Handball Leichlinger TV löst Dominoeffekt aus

Leichlingen · Die Meldung einer nicht existenten Mannschaft für die Handball-Regionalliga seitens des Leichlinger TV erzürnt gleich mehrere Klubs in der Region.

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„Grob unsportlich“, „bodenlose Frechheit“, „Schlag ins Gesicht“: Der Leichlinger TV hat mit seiner umstrittenen Meldung für die Regionalliga ein Beben in der Handball-Region ausgelöst. Das Entsetzen über den Schritt der Blütenstädter, nur um des eigenen Überlebens willen eine „Geistermannschaft“ in der vierthöchsten Spielklasse an den Start zu schicken, ist groß. „#ShameOnYouLTV“, hieß es in einem Beitrag in den Sozialen Medien. Andere Kommentare und Aussagen schlugen in dieselbe Kerbe. 

Das Unverständnis ist deshalb so groß, weil der LTV gar nicht plant, in der Regionalliga anzutreten. Vor Saisonbeginn will der einstige Spitzenreiter der Ewigen Drittligatabelle sein in der Realität nicht mehr existentes Team wieder zurückziehen, um so „nur“ eine Liga tiefer zu rutschen und den sofortigen Absturz auf Kreisebene zu umgehen. Während der LTV mittelfristig einen immensen Imageschaden riskiert, sind kurzfristig andere Klubs die Leidtragenden.

So muss nicht nur der am Samstag scheinbar gerettete OSC Rheinhausen aus der Regionalliga in die Oberliga absteigen. Auch die Verbandsligisten TuS 08 Lintorf und TV Kapellen können ihr Duell in den bereits fest geplanten Aufstiegsspielen nicht austragen, da mit dem OSC nun doch ein Verein aus dem Handballverband Niederrhein in die Oberliga absteigt. Die Auswirkungen ziehen sich noch weitere Spielklassen tiefer: Der LTV-Schritt und der damit verbundene OSC-Abstieg haben einen Dominoeffekt ausgelöst.

„Den Erdrutsch, den die Leichlinger Verantwortlichen damit verursacht haben, kann man nur als grob unsportlich bezeichnen“, schrieben die Lintorfer auf ihrer Homepage. Kalle Töpfer, der Sportliche Leiter des TuS, sagte am Montag: „Das ist ein Schlag ins Gesicht und ein Unding. Gegenüber dem Sport ist das ein lächerliches Vorgehen.“ Lintorf und der OSC Rheinhausen schalteten am Montag einen Anwalt ein, der nun mögliche rechtliche Schritte prüfen soll.

Und der LTV? Der ist sich der Kontroversität seines Handelns bewusst. Aber zugleich sieht er keine Alternative. „Wir hatten Skrupel, keine Frage. Für Rheinhausen ist es nicht schön, aber wir müssen jetzt auch mal an uns denken. Ohne Handball beim LTV ist auch niemandem geholfen“, bekräftigte der LTV-Vorsitzende Martin Hasenjäger am Montag im Gespräch mit dieser Redaktion. Der Impuls für die Entscheidung sei aus der Abteilung gekommen, „der Vorstand trägt sie mit“, sagte der Vereinsboss. 

Ralf Meier, der Leichlinger Abteilungsleiter, hatte bereits am Sonntag von „keiner schönen Entscheidung“ gesprochen. Dabei räumte er offen ein, dass sich diese in einem Jahr sogar wiederholen könnte: „Ich gehe derzeit davon aus, dass wir auch in der Oberliga nicht spielen können.“ Die Leichlinger Hoffnung ist, irgendwann in den kommenden Jahren wieder eine Perspektive zu besitzen und dann nicht von null anfangen zu müssen. Aller Kritik zum Trotz.

An semiprofessionellen Handball ist an der Wupper derzeit nicht zu denken. Der LTV hatte nach der Insolvenz der Spielbetriebs-GmbH Pima 2020 einen Neuanfang unter neuem Logo ausgerufen. Die anfängliche Begeisterung verpuffte jedoch schnell. Hinzu kamen auf tragische Weise die Corona-Pandemie und die Hochwasser-Katastrophe im vergangenen Sommer. Durch das Unwetter wurde die Spielstätte „Am Hammer“ unbespielbar, die Handballer des LTV sind fast einem Jahr heimatlos. Bis zum Jahreswechsel traten sie vor wenigen Zuschauern in Burscheid an, ehe das Kartenhaus kurz darauf zusammenfiel. Als die ersten Spieler den Klub verließen, meldete der LTV sein Team mitten in der Saison vom Spielbetrieb ab.

Bereits dieser Schritt hatte keineswegs Begeisterung bei der Konkurrenz ausgelöst, da die bereits absolvierten Spiele mit Beteiligung des LTV aus der Wertung genommen wurden. Im dieses Jahr besonders engen Ab- und Aufstiegskampf der aufgeblähten 3. Liga verloren Teams plötzlich wertvolle Punkte. Durch die Meldung für die Regionalliga, die sich zu Jahresbeginn nicht einmal im Ansatz angedeutet hatte, nimmt der Klub nun auch in den tiefer liegenden Ligen Einfluss auf die laufende Spielzeit. 

Für Ärger sorgt dabei auch, dass der LTV seine Meldung erst am Samstag abgab – wenige Tage vor Meldeschluss und ohne Vorwarnung. Nach derzeitigem Kenntnisstand verlieren die Regionalligisten ein Heimspiel und somit Einnahmemöglichkeiten, die während der Pandemie lange rar waren und noch immer wertvoller als ohnehin sind. „Dieses Verhalten ist eine bodenlose Frechheit den anderen Vereinen gegenüber“, sagte Dennis Werkmeister, Sportlicher Leiter des künftigen „Leichlinger Ligakonkurrenten“ SG Langenfeld, und ergänzte: „Der Zeitpunkt der Kommunikation ist das Hauptproblem. Wäre die Entscheidung vor acht Wochen bekannt geworden, würde ich die Situation anders bewerten. Jetzt sind etwa bei Rheinhausen längst Gespräche mit Spielern und Sponsoren geführt worden. Das ist Wahnsinn.“

Der Ursprung des gesamten Konflikts liegt selbstredend beim LTV, aber auch im System. Das Regelwerk im Handball Nordrhein e.V., dem Verein der Handballverbände Mittel- und Niederrhein zur Abwicklung der Regionalliga, lässt das LTV-Handeln laut Staffelleiter Peter Monschau zu. So müssen Regionalligisten etwa anders als Klubs in der 3. Liga vor der Saison keinen Liquiditätsnachweis erbringen. Eine Meldung wie die des LTV ist schnell erledigt, ein Rückzug ebenso. Für den LTV dürfte allem Anschein nach lediglich eine Strafe von 1600 Euro (zwei Spielbeträge) fällig werden, die der Verein bezahlt.

Dieser Preis für den Nicht-Absturz in die Bedeutungslosigkeit kommt als Schnäppchen daher. Andere sehen darin den Verrat des sportlichen Gedankens.

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