Leverkusen Schwadbud - von Bürrig bis Berchtesgaden
Leverkusen · Das hat Tradition: An Weiberfastnacht ist Jecken-schaulaufen bei der RP-Schwadbud in der Opladener Fußgängerzone. Keine Tradition hatte der Regen.
Dass Karneval vun Hätze kütt und nicht vom Verstand, ist eine wunderbare Einrichtung. Denn Letzterer war gestern Morgen im Staate Schwadbuden (für die wenigen Ortsunkundigen: geografisch einzuordnen auf der Kölner Straße unterhalb der RP-Redaktion) nicht sinnvoll zu nutzen. Prinz Markus I. versuchte es um noch trockene 30 Minuten nach 9 Uhr mit dem Satz: "Wir halten dieses Wetter. Der liebe Gott ist ein Karnevalist" - und scheiterte Minuten später an ersten renitenten Regentropfen.
RP-Redaktionsleiter und somit Schwadbuden-Staatschef Ulrich Schütz hatte sechs Wetter-Apps auf dem Handy darauf getrimmt, für gestern Altweibersommwetter vorherzusagen - und scheiterte. Udo Kreye, Kommandant der Altstadtfunken, war bis gestern überzeugt, die Truppe hört nur auf sein Kommando - und scheiterte. Käthe Steinke - will im kommenden Jahr mal wieder Karnevalsprinz(essin) von Leverkusen werden - hatte die Herren fest im Griff, auch wörtlich.
Mit viel energischer Erfahrung lupfte sie die Frackschöße über den Kehrseiten der Altstadtfunken, um diese in Augenschein zu nehmen. Eine Hilfsaktion für die Schütz assistierende RP-Kurzzeitblondine. Die wollte dem schönsten Altstadtfunken noch einen original Düsseldorfer, aber durch Weihwasserbearbeitung im Kölner Dom verleverkusten Orden umhängen.
Kurzum: In Schwadbuden war gestern von 9 bis nach 14 Uhr verregnet-verrückt-vergnüglicher Staatsempfang - mit echten Sessionsadeligen wie Prinz Markus, dem Lützebömmeler Prinzenduo Petra und Holger, dem Hitdorfer Dreigestirn Prinz Manfred mit Jungfrau Kitty und Bauer Ekki und dem Leichlinger Prinzenpaar Elvis und Tanja; - mit den Möchtegern-Sessionsadeligen Bine, Brigitte und Aggi, die durch Schütz von harmlosen Schwadbud-Besuchern zum Spontan-Dreigestirn erhoben wurden.
Und mit internationalem Besuch. Aus Thüringen. Ramona Ferizi (44) aus Gotha war nach Schadbuden gekommen, "weil man in Thüringen gar nicht feiert, aber den rheinischen Karneval immer im Fernsehen sieht. Da wollte ich einfach mal gucken, wie das in echt geht."
Wie es geht, das hatte Schütz ihr flott erklärt - in dem Schnellkursus Ordenverleihen mit anschließendem Besuch der Bützschule. "Bützen", dolmetschte Schütz, "dat is alles außer Küssen, Knutschen, Festsaugen." Ramona übte gleich an Prinz Markus, später noch an Prinz Holger. Anderl, Snowboardlehrer aus Berchtesgaden, lernte in Schwadbuden gestern Selbiges am Spezialdreigestirn Bine, Brigitte und Aggi. Und er hätte Ramona noch erläutern können, dass man bei Staatsbesuchen in Schwadbuden durchaus Verkleidung trägt.
Eine solche anzuziehen trauten sich auch Kopal Miro, Yaser Mohamed und Khaled Mohammad noch nicht so recht. Die drei Flüchtlinge aus Syrien, die seit kurzem in Opladen leben, hat Gisela Schnurrbusch, ehrenamtliche Mitarbeiterin bei der Caritas, zum Besuch der Schwadbud animiert. "Ich möchte, dass meine ,Imi', wie ich sie nenne, Karneval einfach mal erleben", erzählte sie. "Im Deutschkurs haben wir schunkeln, bützen, Alaaf rufen, laache und krieche schon besprochen", fügte sie grinsend an.
Und auch "wenn wir nur ein kleines Bisschen davon verstehen", was die Schwadbud-Band MGV Halbe Lunge an kölschen Karnevalshits anstimmte, "mögen wir das", lobte Kopal. In Syrien feiere man am 21. März den Frühlingsbeginn, "aber doch ein bisschen anders als", ergänzte er lachend. "Es ist sehr schön hier", schloss Yaser an. Und das waren keine Lippenbekenntnisse. Die Drei ließen sich von einheimischen Gästen aus Alkenrath, Bürrig, Opladen und Co. mit Karnevalslaune anstecken, schunkelten, lachten, klatschten und verfolgten die Darbietungen der Karnevalsgesellschaften auf der Mini-Bühne.
Dort wurde dieses Mal ob des Regens weniger getanzt: Tanzmarie Alina Recktenwald von der Stadtgarde und Vicky Schmitz von den Zitronenfunken (Opladener Prinzengarde) zeigten beeindruckende Gelenkigkeit, dat Hitdorfer Schmölzchen zelebrierte den Piratentanz, die Zitronenfunken versprühten bei einem Tänzchen Sexappeal - für die auf sehr hohem Niveau klagende und lieber zum Mikro als zum Tanzschuh greifende Käthe Steinke allerdings zu wenig.
Dafür wurde viel musiziert und gesungen: Die Mini-Abordnung der Roten Funken fuhr mit dem Wagen bis auf Schwadbuden-Staatsgebiet vor und sang zur Gitarre, die Stadtgarde hatte einen Sänger anbei, das Leichlinger Prinzenpaar intonierte zu Rock'n'Roll-Klängen ein Lied, der Bayer Spielmannszug hatte musikalisch Prinz Markus, FLK-Vertreter und die Prinzengarde Leverkusen begleitet, und die Lützebömmeler Dorfgarde Flotte Karotten schickten mit Thilo Krautmacher (Neffe vom Höhner-Frontmann Henning) einen klasse Sänger. Mit Klasse-Text: "Nehmt euch in den Arm und singt Alaaf. Alaaf. Alaaf. Alaaf. Biste morgens alleine, warste abends zu brav. Alaaf. Alaaf. Alaaf."
Das Dreifach-Alaaf ging auch den internationalen Gästen flüssig über die Lippen: Horst Thoren, stellvertretender RP-Chefredakteur aus Düsseldorf und somit Hellau-Sager, ebenso wie Roswitha Arnold (Grüne), Thomas Eimermacher (CDU), Anderl aus Berchtesgaden und Ramona aus Gotha. Auch Gisela Schnurrbuschs "Irmi" stimmten zart mit ein. Wie gesagt: Karneval in Schwadbuden, Leverkusen und im Rheinland ist eine Sache, die vun Hätze kommt.