Leverkusen hat großen Nachholbedarf bei Radwegen Guter Radverkehr kostet bis zu drei Millionen im Jahr

Leverkusen · Tatsächlich betrug der Etat für die Sanierung der Radwege deutlich weniger. Gemäß Radverkehrsplan weist das Wegenetz in Leverkusen Lücken auf.

 Ein Radler fährt gegen die Einbahnstraße — die Altstadtstraße in Leverkusen ist für Menschen auf dem Rad eng.

Ein Radler fährt gegen die Einbahnstraße — die Altstadtstraße in Leverkusen ist für Menschen auf dem Rad eng.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Die Leverkusener verlassen das Haus hauptsächlich für kurze Wege. Dennoch setzen sich die meisten dafür ins Auto, hat die Stadtverwaltung festgestellt. Sie will die Bürger deshalb dazu motivieren, sich häufiger aufs Rad zu setzen. Dafür müssen allerdings erst die nötigen Voraussetzungen geschaffen werden.

Wie fahrradfreundlich ist Leverkusen im Moment?

Gemäß dem Nationalen Radverkehrsplan 2020 gilt die Chemiestadt in Sachen Radverkehr als „Aufsteiger“. Das ist immerhin eine Stufe über dem „Einsteiger“, aber auch eine Stufe unter dem „Vorreiter“. Die Radfahrer machen demnach nur zehn bis 25 Prozent des Gesamtverkehrs aus. Das Radwegenetz weist Lücken auf. Auf vielen Straßen gibt es überhaupt noch keine Radwege.

 ADFC-Sprecher Kurt Krefft.

ADFC-Sprecher Kurt Krefft.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Leverkusen wird deutlicher: „Radwege müssen ausreichend breit, gut ausgebaut und sicher sein. Und das ist die Mehrzahl der Radwege in Leverkusen nicht“, sagt Sprecher Kurt Krefft.

Wie oft sind Radfahrer in Unfälle verwickelt?

Im vergangenen Jahr war dies laut Polizei 179 Mal der Fall. Das waren 20 Radfahrunfälle mehr als im Jahr 2018. 28 Radfahrer wurden dabei schwer verletzt, zwei starben: Im Januar 2019 wurde ein 39-Jähriger an der Kreuzung Im Eisholz/Robert-Blum-Straße morgens überfahren. Im Oktober überrollte ein Sattelzug ein elfjähriges Mädchen, das am Willy-Brandt-Ring/Elisabeth-Langgässer-Straße auf dem Weg zur Schule war. An diese beiden Orte soll am 20. Mai auch der „Ride of Silence“ des ADFC führen, eine stille Gedenkfahrt an schwer verunfallte oder getötete Radfahrer. „Wir hoffen, dass wir noch mehr Unfalldaten von der Polizei bekommen, damit wir noch an weiteren Stellen im Stadtgebiet zum Gedenken von Unfallopfern anhalten können“, sagt Kurt Krefft.

Zuwächse gibt es nach Angaben der Polizei auch bei den Unfallzahlen mit Pedelecs. 20 Fahrer verunglückten im vergangenen Jahr. 2018 waren es nur neun. „Die Geschwindigkeit eines Pedelecs wird von anderen Verkehrsteilnehmern häufig unterschätzt“, sagt Verkehrsdirektor Werner Gross.

Wo sind in Leverkusen gefährliche Ecken für Radfahrer?

„Ich weiß von einem schweren Unfall im August am Willy-Brandt-Weg/Ecke Stixchesstraße, bei dem zwei Fahrradfahrer zusammengeprallt sind“, berichtet der ADFC-Sprecher. Die Ecke sei aufgrund einer Hecke und eines Schaltkastens für die Ampel schlecht einsehbar. „Der Schaltkasten müsste versetzt werden, was aus Laiensicht auch möglich wäre.“ Die Hecke sei in der Zwischenzeit bereits gestutzt worden.

Auf zwei Landstraßen mit Tempo 70 — der Solinger Straße zwischen Rheindorf und Opladen sowie teilweise auf der Odenthaler Straße – sei die Lage kritisch, weil sich Radfahrer dort nun zusammen mit den Autos auf die engen Straßen wagen müssten. Denn die Pflicht zur Radwegebenutzung sei dort aufgehoben worden.

