Meerbusch 91-Jährige überfährt dreijähriges Kind

Meerbusch · Der schwer verletzte Junge wurde mit einem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen. Die Fahrerin verwechselte wohl Gas und Bremse. Der Seniorenbeirat bietet morgen die Veranstaltung "Senioren— sicher mobil" an

 Die Polizei markierte die Stelle auf dem Ivangsweg, an der die 91-jährige Autofahrerin am frühen Freitagabend das Kind überrollte.

Die Polizei markierte die Stelle auf dem Ivangsweg, an der die 91-jährige Autofahrerin am frühen Freitagabend das Kind überrollte.

Foto: Ulli Dackweiler

Bei einem Verkehrsunfall auf dem Ivangsweg in Osterath ist am frühen Freitagabend ein kleiner Junge schwer verletzt worden. Der Dreijährige, der gegen 17.40 Uhr auf einem Fahrrad unterwegs war, wurde von einem Auto überrollt.

Nach ersten Erkenntnissen der Polizei hatte die 91-jährige Fahrerin in einem Kurvenbereich das Bremspedal ihres Seat mit dem Gaspedal verwechselt. Der Junge musste mit schweren Verletzungen mit einem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen werden. Die Autofahrerin erlitt einen Schock und wurde ebenfalls in ein Krankenhaus gebracht. Die Polizei stellte den Führerschein der 91-Jährigen sichert. Die Beamten haben unter Beteiligung des Unfallaufnahmeteams die Ermittlungen zum genauen Unfallhergang und zur Klärung der Unfallursache aufgenommen.

Peter Machel kennt die Probleme, die auf ältere Menschen im Straßenverkehr zukommen können, aus seiner langjährigen beruflichen Praxis als Polizist. "Mit zunehmendem Alter lässt die Leistungsfähigkeit nach, die Beweglichkeit ist eingeschränkt, Reaktionszeiten werden länger", sagt der ADAC-Seniorenberater. "Senioren - sicher mobil" heißt der Titel eines Vortrags, den Machel am morgigen Dienstag ab 16 Uhr in der Aula der Realschule Osterath, Görresstraße 6, hält. Veranstalter ist der Seniorenbeirat der Stadt Meerbusch. "Sichere Mobilität im Alter ist ein wichtiges Thema, das wir ins Bewusstsein der Senioren rücken wollen", sagt der Vorsitzende des Beirats, Albert Güllmann. Der Vortrag sei eine sinnvolle Ergänzung zur Initiative "Senioren sicher im Sattel", die die Stadt Meerbusch seit 2008 in Kooperation mit der Polizei und der Verkehrswacht im Rhein-Kreis Neuss anbietet.

Hintergrund: Die Zahl der älteren Fahrer nimmt zu. Heute schon machen die über 65-Jährigen 20 Prozent der Meerbuscher Bevölkerung aus, im Jahr 2060 gehört jeder Dritte zu dieser Gruppe. Zwar bestätigen Unfallstatistiken, dass die Gruppe "65plus" kein erhöhtes Risiko im Straßenverkehr darstellt. Aber das ändert sich ab 75 Jahren deutlich - vor allem bei Senioren, die weniger als 3000 Kilometer jährlich fahren. Dann verschulden sie zu 77 Prozent die Unfälle selbst und überholen damit die jungen Risikofahrer.

Untersucht man die Art der Unfälle, in die Senioren verwickelt sind, so zeigt sich, dass sie eher auf Fahrfehlern beruhen als etwa auf zu hoher Geschwindigkeit oder zu viel Alkohol im Blut: Am häufigsten missachten Fahrer über 65 Jahren die Vorfahrtsregel oder verursachen Unfälle beim Abbiegen. Die Übersicht in Stresssituationen zu bewahren, bereitet Älteren zunehmend Probleme. Am Steuer im Auto fällt ihnen der Blick über die Schulter schwerer, an der Ampel machen kurze Grünphasen zu schaffen.

Diese Entwicklung aber müsse nicht als unabänderlich hingenommen werden, betont ADAC-Seniorenberater Machel, selbst 67 Jahre alt: "Es gibt durchaus Möglichkeiten, Kompetenzen zurückzugewinnen." Dazu gehörten etwa gezielte Bewegungsübungen oder eine gesündere Ernährung zur Gewichtsabnahme. Möglichkeiten, wie das in der Praxis funktionieren kann, wird der Polizeihauptkommissar im Ruhestand morgen in der Realschule vorstellen. Zudem gibt er Tipps für ältere Radfahrer und Informationen über Auswirkungen von Medikamenten auf die Verkehrstüchtigkeit.

EU-Länder wie Schweden, die Niederlande, Frankreich oder Spanien schicken Autofahrer ab 70, andere schon ab 50, zum Senioren-TÜV. Ein Modell, das sich Kritiker der deutschen Freiheit zumindest in Ansätzen auch hierzulande wünschen. In Deutschland hingegen gilt die Regel: Jeder muss sich vor Fahrantritt selbst überzeugen, dass er im Vollbesitz seiner körperlichen und geistigen Kräfte ist. Erst wer im Verkehr negativ auffällt oder einen Unfall verursacht, bei dem der Verdacht einer eingeschränkten Fahrtauglichkeit aufkommt, verliert den Führerschein oder muss ein fachärztliches oder medizinisch-psychologisches Gutachten einholen.

(RP)
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