Leverkusen Warum sich das Kämpfen lohnt

Leverkusen · Erstaunlich ruhig blieben die jungen Zuschauer im Erholungshaus-Saal, obwohl da vorne zunächst einmal gar nichts passierte. Wird einem irgendwann der Geduldsfaden reißen, wird die Schulgemeinschaft die Theatervorstellung einfordern, die ihnen versprochen wurde? Dieser Fall trat zwar nicht ein, aber die Akteure mussten darauf vorbereitet sein. Immerhin haben sich die neun Mitwirkenden während eines Workshops in den vergangenen Monaten sehr gründlich und auch selbstkritisch mit den Phänomenen "genervt sein", "provozieren" und "aggressiv reagieren" auseinandergesetzt.

 Was passiert, wenn nichtspassiert? Das exerzierten Schüler der Rat-Deycks-Schule als Bühnenspiel vor, später passierte dann doch noch eine ganze Menge.

Was passiert, wenn nichtspassiert? Das exerzierten Schüler der Rat-Deycks-Schule als Bühnenspiel vor, später passierte dann doch noch eine ganze Menge.

Foto: Ralph Matzerath

Theaterpädagoge Gernot Schmidt war mit seinen Mitarbeitern Marie Enganemben und Thomas Zöller regelmäßig in der Rat-Deycks-Schule, um mit dieser Gruppe zu arbeiten. Das Ergebnis des Prozesses, ein halb improvisiertes Stück, wurde im Programm der Schul- und Jugendtheatertage aufgeführt vor Lehrern und sämtlichen Mitschülern. Doch es geschieht zunächst nichts, und sie üben sich in Geduld, sitzen einfach auf Podest-Stufen und demonstrieren unübersehbare Langeweile, so lange bis die Musik vorbei ist und sie sich selbst nacheinander davon machen, "wenn doch nichts passiert".

Nur zwei Brüder prügeln sich noch, hier ein anscheinend alltägliches Ritual, das gerne zu Hause gepetzt wird, wo die Mutter die obligatorische Frage stellt, die schon Generationen von Schülern auf die Palme gebracht hat: "Wie war's in der Schule?" Die Jugendlichen reagieren ebenso pampig wie auf Misstrauen oder Unverständnis ihrer Eltern und die Anweisungen des Lehrers. Der hat eine Lektüre auf den Stundenplan gesetzt, die zumindest eine "voll Scheiße" findet: Friedrich Schillers Drama "Die Räuber". Heute wird der zweite Akt, erste Szene gelesen. Die Räuber sind von einer Übermacht umzingelt und beschließen zu kämpfen für ihre Freiheit. Eine Situation, die alle anwesenden Schüler nur zu gut kennen, im übertragenen Sinne jedenfalls.

Aber womit kann man kämpfen, wenn Degen und Pistolen ausfallen? Vor allem mit Mut und mit gegenseitiger Unterstützung, stellten die Jugendlichen fest und überwanden ihre kollektive Langeweile. Gemeinsam entwickeln sie Strategien, wie sich das abstellen lässt, was sie im täglichen Umgang mit Erwachsenen oder Gleichaltrigen so sehr nervt, dass sie regelmäßig ausrasten. Das führt nur zu Eskalation, aber nicht zu Lösungen, so viel können sie aus eigener Erfahrung sagen.

Vielleicht funktionieren Ruhe bewahren, erklären, aber auch klare Worte finden? Ein Versuch war es wert. Auf der Dreh-Bühne, die mehrfach effektvoll in Gang gesetzt wurde, wurden die entsprechenden Szenen einfach noch einmal mit anderen Reaktionen gespielt. Das Publikum war begeistert.

(mkl)
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