Ein Problem sei auch das Ende der Balkantrasse auf dem Park-and-Ride-Parkplatz am Bahnhof Opladen. Parkplatzsuchende würden die Radler oft zu spät sehen, das habe sich auch bei einem Ortstermin gezeigt. Dabei ließe sich mit einfachen und preiswerten Mitteln die Aufmerksamkeit erhöhen und die Unfallgefahr mindern, meint Krefft. „Man müsste direkt an der Einfahrt ein Schild in Augenhöhe anbringen, das die Autofahrer auf den Radfahrer hinweist. Und man könnte die Autofahrer verpflichten, rückwärts einzuparken, damit sie abends beim Ausparken die Radfahrer besser im Blick haben.“

Krefft kritisiert: „Seit dem Tod unseres früheren Vorsitzenden im Jahr 2017 wird der ADFC nicht mehr zu den Treffen der Unfallkommission geladen.“ In dem Gremium sprechen unter anderem Vertreter von Polizei, Ordnungs- und Planungsamt, Bezirksregierung sowie der Landesbetrieb Straßenbau über Gefahrenstellen im Verkehr im Stadtgebiet.

Wie kann Leverkusen fahrradfreundlicher werden?

Der Fahrrad-Club fordert grundsätzlich Radwege, die den geltenden Normen entsprechen. Das ist auch im Handlungskonzept des „Mobilitätskonzepts 2030+ Leverkusen“ festgehalten. Radfahrer zusammen mit Autos auf der Straße auf Radfahr- oder Schutzstreifen zu führen, sei heute Stand der Technik. In vielen Fällen sei dies auch problemlos umzusetzen. In wenigen Fällen bedeute die Anlage von Radwegen jedoch, dass einzelne Auto-Fahrspuren oder Abbiegespuren oder auch Parkstreifen wegfallen müssten.

Wer den Radverkehr fördern wolle, müsse in diesen Fällen den Radlern den Vorrang geben.  „Hierzu ist ein politisch abgestimmter Konsens als Leitlinie notwendig“, heißt es in dem Handlungskonzept. Und hier sieht Kurt Krefft das Hauptproblem. Denn seiner Meinung nach haben Radfahrer in der Leverkusener Politik so gut wie keine Lobby.

Dies zeige sich auch am Fahrradparkhaus am Bahnhof Opladen, das Ende des Jahres fertig sein soll. Es ist nach Meinung des ADFC durchaus eine Verbesserung. Allerdings sei es zu klein. Es sei am Ende aber nur die kleine Fläche übriggeblieben, weil die Verantwortlichen allen anderen Planungen den Vorrang gegeben hätten.

Dabei ist das Potenzial da, mehr Bürger aufs Rad zu bekommen, hat die Stadt selbst festgestellt. Das liegt auch an der zunehmenden Beliebtheit motorisierter Räder, insbesondere bei älteren Menschen. Im Jahr 2016 haben laut Stadt bereits 13 Prozent der Haushalte ein Pedelec oder E-Bike besessen.

E-Scooter werden zurzeit noch nicht in Leverkusen zum Verleih angeboten. „Eine Ausweitung des Marktes der Leihanbieter auch auf Großstädte mittlerer und kleinerer Größe gilt aber als durchaus wahrscheinlich“, heißt es im „Mobilitätskonzept 2030+“. „Daher werden im Handlungsfeld Radverkehr auch diese neuen Konzepte der Mikromobilität betrachtet.“

Wie teuer wäre es, den Radverkehr besser auszubauen?

Im „Mobilitätskonzept“ wurde ein jährlicher Etat von zwei bis drei Millionen Euro jährlich errechnet. Sie seien nötig für Neubau und Unterhalt von Radwegen, Abstellanlagen, Fahrradstationen und Fahrrad-Verleihsystemen. Der Etat für die Sanierung der Radwege betrug in den letzten Jahren jedoch nur 150.000 Euro jährlich, bedauert der ADFC.

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