Leverkusen Willemsens Landschaftstexte - gekonnt gelesen

Leverkusen · Wenn die Betrachtung von Landschaften auf dem Programm steht, ist das normalerweise eine Aufgabe für die Augen. Aber die konnten Besucher der musikalischen Lesung bei Bayer Kultur am Sonntagabend getrost schließen. Auf der schwarz ausgeschlagenen Bühne waren nur die drei Akteure zu sehen, von Landschaften keine Spur. Und dennoch sah sie jeder einzelne ganz deutlich vor dem inneren Auge, dank der ausgesprochen plastrischen Beschreibung in den Texten von Roger Willemsen. Der Schauspieler Walter Sittler las etliche Kapitel aus dessen Vermächtnis - ganz ruhig und mit einer gewissen Ehrfurcht vor der Formulierungskunst des Autors.

Teils amüsiert, teils berührt waren die Zuhörer, wenn Willemsen etwa die Kreidefelsen auf Rügen betrachtet und feststellt, dass die Wirklichkeit nicht ganz der idealisierten romantischen Darstellung von Caspar David Friedrich entspricht, die ihm schon aus Kindertagen bekannt war. "Ja, war ihm denn die Natur nicht schön genug?", hinterfragt der Autor, um dann auch die Menschen ringsum in den Blick zu nehmen.

Es waren also nicht nur Landschaften im eigentlichen Sinne, die dort im Kopfkino Gestalt annahmen, sondern ebenso die dazugehörigen Menschen. Die hat der geniale Beobachter mit manch ungewöhnlichen Vergleichen charakterisiert, aber doch so treffend, dass man sich mittendrin wähnt. Etwa auf der Rolltreppe, wo die unterschiedlichsten Typen hoch- und runterfahren, oder in der U-Bahn, wo die Mitfahrenden anscheinend passend zu den jeweiligen Stationen wechseln. Es sind humorvolle und manchmal auch harte Feststellungen, jedoch nicht verletzend oder richtend.

Das trifft auch auf die Städte zu, die Willemsen mit kritischem Blick betrachtet. Oder wenn er notiert, dass heute Autobahnkreuze die Landschaft durchschneiden, die einst Heimat war. Wenn er über Landflucht oder bayerische Eigenarten nachdenkt. Fasziniert lauschte das Publikum im Erholungshaus der weichen Stimme Walter Sittlers.

Geradezu hingerissen waren die Besucher von der Musik, die in diesem Programm noch größeren Raum einnimmt. Stücke aus dem Barock und vorwiegend aus dem 19. und 20. Jahrhundert haben die Geigerin Franziska Hölscher und die Pianistin Marianna Shirinyan zusammen mit Roger Willemsen ausgesucht. Es sind weitgehend unbekannte Kompositionen, die seine Texte nicht illustrieren, sondern ihrerseits Stimmungen und Emotionen wecken.

Ein wundervolles Zusammenspiel zwischen Musik und Lesung, das am Ende mit heftigem Applaus belohnt wurde.

(mkl)
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