AusdenVere Denkzettel stört Nostalgie

Bei der Mitgliederversammlung des TSV Bayer 04 weht ein Hauch von "guten alten Zeiten" durch die Halle. Getrübt wird der positive Rückblick nur durch das Bekanntwerden kurioser Querelen in der Volleyballabteilung.

Gerd Osenberg steht auf, geht nach vorne und nimmt mit einem bescheidenen Lächeln die Urkunde über seine künftige Ehrenmitgliedschaft entgegen. Doch der 74-Jährige steht nur scheinbar allein dort. Mit ihm stehen all die Erfolge, die er als Leichtatletik-Trainer zu verantworten hat, all die Heike Henkels, Ulrike Nasse-Meyfarths und Heide Ecker-Rosendahls, ihre Titel und Medaillen.

Osenberg ist ein Symbol für die "guten alten Zeiten" im TSV, als Geld keine Rolle spielte und Erfolge Massenware waren. Ein bisschen Nostalgie tut der von Sparzwängen geplagten TSV-Seele gut — genauso wie der Videofilm über die letztjährigen Erfolge von Vereinsmitgliedern, Nationalhymne inklusive.

"Der TSV als Synonym für Erfolg"

Es ist ein Abend, an dem der Vorsitzende Klaus Beck — ohne Gegenkandidat — quasi im Vorbeigehen für weitere drei Jahre gewählt wird (genauso wie seine Vorstandskollegen Reiner Moschall und Heinz Bahnmüller), an dem die 130 anwesenden Mitglieder erfahren, dass dank konsequent umgesetzter Sparmaßnahmen bei Personal, Sportbetrieb und Instandhaltungsarbeiten unter dem Strich von 2010 ein Plus von 227 000 Euro steht und dass der Verein im Vorjahr mehr Geld für Porto, Telefon und Fax (81 000 Euro) ausgegeben hat, als er letztlich dem Fiskus an Steuern überweisen musste (68 000 Euro).

Die Zuschüsse haben sich verdoppelt, die Mitgliedsbeiträge bleiben stabil (Applaus) und bei den Boxern kommen nach dem Umzug in neue Räume mittlerweile 100 Prozent mehr Sportler zum Training. Vereinsherz, was willst du mehr?

Bei soviel begründeter Euphorie wollte Beck dann aber doch ein wenig auf die Bremse treten. Der erwirtschaftete Erlös wandert auf die hohe Kante, mit der Bayer AG abgesprochene Kürzungen von je 200 000 Euro in 2011 und 2012 erlauben weiterhin keine großen Sprünge. Dennoch: "Der TSV Bayer 04 ist nach wie vor auch ein Synonym für Erfolg", sagt Beck. Aber eben auch einer, bei dem die goldenen Zeiten nur im Video und bei der Jubilarehrung zurückkehren, denn "Unser Bemühen, weitere Einsparpotenziale zu identifizieren, darf in keinem Fall nachlassen", so Beck.

Und so ging gegen 20:51 Uhr an diesem Abend eine harmonische Sitzung zu Ende, in der kurz vor Schluss en passant die Information ans Plenum ging, dass Geschäftsführerin Anne Wingchen kommissarisch die Volleyballabteilung leite. Mancher Zuhörer fragte sich an dieser Stelle, was denn wohl mit Roland Ellmann sei, der doch die Leitung 2010 von Egon Baumgarten übernommen hatte?

Wie der TSV später auf RP-Nachfrage mitteilte, war Ellmann bei der Abteilungsversammlung am 9. Mai einem wohl etwas zu groß ausgefallenen Denkzettel der Mitglieder zum Opfer gefallen. Als einziger Kandidat hatte er demnach die erforderliche einfache Mehrheit der Stimmen verpasst. Mancher habe sich über die eingeleitete Neuausrichtung der Abteilung nicht ausreichend informiert gefühlt, hieß es im Nachgang zur Begründung.

Eine Nicht-Wahl Ellmanns sei aber nicht beabsichtigt worden. Nun muss Wingchen erneut — wie zuletzt bei den Basketballern — in die Bresche springen. Am 27. Juni soll dann auf einer neuen Versammlung ein zweites Mal versucht werden, Ellmann zu wählen. Ellmann selbst war gestern nicht zu erreichen.

(RP)
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