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Leverkusen Pharma Westen: 530 Jobs fallen weg

Leverkusen · Der Arzneimittelimporteur mit Sitz in der Fixheide schließt seine Produktion in Leverkusen und geht nach Tschechien. 530 Mitarbeiter bekamen am Mittwoch die Kündigung zum 31. Oktober, darunter 496 Minijobber.

 Erhielten die Kündigung von dem Unternehmen Pharma Westen in der Fixheide (Gebäude im Hintergrund): Claudia Costa (links) und Eleonora Micalizzi.

Erhielten die Kündigung von dem Unternehmen Pharma Westen in der Fixheide (Gebäude im Hintergrund): Claudia Costa (links) und Eleonora Micalizzi.

Foto: Uwe Miserius

Die Nachricht kam aus heiterem Himmel: Zum 31. Oktober wird Pharma Westen in Leverkusen insgesamt 530 Mitarbeiter entlassen. 31 Vollzeitbeschäftigte, davon 16 mit Zeitverträgen, die nicht verlängert werden. Und fast 496 geringfügig Beschäftigte, also 400-Euro-Jobber. Die erfuhren teilweise gestern Vormittag von ihrer Entlassung, Geschäftsführer Frank Nauert selbst verkündete das Aus bei einer Versammlung, weinte mit seinen Mitarbeitern. Die sind wie vor den Kopf gestoßen. "Ich war vier Jahre bei Pharma Westen", sagt Eleonora Micalizzi (48). "So wie ich sind viele nicht mehr die Jüngsten. Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll." Einige Mitarbeiter, darunter junge Familienväter, müssen nach RP-Informationen bereits zum 1. April gehen.

Das Unternehmen wird Abfindungen zahlen, auch an die die Minijobber. Eleonora Micalizzi: "Ich soll 1600 Euro bekommen." Bis zu 6000 Euro stehen im Raum, je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit. Die Frauen sind trotzdem sauer: "Ich werde zum Anwalt gehen", sagt Claudia Costa (48).

"Ein schwieriges Unternehmen"

Das Unternehmen gehört zur dänischen Orifarm-Gruppe. Es importiert günstig Medikamente aus dem Ausland, die in der Fixheide umgepackt werden; jede Packung bekommt einen deutschsprachigen Beipackzettel. Diesen Job werden bald tschechische Arbeiter machen, die Produktion wird nach Hostivice in der Nähe von Prag verlegt. "In Leverkusen konzentrieren wir uns auf Vertrieb, Service und Marketing", erklärt Sprecherin Andrea Robens. "In diesen Bereichen wollen wir uns mittelfristig auch vergrößern."

Hauptgrund für die Produktionsverlagerung sei die Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen im Arzneimittelmarkt, teilt das Unternehmen mit. Vor allem der am 1. August 2010 vom Gesetzgeber von sechs auf 16 Prozent angehobene Herstellerrabatt bereite dem Unternehmen Probleme. "Dieser politisch gewollte Zwangsrabatt lässt unsere Deckungsbeiträge dauerhaft sehr empfindlich schmelzen", erklärt Nauert. "Zusätzlich haben die Privatisierung des Apothekermarkts in Schweden sowie der harte Wettbewerb in Dänemark das Ergebnis der Orifarm Gruppe belastet."

All dies führe dazu, dass die Orifarm Gruppe und somit auch Pharma Westen in Leverkusen sein Kostenniveau erheblich verringern müsse. Dazu werde die komplette Produktion, auch die dänische, nach Tschechien verlagert.

Frank Werth, Stellvertretender Bezirksleiter der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE): "Wir haben versucht, Mitglieder in diesem Unternehmen zu gewinnen. Aber wir mussten schnell merken, dass die Frauen ängstlich waren. Pharma Westen scheint ein schwieriges Unternehmen zu sein." Trotzdem bietet der 42-Jährige Gewerkschafter an: "Sollten die Betroffenen jetzt noch Mitglied bei uns werden, können wir sie rechtlich beraten. Wir versuchen zu helfen."

Das Unternehmen selbst sagt auf seiner Internetseite, es habe sich "zu einem bedeutenden Arbeitgeber in der Region entwickelt". Ein Unternehmen, das auch jede Menge Gewerbesteuer gezahlt hat — die Leverkusen ab 2013 nun verliert. "Das wird uns treffen", berichtete Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn gestern. "Die Nachricht von den Entlassungen und der Schließung der Produktion hat uns kalt erwischt. Das ist eine ganz schwierige Kiste, vor allem für die Mitarbeiter." Und etwas zerknirscht fügt er hinzu: "Meinen Rat hat die Firma nicht gewollt, sie haben mich vor vollendete Tatsachen gestellt. Das war für Leverkusen ein schlechter Tag." Findet auch Dr. Frank Obermaier, Chef der Wirtschaftsförderung Leverkusen (WfL): "Ich muss schon sagen, dass wir enttäuscht sind, dass ich persönlich enttäuscht bin."

Buchhorn denkt derweil schon weiter: "Wir sind dabei, ein großes Unternehmen nach Leverkusen zu holen, das die Gewerbesteuer-Einbußen kompensieren wird." Pharma Westen habe außerdem bereits die Arbeitsagentur informiert, so dass die die 496 Minijobber schnell wieder vermittelt.

(RP)
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