Serie: Lokale, die man kennen sollte Wirtin „Lotti“ hat ihr eigenes Karnevalslied

Schlebusch · Einst war sie die jüngste Gastwirtin in der Stadt, mittlerweile ist sie wohl die älteste. Ihr Geheimnis: ihre Leidenschaft für die „Telegrafenklause“.

 „Lotti Schulz“ stammt aus Köln und steht in Schlebusch hinter der Theke. Symbolisch-plüschig zeigt die sympathische Wirtin das mit FC-Geißbock und  Brian, dem Bayer-04-Maskottchen.

„Lotti Schulz“ stammt aus Köln und steht in Schlebusch hinter der Theke. Symbolisch-plüschig zeigt die sympathische Wirtin das mit FC-Geißbock und  Brian, dem Bayer-04-Maskottchen.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Würde die „Telegrafenklause“ an der Straßburger Straße 10 in Schlebusch nicht bereits existieren, man müsste sie glatt erfinden. Dabei ist die Kneipe mit der Holzvertäfelung und den Automaten für Geldspiele und Darts an den Wänden eigentlich nichts Besonderes. Wie in vielen vergleichbaren Vorort-Kneipen wird gut bürgerliche Küche und Reissdorf-Kölsch vom Fass serviert. Die Schänke mit 100 Quadratmetern bietet Platz für etwa 80 Leute. Bei schönem Wetter sitzen die Menschen am liebsten draußen. Für Raucher gibt es sogar ein kleines Wetterhaus. In dieser Kneipe gibt es „lecker Kölsch und lecker Essen, ein tolles Team hinter und tolle Gäste vor der Theke“, urteilte ein Gast unlängst.

Das aber, was die Telegrafenklause einmalig macht, steht hinter der Theke:  „Lotti“ verleiht der Kneipe einen gewissen Kultstatus.

Elisabeth Schulz – von allen nur „Lotti“ genannt – ist eine Gastgeberin, die man so schnell nicht mehr findet  – auch deshalb, weil der Gast bei ihr wirklich noch König sein darf. Stammgäste würden jetzt sicherlich sagen: „So ist unsere Lotti.“ Denn die gebürtige Kölnerin ist Gastronomin mit Herz und Seele, die ihren Beruf ebenso lebt wie liebt. In ihrem Stadtteil ist sie fast schon so etwas wie eine lebende Legende. Die Gastwirtin hat sogar ihren eigenen Song. Fast täglich ertönt er aus den Lautsprechern des Schankraums. Dann herrscht Karnevalsstimmung. „Bei uns ist immer Karneval“, sagt die Chefin der Telegrafenklausen, die das speziell auf sie getextete Lied mit dem Titel „Hier bei Lotti“ von Gästen zum 65. Geburtstag erhielt. Es ist Name und Programm zugleich.

Kein Wunder also, dass ihr Lokal von vielen Vereinen zur Stammkneipe auserkoren wurde. Die Telegrafenklause ist quasi die zweite Heimat der „Fründe us Schlebusch“ und der Alte-Herren-Mannschaft des SV Schlebusch. Die „Clowns der Telegrafenklause“ haben sich sogar nach ihrer Lieblingskneipe benannt. Wie sehr sich Jung und Alt bei „Lotti“ wohlfühlen, spiegelt sich an den Wänden wider, an denen Bilder voller schöner Erinnerungen zu sehen sind. Das wirkt fast schon wie ein Familienfotoalbum.

Bevor „Lotti“ kam, hatte die Kneipe zwei Vorgänger-Wirte, die jeweils nur zwei Jahre geblieben sind. Entsprechend skeptisch ihr gegenüber waren die Kunden und nahmen an, dass sie sich ebenfalls nicht lange halten würde. „Jetzt bin ich immer noch da“, sagt sie. Schon die Eltern betrieben eine Gaststätte in Köln. Dennoch – oder gerade deshalb – wollte sie gar nicht in deren Fußstapfen treten. Folgerichtig absolvierte sie eine Ausbildung als Einzelhandelskauffrau in einem Schreibwarengeschäft, ehe sie die Klause als 21-Jährige übernahm  – und somit zur jüngsten Wirtin in der Stadt wurde. Und das als alleinerziehende Mutter. Diese Entscheidung hat Lotti bisher nicht einen Tag bereut. „Ich würde es jederzeit wieder genauso machen“, sagt sie im Brustton der Überzeugung.

Inzwischen ist ihr Sohn Markus 52 Jahre und selber Vater erwachsener Zwillinge. Tochter Sandra (46) wohnt in Schlebusch und hilft, wie Lebensgefährte Ralf auch, im Geschäft. „Lotti“ steht trotz ihrer 72 Jahre fast täglich hinter der Theke und mag nicht ans Aufhören denken. „Ich bleibe, solange es geht“, gibt sie sich fest entschlossen. Aber sie freilich weiß auch, dass einmal Schluss sein muss. Deshalb wird voraussichtlich Tochter Sandra den Laden ab Ende nächsten Jahres weiterführen.

Was „Lotti“ dann mit ihrer vielen Freizeit anfängt, ist ihr bislang unklar. „Darüber zerbreche ich mir jetzt auch noch nicht den Kopf“, sagt sie energisch. Vielleicht bleibt dann mehr Zeit für die Hobbys Musik und Reisen? Mit Reisen beschäftigt sich die gebürtige Kölnerin schon eine ganze Weile. In der Vergangenheit hat sie speziell für ihre Kunden fast 30 Städtetouren per Bus und Flugzeug organisiert. Mit 45 Frauen war sie mindestens viermal an der Ahr. „So hält man die Gäste zusammen“, kommentiert sie lächelnd.

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