Leverkusen "Politisch macht Prozenthürde Sinn"

Leverkusen · Neun verschiedene politische Gruppierungen saßen nach der letzten Kommunalwahl im Leverkusener Stadtrat. Nach den Abgängen bei der Linken (Manuel Lindlar) und OP plus (Dr. Uwe Becker) sind es nun elf. Wie zielgerichtet lässt sich angesichts solch einer Zersplitterung des Kommunalparlaments noch arbeiten? Muss die Fünf-Prozent-Hürde wieder her?

 Muss am kommenden Montag, 24. September, elf Fraktionen, Gruppierungen und Einzelvertreter im Rat durch die Sitzung führen: Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn. Bisher waren es "nur" neun.

Muss am kommenden Montag, 24. September, elf Fraktionen, Gruppierungen und Einzelvertreter im Rat durch die Sitzung führen: Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn. Bisher waren es "nur" neun.

Foto: Ralph MAtzerath (Archiv)

Fragen, die unsere Zeitung Prof. Dr. Thomas Poguntke gestellt hat — dem Direktor des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung. Er ist Lehrstuhlinhaber an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Herr Prof. Dr. Poguntke, ein in elf "Teile" zersplitterter Stadtrat — wie ungewöhnlich ist das für eine nordrhein-westfälische Großstadt?

Poguntke Ich kann das zwar nicht mit Zahlen belegen, wage aber zu behaupten, dass eine derart breite Zusammensetzung eines Stadtrats hierzulande schon sehr ungewöhnlich ist, auch wenn ein Trend in diese Richtung seit einiger Zeit zu beobachten ist.

Stadtrats-Sitzungen sind nicht zuletzt auch durch die vielen Gruppierungen oft zäh bis nervtötend. Muss Demokratie so etwas aushalten — oder sollte eine Sperrklausel wie die frühere Fünf-Prozent-Hürde wieder eingeführt werden?

Poguntke Mit einer Sperrklausel hat man verfassungsrechtliche Probleme. Das Verfassungsgericht NRW hat die Fünf-Prozent-Hürde 1999 ja bewusst infrage gestellt, um die Chancengleichheit gerade auch im Hinblick auf kleinere Gruppierungen zu stärken. Insofern muss Demokratie eine solche Situation aushalten. Sie tut es auch. Ein derart breit besetzter Stadtrat mag für uns in Deutschland ungewöhnlich sein — in anderen Ländern gehört das aber längst zum politischen Alltag.

Also ist alles gut, so wie es ist?

Poguntke Da sind wir auf einer anderen Ebene — der politischen Bewertung. Und politisch betrachtet würde ich sagen: Eine Prozenthürde macht durchaus Sinn, gleichgültig, ob sie nun bei fünf Prozent oder einem etwas geringeren Wert angesetzt würde. Die Handlungsfähigkeit eines Stadtrats wird durch sie in der Regel gestärkt. Man darf aber auch nicht vergessen, dass auch ein breit besetztes Kommunalparlament durchaus eine stabile Mehrheit haben kann. Und letztlich kommt es natürlich auch darauf an, wie ein Oberbürgermeister und seine Dezernenten ihre Gestaltungsmöglichkeiten nutzen, so schwierig das manchmal auch sein mag.

In Leverkusen gibt es gleich mehrere freie Wählervereinigungen — gerade erst hat sich eine ganze Fraktion, die bisher "Freie Wähler" hieß, von ihrem Verein losgesagt und sich in "Die Unabhängigen" umbenannt. Ursprünglich war sie aus zwei separaten Vereinen hervorgegangen — der Opladener Wählergemeinschaft (OWG) und und der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG). Für den einfachen Bürger sind solche Wechsel nicht immer leicht nachzuvollziehen . . .

Poguntke Das ist in der Tat nicht immer leicht. Auch die deutsche Parteienwissenschaft hat sich bisher nur vereinzelt mit diesen politischen Akteuren auseinandergesetzt. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass nicht überall, wo Freie Wähler draufsteht, auch Freie Wähler drin sein muss. Die Programmatiken aber auch Motivationen dieser Leute können sich sehr stark unterscheiden. Positionen, für die eine Gruppierung in Leverkusen steht, können in anderen Städten diametral entgegengesetzt ausfallen, bei gleichem oder fast gleichem Namen. Es lohnt sich also in jeder Stadt, genau hinzuschauen.

Wie sind die Erfahrungen mit zersplitterten Kommunalparlamenten? Ist bei der nächsten Wahl damit zu rechnen, dass der Trend wieder zu größeren Blöcken hin wechselt?

Poguntke Darüber gibt es meines Wissens keine belastbaren Erkenntnisse. Eines ist aber sehr wahrscheinlich: Die großen Parteien dürften bei der nächsten Kommunalwahl in ihrem Wahlkampf für "klare Verhältnisse" werben.

Peter Korn führte das Interview.

(RP)
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