Bayers Frauen-Coach Robert de Pauw im Interview „Die Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten“

Leverkusen · Der neue Trainer von Bayer Leverkusens Frauenfußballteam im Gespräch über die EM sowie seine Ambitionen mit dem Team des Werksklubs.

 Der Niederländer Robert de Pauw hat in diesem Sommer die Nachfolge von Achim Feifel als Trainer der Frauenfußballmannschaft unter dem Bayer-Kreuz angetreten.

Der Niederländer Robert de Pauw hat in diesem Sommer die Nachfolge von Achim Feifel als Trainer der Frauenfußballmannschaft unter dem Bayer-Kreuz angetreten.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Herr de Pauw, die Europameisterschaft in England hat dem Frauenfußball in den vergangenen Wochen viel Aufmerksamkeit und Begeisterung beschert. Glauben Sie, dass es der Bundesliga gelingen wird, von diesem Hype zu profitieren?

Robert de Pauw Ich habe den Eindruck, dass das Interesse für den Frauenfußball in Europa immer größer wird. Diese Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten. Ich hoffe sehr, dass der Erfolg der deutschen Mannschaft auch der Bundesliga einen Schub geben wird. So war es bei uns in den Niederlanden jedenfalls nach dem EM-Sieg 2017.

Gehört dazu auch, perspektivisch in den großen Stadien zu spielen?

De Pauw Das wird in Zukunft vermutlich wichtig sein, um gegenüber den anderen Ligen nicht den Anschluss zu verlieren. England, Frankreich und Spanien sind auf einem guten Weg und auch in Italien wird der Frauenfußball größer und größer.

Wie ist es bei Bayer 04 um die Bereitschaft bestellt, die Frauen auch in der BayArena spielen zu lassen?

De Pauw Die Entscheidung treffe nicht ich, aber ich habe gehört, dass die Verantwortlichen bereits darüber sprechen.

Wie kam es nach der Meisterschaft mit dem FC Twente dazu, dass Sie sich für einen Wechsel nach Leverkusen entschieden haben?

De Pauw Ich bin mit Twentes Frauenfußball-Manager René Roord einverständlich übereingekommen, dass wir die Zusammenarbeit nicht fortsetzen. Also habe ich bei den Vermittlern, die mich wegen Spielertransfers anrufen, durchblicken lassen, dass ich auf der Suche nach einem neuen Verein bin und bekam einige Angebote. Ich habe mich mit vielen Vereinen getroffen – und mich dann für Bayer 04 entschieden.

Was gab den Ausschlag für diese Entscheidung?

De Pauw Bei Bayer hatte ich einfach das beste Gefühl. Die Bedingungen hier sind wirklich toll. Wir spielen auf dem besten Platz der Liga, haben ein großartiges Drumherum. Und auch die Ambitionen haben mir gefallen.

Sie haben bei der Saisoneröffnung selbstbewusst Platz eins bis fünf als Ziel ausgegeben.

De Pauw Die Top fünf müssen ganz einfach auch unser Anspruch sein.

Wen sehen Sie dabei als die Hauptkonkurrenten?

De Pauw Neben Wolfsburg und dem FC Bayern kämpfen um die vorderen Plätze wohl vor allem Hoffenheim, Frankfurt, wir und auch der 1. FC Köln, der sich gut verstärkt hat. Etwas ausrechnen wird sich wohl auch Potsdam, das jedoch einige Leistungsträgerinnen verloren hat, und Freiburg, das in den letzten Jahren meist ganz ordentliche Leistungen gezeigt hat.

Viel Applaus der Fans gab es für Ihren Traum, mit Bayer irgendwann auch in der Champions League zu spielen, wofür Platz drei nötig wäre. Wie schnell ist das möglich?

De Pauw Das hängt davon ab, wie wir uns als Team weiterentwickeln und auch, welche Finanzen zur Verfügung stehen. Ein gutes Zeichen für unser Team ist, wie ambitioniert die Verantwortlichen wie Fernando Carro, Simon Rolfes, Thomas Eichin oder Achim Feifel denken. Aber Fußball ist keine Glaskugel und eine zeitliche Einschätzung ziemlich schwierig. Aber wenn ich eine abgeben müsste, würde ich sagen, dass wir in drei Jahren um Platz drei mitspielen wollen.

Auf welchen Fußball können sich die Fans freuen?

De Pauw Wir möchten grundsätzlich dynamisch und attraktiv spielen und in Abwehr und Angriff schnell umschalten, aber müssen trotz dieser Vorlieben realistisch sein. Unsere Spielweise wird auch davon beeinflusst sein, wer unser Gegner ist. Neben Partien, in denen alles richtig gut läuft, wird es auch immer solche geben, in denen das nicht gelingt und darum andere Qualitäten gefragt sind. Dann müssen wir bereit und in der Lage sein, als ein Team zusammen zu kämpfen.

In der vergangenen Saison gab es keine klare Nummer eins im Tor und wechselnde Kapitäninnen. Wird das auch unter Ihnen so sein?

De Pauw Das wird sich ändern. Wir werden eine klare Spielführerin haben und darüber hinaus eine Gruppe von Führungsspielerinnen, die auf dem Feld vorangeht. Und auch im Tor setzte ich auf eine eindeutige Nummer eins. Es ist wichtig, dass die Abstimmung zwischen der Torhüterin und den Verteidigerinnen gut und beiden Seiten klar ist, was die jeweils andere macht.

Wie zufrieden sind sie mit den ersten Wochen der Vorbereitung?

De Pauw Die ersten Wochen waren sehr intensiv – schon allein durch die Mexiko-Reise. Fußballerisch konnten wir zu Anfang noch nicht so viel arbeiten, aber das ist kein Problem. Wir haben durch die lange Vorbereitung noch genügend Zeit, um die konditionellen Grundlagen zu legen und unseren Spielstil zu entwickeln. Außerdem war Mexiko eine wirklich gute Gelegenheit, einander besser kennenzulernen.

Wie sind Sie in Leverkusen angekommen?

De Pauw Ich wurde hier wirklich toll aufgenommen.

Leben Sie auch hier oder pendeln Sie?

De Pauw Sowohl als auch. Mein Zuhause ist weiter in Nimwegen. Ich habe in Leverkusen aber ein Appartement, in dem ich zwei bis drei Tage die Woche lebe. Das ist nötig. Ich will ein guter Trainer sein, aber ich will auch ein guter Vater sein. Aber das geht ganz gut. Nimwegen ist schließlich nicht so weit weg. Mit dem Auto sind es gerade einmal anderthalb Stunden von Leverkusen nach Hause.

Werfen wir zum Abschluss einmal einen Blick zurück zum Anfang Ihrer Trainerkarriere. Wie sind Sie zum Frauenfußball gekommen?

De Pauw Das war eher ein Zufall. Bei Nimwegen habe ich zunächst eine Jungenmannschaft trainiert und war danach ein Jahr unterwegs, um zu lernen und andere Vereine kennenzulernen. Dann kam ein Angebot vom Frauen-Erstligisten Achilles ‚29.

Ist die Arbeit mit Jungen und Männern anders als mit Mädchen und Frauen?

De Pauw Ja, natürlich. Frauen sind körperlich anders, haben ihren Zyklus, den man berücksichtigen muss. Sie sind emotionaler und können besser zusammenarbeiten, während Männer etwas egoistischer und individualistischer sind. Als Coach muss man noch sensibler für Stimmungen sein und etwas zurückhaltender in der Ansprache. Aber gerade diese Herausforderung finde ich spannend. Es macht wirklich Spaß, ein Frauen-Team zu trainieren.

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