Leverkusen "Polizei muss Kürprogramm streichen"

Leverkusen · Interview Rüdiger Thust (Bund Deutscher Kriminalbeamter) über die Personalnot der Polizei Leverkusen/Köln.

Leverkusen/Köln Die Entscheidung des NRW-Innenministeriums, die Polizei Leverkusen/Köln im Rahmen der jährlichen Personalzuweisung nicht spürbar zu entlasten, erfordert nach Auffassung der Kripogewerkschaft BDK jetzt Konsequenzen innerhalb des Kölner Präsidiums. Der BDK-Bezirksvorsitzende Rüdiger Thust erläutert im Interview, was getan werden muss, um die Polizei trotz der angespannten Personalsituation weiterhin schlagkräftig zu halten.

Rund 250 Beamte werden zum 1. September 2011 die Kölner Polizei verlassen (Pension, Versetzungen etc.). Die Lücken werden zwar geschlossen, zusätzliche Stellen soll es aber nicht geben. Muss die Polizei in Leverkusen und Köln jetzt die Waffen strecken?

Thust Das muss sie sicher noch nicht. Aber sie muss reagieren. Die Kriminalität ist bei uns nach wie vor auf hohem Niveau und steigt in Teilbereichen sogar weiter an — ich denke da an Wohnungseinbrüche oder auch an Taschendiebstähle. Deshalb muss, so bitter dies auch sein mag, in der nächsten Zeit das polizeiliche Kürprogramm vernachlässigt und stattdessen in das Pflichtprogramm investiert werden.

Was verstehen Sie unter Pflicht und Kür?

Thust Zur Pflicht gehört es, den Wach- und Wechseldienst personell vernünftig auszustatten. Auch schnelle Reaktionszeiten müssen wir sicherstellen. Der Bürger, der die Polizei ruft, muss merken, dass ihm schnell geholfen wird und zwar zu allen Tages- und Nachtzeiten, das ist ganz wichtig. Und zur Pflicht gehört auch, dass der Bürger, der Opfer einer Straftat geworden ist, auf eine schlagkräftige und professionelle Kriminalpolizei trifft, die alles daran setzt, den oder die Täter zu ermitteln.

Womit wir bei der Kür wären

Thust Das klingt natürlich etwas provokant. Aber wenn die personelle Unterstützung ausbleibt, ist es allerhöchste Zeit, so schnell wie möglich alle Aufgaben und Tätigkeitsfelder, mit denen sich die Kölner Polizei beschäftigt, auf den Prüfstand zu stellen. Im Polizeipräsidium (PP) Köln gibt es beispielsweise immer wieder neue Projekte und Arbeitsgruppen. Da muss man dann mal für zwei Jahre auf die eine oder andere verzichten. Es ist auch nicht jede Fortbildungsmaßnahme zwingend notwendig. Und dann gibt es ja noch den Personaleinsatz von Schutz- und Kriminalpolizei bei Großereignissen — ich denke nur an den FC oder Bayer Leverkusen. Auch da ist zu prüfen, ob die Veranstalter nicht stärker in die Pflicht genommen werden können.

Werden Sie da nicht auf großen Widerstand stoßen?

Thust Das mag vielleicht sein, aber was bleiben uns denn für Möglichkeiten? Wenn ich etwa den Kripo-Bereich nehme: Wir verzeichnen etwa 150 000 Straftaten pro Jahr im Zuständigkeitsbereich des PP Köln. Kriminalität nur noch verwalten zu können, ist angesichts dieser Zahlen einfach nicht hinnehmbar. Wir müssen die Ermittlungsarbeit stärken. Das geht nicht ohne genügend qualifiziertes Personal. Und wenn ich die Leute nicht vom Innenministerium zugeteilt bekomme, muss ich sie eben irgendwo abziehen. Es muss unser aller Ziel sein, die Funktionsfähigkeit der Kölner (Kriminal-)Polizei zu erhalten. Der Polizeipräsident wird sich zusammen mit seinen Direktionsleitern dieser gewiss nicht leichten Aufgabe stellen müssen. Wir als BDK wollen dabei gerne behilflich sein.

Selbst wenn Ihre Forderungen erfüllt werden — wie lange kann es ohne personellen Zuwachs überhaupt noch weitergehen?

Thust Die Kölner Kripo braucht dringender denn je kurz- bis mittelfristig eine spürbare Personalverstärkung, mindestens jenseits der Zahl 50, um ihren gesetzlichen Auftrag professionell wahrnehmen zu können. Und auch um der Überalterung vorzubeugen. Angesichts von gerade mal sechs von rund 800 unserer Ermittler, die jünger als 30 Jahre sind, ist klar, wie kritisch die Situation ist.

(RP)
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