Leverkusen Rat noch ratlos über Flüchtlingshäuser

Leverkusen · Der Stadtrat packt das Thema "Flüchtlingsheime an der Pommernstraße" zunächst nicht an. Eine Bürgerin hält dem neuen Stadtchef seine Wahlkampfversprechen vor Augen. Sie warnt davor, das Wohngebiet nicht zu überlasten.

 Das Areal "Zur alten Fabrik" neben Edeka Blondrath: Hier plant der private Investor vier Häuserblocks, in denen 800 Flüchtlinge leben sollen.

Das Areal "Zur alten Fabrik" neben Edeka Blondrath: Hier plant der private Investor vier Häuserblocks, in denen 800 Flüchtlinge leben sollen.

Foto: Uwe Miserius

Zuerst sollten 800 Flüchtlinge in Häuser an der Pommernstraße untergebracht werden, dann waren es nur noch 200 - nun ist das Thema erst einmal von der Tagesordnung der nächsten Ratssitzung am Montag genommen worden. Die Bezirksvertretung II hatte die Empfehlung an den Stadtrat verabschiedet, nur maximal 200 und nicht 800 Flüchtlinge für die Heime an der Pommernstraße vorzusehen, die ein Privatinvestor dort auf seinem Grundstück erbauen möchte. Eine Bürgerinitiative hatte in der Sitzung eine Unterschriftensammlung vorgelegt und ebendiese Maximalbegrenzung gefordert.

Inzwischen liegt Oberbürgermeister Uwe Richrath ein offener Brief der Leverkusenerin Stephanie Röttgen vor. Sie schreibt: "Integration und Willkommenskultur wird von Nachbarschaften gelebt und getragen und nicht von Großinvestoren!" Sie hält dem Bürgermeister vor, in seinem Wahlkampf für Transparenz und Offenheit geworben zu haben und nun anders zu agieren: "Wenn die Bürger erst einbezogen werden, wenn die Beschlüsse im Rat bereits getroffen sind, dann ist dies keine demokratische Einbeziehung.... Das hat mit Transparenz und Offenheit nichts zu tun. Ich glaube aber, gerade die Flüchtlingsfrage... kann nicht im Alleingang der städtischen Verwaltungen gelöst werden", schreibt die Leverkusenerin.

Und sie hält Richrath seine Wahlkampfaussage zu Bauen und Wohnen vor: "Ich denke, dass wir in diesen nachbarschaftlichen Strukturen und in der bunten Vielfalt auch eine moderate und maßvolle Anzahl von Flüchtlingen aufnehmen und integrieren können. Das angesprochene Bauvorhaben wird jedoch in der geplanten Dimension und Größenordnung alles übersteigen, was dieser Wohn- und Sozialraum zu leisten im Stande ist." Richrath habe als sein Ziel formuliert, die Stadtentwicklung nicht privaten Großinvestoren zu überlassen: "Ich wundere mich nur, warum man diesen Grundsatz bei diesem Bauprojekt und in der Flüchtlingsfrage nicht mehr berücksichtigt. Warum geht man hier zugunsten eines einzelnen Privatinvestors den Weg, Gewerbegebiete aufzugeben?", fragt Röttgen.

Der Oberbürgermeister hält ihr auf Nachfrage unserer Redaktion entgegen: "Die Prognose für 2016 besagt, dass 1800 Flüchtlinge nach Leverkusen kommen werden, die wir unterbringen müssen." Daher komme das Angebot des Grundstücksbesitzers der Stadt sehr entgegen, eine Flüchtlingsunterkunft "in solcher Größenordnung" zu bauen. Dem Mann gehe es nicht in erster Linie um Gewinn: "Die Familie sieht sich in der Tradition, sich gesellschaftlich in die Pflicht zu nehmen." Der Rat solle am 18. Dezember den Grundsatzbeschluss fällen. Und vor Vertragsabschluss mit dem Grundstückseigentümer werde es eine Bürgerbeteiligung geben, verspricht der Oberbürgermeister.

"Die Stadt hat den Schlüssel planungsrechtlich in der Hand, den Grundstücksbesitzer zum Millionär zu machen", sagt Dr. Walter Mende, der einen der Nachbarn juristisch vertritt.: "Dann könnte ja jeder einen Wolkenkratzer in ein Gewerbegebiet bauen, ihn zunächst mit Flüchtlingen besetzen. Das Land zahlt ein Drittel der Baukosten. Und er bekommt noch eine Mietgarantie.". Außerdem begebe sich die Stadt in ein prozessuales Risiko ohne ein Gutachten über die Altlasten auf diesem Grundstück, wo 2010 ein Kindergarten deshalb habe nicht gebaut werden dürfen.


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(RP)
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