Leverkusen "Saida" oder das Werben um mehr Menschlichkeit

Leverkusen · Nach Schüssen und Bombendonner ist plötzlich Stille. Ein Scheinwerfer richtet sich auf ein Mädchen, das zusammengekrümmt auf der Bühne liegt. Eine Helferin schafft es kaum, eine schützende Decke über sie zu breiten, da hat sich schon eine Journalistin vorgedrängelt. "Warst du auch auf dem Schiff? Hast du jemanden sterben sehen?" Aber sie bekommt keine Antworten, denn Saida ist verstummt. "Posttraumatische Belastungsstörung" wird eine Psychologin später diagnostizieren.

 Ein harter Stoff, den sich die Marienschüler für ihr Stück "Saida" ausgesucht - und jetzt sehr bewegend aufgeführt haben.

Ein harter Stoff, den sich die Marienschüler für ihr Stück "Saida" ausgesucht - und jetzt sehr bewegend aufgeführt haben.

Foto: Ralph Matzerath

Aber die Zuschauer im Forum-Studio dürften schon gleich am Anfang geahnt haben, welcher Art die Erlebnisse waren, die Saida aus der Bahn geworfen haben. Eine 14-köpfige Schülergruppe der Jahrgangsstufe neun hat sich in der Marienschule intensiv mit der Flüchtlingsthematik auseinandergesetzt. Unter der Leitung von Lehrerin Susann Falter hat der Differenzierungskursus "Szenisches Spiel" die Geschichte von "Saida - Eine von 1.164.269" als Theaterstück geschrieben. In der Schulaula wurde es bereits aufgeführt, aber für die Vorstellung im Programm der Schul- und Jugendtheatertage mussten noch einmal Lösungen gefunden werden. Unter anderem weil es im Studio keinen Vorhang gibt, mit dessen Hilfe sich die Szenen voneinander trennen lassen. Hier wurde auf offener Bühne umgebaut, ohne Licht und in Windeseile, um einen Spannungsabfall zu vermeiden.

Im Publikum saßen am Montagvormittag vorwiegend Schüler des Berufskollegs, die nur wenig älter sind als das 13-jährige Mädchen aus Syrien, das auf der Flucht über das Mittelmeer seine Familie verloren hat. Festgemacht an dieser einen Person, für die Zuschauer schon bald Sympathie empfinden, wurde die Gesamtproblematik angerissen. Nicht nur die hoffnungslose Situation junger Familien in Syrien, die Flucht als letztes Mittel sehen, oder das verbrecherische Vorgehen der Schlepper. Beides wurde in Rückblick-Szenen gezeigt, während Saida in Deutschland mit neuen Problemen zu kämpfen hat. Eines heißt Frau Schmidt, eine kühle Beamtenseele, die nur an der ordnungsgemäßen Abwicklung von Asylfällen interessiert ist. Oder radikale Jugendliche, die grundsätzlich auf Fremde losgehen. Die Marienschüler haben es mit ihrer schnellen Szenenfolge geschafft, für mehr Menschlichkeit und Verständnis zu werben.

Heute, 27. Juni, 19.30 Uhr, wird das Festival mit einer Premiere im Forum fortgesetzt: "Performing Landscapes - Skizzen" des Schlebuscher Tanztheaters.

(mkl)
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