Leverkusen Raimund Gietzen, der radelnde Bezirkschef

Leverkusen · Nach 20 Jahren Bezirksvorsteher und 25 Jahren Ratsarbeit verabschiedet sich Gietzen in den politischen Ruhestand.

 Demonstrationen und Bürgernähe: Der ehemalige Bezirksvorsteher Raimund Gietzen nahm sich meist unaufgeregt den Anliegen der Bürger an.

Demonstrationen und Bürgernähe: Der ehemalige Bezirksvorsteher Raimund Gietzen nahm sich meist unaufgeregt den Anliegen der Bürger an.

Foto: Miserius (Archiv)

Fast immer wenn Raimund Gietzen sich in den vergangenen 20 Jahren auf sein Fahrrad geschwungen hat, geschah dies nicht nur aus Spaß an der Bewegung in der frischen Luft: "Ich habe immer beobachtet, was sich in meinem Bezirk Neues tut", berichtet er.

Und da Gietzen als Vorsteher des Leverkusener Stadtbezirks III quasi von Amts wegen ein geschultes Auge hatte, endete so mancher Fahrradausflug mit einem Anruf bei der Stadtverwaltung. "Ich habe den zuständigen Mitarbeitern Auffälligkeiten gemeldet - und die waren meist sehr froh, dass ich diesen direkten Weg gewählt habe und nicht wie andere erst großartig schriftliche Anträge formulierte, die dann nur unnötig Kräfte binden", erinnert sich der Politiker.

Unaufgeregt, kompetent, kollegial - diese drei Attribute werden auf jeden Fall herausgestellt sein, wenn Raimund Gietzen am morgigen Mittwoch nach nunmehr 20 Jahren als Bezirksviorsteher in den politischen Ruhestand verabschiedet wird.

Sein Nachfolger Frank Schönberger sprach kurz nach seiner Wahl bereits von "großen Fußstapfen", die sein CDU-Parteikollege in dieser Funktion hinterlassen habe. Wer von Gietzen geleitete Sitzungen der Bezirksvertretung besuchte, konnte stets sicher sein, sachliche Diskussionen zu erleben, die nicht ausuferten oder gar - wie im Stadtbezirk I - gar in wüste Beschimpfungen mündeten.

Sein Geheimrezept verriet der Polit-Pensionär jetzt im Gespräch mit unserer Zeitung: "Bei heiklen Themen habe ich die Hauptakteure auch schon mal vor der Sitzung zusammengerufen und mit ihnen Kompromisslinien ausgelotet." Oft erfolgreich. Dabei hätte es Gietzens Bezirkskarriere um ein Haar gar nicht gegeben. "Als ich 1989 in den Stadtrat gewählt wurde, habe ich meinen Sitz in der Bezirksvertretung aufgegeben", erinnert sich der heute 75-Jährige. 1994 sei dann jedoch ein Nachfolger für den damaligen Bezirksvorsteher Josef Müller gesucht worden - und als der ausgeguckte Kandidat plötzlich zurückzog, "fragte man mich, ob ich nicht einspringen könne".

Gietzen sprang ein: 20 Jahre lang. Besonders gerne erinnert er sich an die alljährlichen Weihnachtsfeiern der Bezirksvertretung. "Geld dafür gab es nicht - aber jeder hat etwas beigesteuert, und dann haben wir die Stadtmitarbeiter, mit denen wir übers Jahr zu tun hatten, immer eingeladen", erinnert sich Gietzen. Manch ein vertrauensvoller und nützlicher Kontakt sei so entstanden.

Große Ämter haben Raimund Gietzen nach eigener Aussage nie gereizt. Er genoss die Arbeit im Bezirk, "weil man da dem Bürger ganz nah ist. Egal, welche Partei man nun vertritt. Es geht fast immer um Alltagsdinge."

Vielleicht hat aber auch die tiefe Verwurzelung in der Familie Gietzen immer die nötige Bodenhaftung beschert. Zwei erwachsene Kinder, vier Enkel und drei Urenkel hat er mittlerweile. "Und alle sind wir Bayer 04-Fans", sagt er und lacht. Bei Heimspielen sitzen diverse Gietzen-Generationen auf der Tribüne, und auch so manche Auswärtsfahrt tritt der Familien-Fanclub an.

Ähnlich wohl fühlt sich Raimund Gietzen aber auch in seiner Heimat an der Mosel. Dort, mit Blick auf Deutschlands steilste Weinberge und dem Fluss zu seinen Füßen, fällt dem Leverkusener das Loslassen von der Politik besonders leicht.

Und Fahrräder soll es an der Mosel ja bekanntlich auch geben.

(RP)
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