Maggiwolke über dem Rheinland Polizei ermittelt bei Neusser Chemie-Firma

Neuss · Eine Gestank-Wolke ist am Dienstag über das Rheinland gezogen. Anwohner klagten über Brechreiz und Atemnot, die Polizei wurde eingeschaltet. Stunden vergingen, bis klar wurde, dass die Neusser Firma Silesia den Geruch verursacht hatte.

Maggi-Gestank in Köln: Feuerwehr nimmt Luftproben
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Maggi-Gestank in Köln: Feuerwehr nimmt Luftproben

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Normalerweise riecht der Qualm, der aus dem 40 Meter hohen Schornstein des Neusser Chemiewerks Silesia steigt, nach Erdbeeren und Lakritz. Gelegentlich auch ganz leicht nach Maggi. Daran haben sich die Anwohner längst gewöhnt. Doch der Duft, der dort gestern in die Luft geblasen wurde, löste bei vielen Menschen im Rheinland Übelkeit aus. "Der Gestank war ganz schön extrem", sagt Susanne Reiter, die nicht weit von der Fabrik entfernt im Süden von Neuss wohnt.

Bis nach Köln und Düsseldorf roch es den ganzen Tag über nach Liebstöckel, das auch Maggikraut genannt wird. In Köln musste sogar ein Mitarbeiter des Bürgeramts mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht werden, weil ihm von dem Geruch extrem übel geworden war. Grund für die Geruchsbelästigung war laut Silesia ein Destillationsprozess, bei dem es in der Nacht zu Dienstag zum Austritt des Aromastoffs Sotolon gekommen war. Der Stoff, der nicht gesundheitsschädlich sei, werde schon bei "äußerst geringen Einsatzmengen als intensiv nach Curry und Liebstöckel oder Bockshornklee riechend wahrgenommen", teilte der Konzern mit.

Der Landrat wusste von nichts

Besonders stark betroffen von der Geruchsbelästigung war zunächst die Stadt Köln. "Durch den starken Nordwind wurde der herzhafte Mief am Morgen zu uns getragen", sagte ein Feuerwehrsprecher. Von dort aus zog die Wolke über Leverkusen, Dormagen zurück nach Neuss und schließlich bis nach Düsseldorf, wo sie sogar in der Innenstadt zu riechen war. Erst am Abend verflüchtigte sich der Gestank allmählich.

Bis in die Mittagsstunden war nicht bekannt, wo der Geruch herkam. Die Kölner Feuerwehr war es schließlich, die um 13.55 Uhr erklärte, dass der Geruch aus dem Neusser Chemiewerk stammte. Der eigentlich zuständige Rhein-Kreis hatte diese Information zu diesem Zeitpunkt noch nicht gehabt, obwohl selbst dem Landrat Hans-Jürgen Petrauschke, dem im Auto auf dem Weg nach Köln aufgefallen war, dass es "ganz komisch nach geschnittenen Zwiebeln" roch.

Lokalpolitiker wie etwa der Landtagsabgeordnete Hans Christian Markert (Grüne) forderten politische Konsequenzen: "Es darf nicht sein, dass die Stadt Köln die Gestank-Ursache schneller ermittelt als der Rhein-Kreis und die Stadt Neuss", so Markert. "Die Hinweiskette muss sich dringend verbessern, sonst droht im Ernstfall möglicherweise Gesundheitsgefahr."

Das Unternehmen kennt sich aus mit Beschwerden

Weil viele Anwohner in der Region über Atembeschwerden klagten, ja sogar der Verdacht auf ein Umweltdelikt bestand, nahm auch die Neusser Polizei die Ermittlungen auf. Ein Gutachter der Kriminalpolizei untersuchte den Betrieb. Ergebnisse sollen frühestens heute vorliegen. "Eine strafrechtliche Relevanz können wir zumindest noch nicht ganz ausschließen", sagte ein Polizeisprecher.

Die ersten Beschwerden von besorgten Menschen waren schon am frühen Morgen beim Gesundheitsamt des Rhein-Kreises eingegangen. So stark sei die Belastung gewesen, dass viele über Brechreize klagten, teilte die Behörde mit. In Dormagen und Leverkusen vermuteten Anwohner anfangs, die Gestankquelle könnte vom Leverkusener Chempark (früher Bayerwerk) herübergeweht sein. "Wir haben die Hinweise sehr ernst genommen und an den Standorten Leverkusen und Dormagen Luftmesswagen rausgeschickt", sagte ein Unternehmenssprecher.

Der Gesundheitsdezernent des Rhein-Kreises, Karsten Mankowsky, verwies auf die Verantwortung des Unternehmens, die Anwohner des Chemiewerks besser vor solchen Geruchsbelästigungen zu schützen. Denn dem Konzern Silesia sind Beschwerden über stinkende Wolken nicht unbekannt. In der zweiten Produktionsstätte des Unternehmens in Kalkar am Niederrhein hatte es erst im vergangenen Jahr derart gestunken, dass sich dort eine "Bürgerinitiative gegen Aroma-Immissionen" bildete. Silesia verwies damals — ebenso wie heute — darauf, "höchsten Umweltstandards" verpflichtet zu sein.

(pst)
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