengemeinschaft pachtete, war der geräumige Keller praktisch ausgeräumt. Exquisite Weine waren auf den ersten Blick keine mehr zu entdecken. Der größte Teil der Lanker Wein-Katakomben ist heute verfüllt und nicht mehr zugänglich. Allerdings stieß die Familie beim Aufräumen im Keller unlängst auf ein paar verstaubte Riesling-Flaschen von der Mosel aus den frühen 70ern. Trinkbar ist der Weißwein allerdings nicht mehr. "Schmeckt leider wie Essig", meint Pächtersohn Roland Babij.

Von alten Zeiten erzählen im Haus heute nur noch einige Fotografien und alte Weinkarten — sowie eine Gipsbüste von Kaiser Wilhelm II., die die Babijs auf dem Speicher entdeckten. Nur die Monarchen-Nase war etwas ramponiert, was die Pächter allerdings gekonnt reparierten.

(RP)
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