Leverkusen Polizei fährt keine Streife mehr

Leverkusen · Die Personalnot bei der Polizei ist offenbar mittlerweile so groß, dass die Streifenwagenbesatzungen in Leverkusen nur noch von Einsatz zu Einsatz jagen müssen. Gewerkschafter sagen: "Die Polizei hängt am Tropf".

Wer in Leverkusen in diesen Tagen einen Streifenwagen auf der Straße sieht, kann davon ausgehen, dass die Beamten im Fahrzeug gerade auf dem Weg zu einem Einsatz sind. Denn "normale Streifenfahrten", bei denen die Polizisten an bestimmten problematischen Orten einfach mal Präsenz zeigen, gibt es nach Aussagen der Polizeigewerkschaft GdP de facto nicht mehr.

"Diese Fahrten sind nicht etwa per Dienstanweisung abgeschafft worden", erzählt Gerd Diefenthaler, der zuständige GdP-Bezirkssprecher: Vielmehr sei die personelle Ausstattung inzwischen so dramatisch, dass einfach keine Zeit mehr dafür bleibe: "In dem Moment, wo die Beamten auf den Knopf drücken, der sie wieder als einsatzbereit ausweist, jagt die Leitstelle sie auch schon wieder zum nächsten Tat- oder Unfallort raus."

Die Not ist demnach mittlerweile so groß, dass eingehende Anrufe nach Wichtigkeit aufgelistet und dann nach und nach abgearbeitet werden. "Die Standard-Frage, ob es bei einem Unfall Verletzte gibt, hat längst nicht mehr nur den Hintergrund, sofort den Rettungsdienst rausschicken zu können", erläutert Diefenthaler. Sie diene vor allem auch dazu, ein Prioritäten-Ranking zu erstellen: "Und da liegt der einfache Unfall mit Blechschaden dann eben auch schon mal eine Stunde lang hinten."

Abgezogen zur Kripo

Der Kölner GdP-Vorsitzende Dirk Mäske hat bereits vor einigen Wochen massive Kritik an einem Personal-Verwendungskonzept geübt, für das sich Polizeipräsident Klaus Steffenhagen am 23. November entschieden hat und das bis August 2010 gelten soll.

Es sieht demnach unter anderem Umsetzungen von elf Kollegen aus der Direktion Zentrale Aufgaben (Bereitschaftspolizei) in den einfachen Wachdienst (Direktion Gefahrenabwehr Einsatz, Einsatzbewältigung) vor. Weitere zehn Polizeibeamte sollen dafür außerdem aus einem Kriminalkommissariat abgezogen werden. Und aus verschiedenen Kriminal-Inspektionen sollen Polizisten zusätzlich für "temporäre Unterstützung" bei regionalen Kriminal- und Unfallkonferenzen oder dem Anzeigenspätdienst an bestimmten Standorten sorgen.

"Die Entscheidung des Behördenleiters zeigt, dass die Polizei Köln längst am Tropf hängt", kommentierte Gewerkschafter Mäske seinerzeit. Denn auch die "kunstvolle Anwendung der Mengenlehre" helfe nicht mehr: "Wenn in einem Raum vier Leute sind und fünf werden rausgeschickt, dann muss einer wieder rein, damit niemand drin ist."

Dabei ist nicht etwa Steffenhagen der Adressat der Kritik, wie GdP-Sprecher Diefenthaler betont: "Die Mangelverwaltung wird uns und anderen Präsidien im Land ja von NRW-Innenminister Ingo Wolf auferlegt." Der nehme wie auch diverse seiner Vorgänger von anderen Parteien in Kauf, dass ganze Abteilungen regelrecht ausbluteten.

Rüdiger Thust ist stellvertretender Landesvorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter (BdK) und Dienstellenleiter bei der Polizei Köln. Er sagt: "Auch bei der Kriminalpolizei kommen nicht mehr genug junge Leute nach." Wer eine Kripo-Karriere anstrebe, müsse mittlerweile erst mal sieben Jahre bei der Schutzpolizei arbeiten — auch eine Idee aus Düsseldorf.

Im Innenausschuss des Landtags soll heute ein Expertengespräch zur Personalproblematik stattfinden. Vorab hatte das Ministerium auf Anfrage der Grünen aber schon einmal neue Zahlen zum Krankenstand bekanntgegeben. Ergebnis: Jeder fünfte Polizist in NRW ist statistisch gesehen länger als sechs Wochen im Jahr arbeitsunfähig.

Gerd Diefenthaler wundert das nicht: "Weil nicht genug Nachwuchs eingestellt wird, wird natürlich auch die Belegschaft immer älter", sagt er. Und der ständige Druck durch die Personalnot sei bekanntlich auch nicht gerade gesundheitsfördernd.

(RP)
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