Leverkusen Poetische Aufklärung mit "Clowns im Sturm"

Leverkusen · Ja, wo wart ihr denn? Regisseur Roberto Ciulli, der vorher mehrfach nach dem Vorbild Hitchcocks die Bühne gekreuzt hat, gibt sich am Schluss des Gastspiels im Erholungshaus ahnungslos. Immerhin erwartet er sein elfköpfiges Clowns-Ensemble nach der 90-minütigen Theaterfahrt mit dem fertigen Abendessen: Spaghetti Mezzanotte.

 Regisseur Ciulli gleitet im Halbmond hinter seinen Clowns über die Bühne.

Regisseur Ciulli gleitet im Halbmond hinter seinen Clowns über die Bühne.

Foto: Joachim Schmitz

War denn alles nur ein Traum? Auf jeden Fall aber war es ein Spiel, nämlich das szenische und fantasievolle Durchspielen des Themenfeldes Reisen, Flucht und Migration.

Mit "Clowns im Sturm" ging bei Bayer Kultur eine Spielzeit zu Ende, die einen Schwerpunkt auf Zauberei und Zirkus legte. Die Welt der Clowns, in die der Regisseur am Theater an der Ruhr bereits die Verarbeitung mehrerer Themen verlegt hat, gehört da unbedingt dazu. Seine Charaktere, die stets Züge der Commedia dell' arte tragen, können innere wie äußere Konflikte vermitteln ohne ein einziges Wort zu sagen. Haltung, Mimik, Reaktion sind so beredt und eindeutig, dass sie allenfalls noch Laute oder Silben zur Verständigung brauchen, wenn überhaupt. Ganz still war es im Saal in den ausgesprochen poetischen Momenten. Beispielsweise als die Plastikfolie, die das wogende Meer darstellte, die ganze Gruppe überspülte. Oder wenn ein herrenloser Rucksack, der eben noch argwöhnische Passanten in Angst und Schrecken versetzt hatte, auf einmal wie von Geisterhand bewegt über die Bühne gleitet. Oder wenn Ciulli selbst im leuchtenden Halbmond sitzend im Hintergrund vorbeischwebt. Und doch gibt es kaum ein Detail im schwelenden Konflikt und der Auseinandersetzung mit der islamisch-orientalischen Welt, das hier nicht (unterschwellig) angesprochen wird. Nicht rational und schon gar nicht mit fertigen Antworten oder gar Belehrungen, sondern fragmentarisch, offen und in völliger Eigenverantwortung des Publikums, das an diesem Abend sowohl erheitert und verzaubert als auch nachdenklich nach Hause ging.

Nicht zuletzt mit Musik haben die elf Clowns im Sturm die Herzen der Zuschauer erobert. Dafür sorgte mehrfach ein Klavierspieler im Hintergrund. Besonders beeindruckend aber waren die Percussions-Einlagen, die sich scheinbar zufällig aus dem Spiel der Clowns ergaben. Rhythmus-Folgen, die kollektiv mit Feldsteinen geklopft wurden oder mit dem Blubbern orientalischer Wasserpfeifen, das der Musiker mit deutlichen Dirigierbewegungen anleitete. Oder das klackernde Aufstampfen der kleinen Kinderstühle, die nur kurz als Sitzmöbel dienten, die gekonnt aufgeschichtet und wieder umgeworfen wurden, so dass sie wie zerstörte, verlassene Häuser wirkten.

(mkl)
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