Holocaust-Überlebender „Hitlerjunge Salomon“ spricht zu Realschülern in Leverkusen

Leverkusen · Die Nazis töteten seine Eltern und seine Schwester. Sally Perel (96) mahnte Leverkusener Jugendliche, ähnliches Leid zu verhindern.

 Leverkusen kennt Sally Perel bereits, etwa von einer Lesung an der Marienschule 2019. In der Realschule am Stadtpark wurde er digital zugeschaltet.

Leverkusen kennt Sally Perel bereits, etwa von einer Lesung an der Marienschule 2019. In der Realschule am Stadtpark wurde er digital zugeschaltet.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Als „Hitlerjunge Salomon“ ist er vielen bekannt. Auch die meisten Schüler der Zehnerklassen in der Realschule am Stadtpark hatten sich im Vorfeld den bewegenden Film von 1990 über das Schicksal eines jüdischen Jungen angesehen. Seine Eltern und die Schwester sind von den Nazis ermordet worden. Er überlebte durch eine Notlüge, indem er sich glaubhaft als „Volksdeutscher“ Josef ausgab. Sally Perel lebt in Tel Aviv und wird trotz seiner 96 Jahre nicht müde, jungen Menschen als Zeitzeuge seine abenteuerliche Odyssee zu erzählen. Und sie vor allem zu ermahnen, selbst wachsam zu bleiben und aktiv Anteil zu nehmen am öffentlichen Leben – zum Schutz der Demokratie.

Am Mittwoch war er zu Gast in der Leverkusener Realschule, allerdings nur virtuell im Videochat, wo sich auch die Schüler der Zehnerklassen zugeschaltet hatten. Moderiert wurde dieser Vortrag mit anschließender Fragerunde von Konrektorin Beate Schmitt und Geschichtslehrerin Christina Bese. Diese hatte die Begegnung – als Projekt gegen das Vergessen gefördert von der Konrad-Adenauer-Stiftung – eingefädelt.

In diesem Format ließ sich die knisternde Stille, die normalerweise bei seinen Schulbesuchen herrscht, nicht wirklich spüren, sondern allenfalls von den Gesichtern ablesen. „Ich war oft in Deutschland, auch in Leverkusen“, erzählte Sally Perel. Viele Schüler hätten ihn am Ende um Verzeihung gebeten, was ihn sehr bewegte. Er antworte stets: „Ich habe der deutschen Jugend nichts zu verzeihen. Ihr seid auf keinen Fall schuldig für diese Verbrechen. Aber ihr werdet euch schuldig machen, wenn so etwas wieder passiert.“ Jeder müsse dazu beitragen, Neonazismus zu verhindern, „durch Aufklärung der Wahrheit“.

Bevor er sich den Fragen der Jugendlichen stellte, erzählte Perel ganz in Ruhe seine persönliche Geschichte, geboren als Sohn eines Rabbiners in Peine. Als er zehn Jahre alt war zerstörten Nazis das Geschäft seiner Familie, die nach Osten flüchtete. Als die Wehrmacht polnisches Gebiet erreichte, schickten die Eltern Sally und seinen Bruder – den er später als Überlebenden von Dachau wieder traf – in die Sowjetunion.

„Du sollst leben!“, waren die letzten Worte seiner Mutter. Daran erinnerte sich Sally blitzartig, als er sich bei der Festnahme durch deutsche Soldaten überzeugend als Josef Periell ausgab. Er wurde als Dolmetscher eingesetzt, dann schickte man ihn für dreieinhalb Jahre in die Braunschweiger Hitlerjugend-Schule, wo ihm das Nazi-Gedankengut so „ins Gehirn eingetropft“ wurde, dass er heute feststellt: „Ich hörte auf eine Rolle zu spielen.“ Zu Kriegsende sogar an der Front.

Nach Befreiung und Übersiedlung nach Israel habe er 40 Jahre lang geschwiegen und alle Energie auf das neue Leben verwandt. Losgelassen hat es ihn nie, deswegen schrieb er schließlich sein Buch, „als Selbsttherapie.“ Eine Notlüge habe ihm damals das Leben gerettet und dabei habe er sich geschworen: Wenn ich das überlebe, werde ich Botschafter des Friedens.

Das ist er bis heute, nicht nur durch sein Buch „Ich war Hitlerjunge Salomon“ und seine Zeitzeugen-Berichte, sondern auch als Mitglied der israelischen Friedensbewegung. Zum aktuellen Nahost-Konflikt hat er eine klare Haltung, die er den Zehntklässlern erläuterte: Die einzige Lösung für Frieden sei Räumung aller Siedlungen auf Palästinensergebiet. Israel müsse seiner Meinung nach auf die Besatzungsideologie verzichten, zurückkehren zu den Grenzen von 1967 und einen unabhängigen Staat Palästina mit Hauptstadt Ostjerusalem anerkennen. „Alles andere ist Kosmetik und wird nie zu Frieden führen.“ Zu den Schülern: „Ich habe euch zu Zeitzeugen gemacht, gebt ihr das weiter an eure Kinder und Kindeskinder.“

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