Leverkusen Theater: Wie Europa gelingt - die Frage ist (noch) nicht zu klären

Leverkusen · Eine Therapiesitzung ist die letzte Möglichkeit in aussichtsloser Lage. Und darin befindet sich die Europäische Staatengemeinschaft ja inzwischen. Also kommen die Wackelkandidaten zusammen und suchen mithilfe einer Familienaufstellung nach Ursachen und Möglichkeiten die Beziehungsfähigkeit zu verbessern. "Wie Europa gelingt", so der vielversprechende Titel des Theaterabends bei KulturStadtLev im Forum-Studio, haben sie am Ende natürlich nicht wirklich herausgefunden.

 Großbritannien (Fliege, kurze Hose) schaut zu, wie Finnland (Karohemd) einem anderen Land in den Armen liegt - eine Szene aus "Wie Europa gelingt".

Großbritannien (Fliege, kurze Hose) schaut zu, wie Finnland (Karohemd) einem anderen Land in den Armen liegt - eine Szene aus "Wie Europa gelingt".

Foto: UM

Die Kandidaten können sich nicht einigen, aber sie können Party machen. Den Anlass, die Korken knallen zu lassen, liefert Finnland, das 100 Jahre Unabhängigkeit feiert: Happy Birthday. Übrig bleibt ein wackeliger Berg aus Stühlen als Platzhalter für sämtliche EU-Probleme, die bei der Familienaufstellung angesprochen wurden.

Damit ist das Stück von Katja Hensel, das über zehn Jahre durch den deutschsprachigen Raum getourt ist, im Jahr 2017 angekommen. Die neue, auf Stand gebrachte und von Carsten Golbeck inszenierte Fassung war einen Tag nach der Premiere in Wesel in Leverkusen zu sehen. Die Autorin steht selbst auf der Bühne. Sie ist die Therapeutin, die Klischees bedient, der zusehends die Leitung der Sitzung entgleitet und mehrfach hilflos hinausstürmt, während die Kandidaten übereinander herfallen.

Ausgerechnet Polen (Michael Stobbe) und Spanien (Barbara Wurster) stehen Rücken an Rücken, um das geteilte Zypern darzustellen, das von Uta Krause als wenig konfliktbewusst vertreten wird. Tilla Kratochwil vertritt Tschechien. Christian Dieterle im Holzfällerhemd rastet als derber Finne aus. Christian Kaiser steht in kurzer Hose und mit nackten Füßen für Großbritannien und soll seine momentane Verfassung beschreiben. "Ich habe keine Verfassung."

Sprachliche Missverständnisse und Doppeldeutungen vermitteln Wahrheiten in diesem witzigen, unterhaltsamen und teils grotesken Stück, das nie den ernsten Kern aus den Augen verliert. Mit der zunehmend ratlosen Therapeutin erfährt das Publikum, wie gespalten und unversöhnlich die Länder sind, welche Traumata nie bewältigt wurden und wo Ressentiments aufeinanderprallen. Dabei sind gerade mal sechs Kandidaten gekommen.

Zunächst sollen alle an ihren Grenzen arbeiten, die offen sein und eingehalten werden müssen. So die Aufgabe der Therapeutin. Die Frage nach der psychischen Verfassung Europas hat man sich bewusst gemacht, eine Antwort bringt der Abend erwartungsgemäß nicht.

(mkl)
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