Wegen der Einleitung von kontaminiertem Wasser in den Rhein NRW-Umweltverband zeigt Currenta an

Leverkusen · Es geht wegen der Einleitung von Lösch- und Havariewasser nach der Explosion um Gewässerverunreinigung. Die Staatsanwaltschaft prüft.

 Die Löscharbeiten nach der Explosion waren ein heftiger Großeinsatz für Berufs- und Werkfeuerwehr.

Die Löscharbeiten nach der Explosion waren ein heftiger Großeinsatz für Berufs- und Werkfeuerwehr.

Foto: dpa/Currenta

Bei Currenta kehrt keine Ruhe ein, vielmehr weht dem Chemparkbetreiber nun ein heftiger Wind aus Richtung Umweltverband entgegen: Montag hat der NRW-Landesverband des „Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland“ (BUND) bei der Staatsanwaltschaft Köln Strafanzeige „wegen Gewässerverunreinigung und unerlaubten Umgangs mit Abfall gegen die Firma Currenta und die Bezirksregierung Köln als Aufsichtsbehörde“ gestellt. Grund ist der nach Auffassung des Verbandes „illegale Umgang mit dem giftigen Löschwasser, das nach der Explosion der Sondermüllverbrennungsanlage in Bürrig mit Abwasser aus dem Chempark vermischt über die Kläranlage in den Rhein eingeleitet wurde“, teilt die Organisation mit.

Es seien „fast zehn Millionen Liter mit giftigen Chemikalien belastetes Wasser, unter anderem mehr als 60 Kilogramm des besonders schädlichen Insektengiftes Clothianidin, in den Rhein gepumpt“ worden. NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser habe noch Anfang August... behauptet, es sei zu keiner Einleitung in den Rhein gekommen, kritisiert BUND-Landeschef Holger Sticht. „Es stellt sich die Frage, ob nicht die Öffentlichkeit über das wahre Ausmaß der Explosions-Katastrophe getäuscht wurde.“

Es gebe Widersprüche bei Aussagen von Currenta, Bezirksregierung und Land; schlussendlich seien aus 5,25 Mio. Litern kontaminiertem Löschwassers „durch Vermischung mit Abwasser aus dem Chempark etwa 30 Mio. Liter mit giftigen Chemikalien belastetes Wasser“ geworden, wovon „ein Drittel ohne Genehmigung eingeleitet wurde. Die Kölner Bezirksregierung hätte eingreifen und die Einleitung der Giftstoffe in den Rhein verhindern müssen“, ergänzt Sticht, spricht von einer möglichen Strafbarkeit „nach Paragraf 326 – illegale Abfallentsorgung – des Strafgesetzbuches“. Currenta argumentiere mit einer Notlage. Dabei sei die Einleitung des kontaminierten Wassers „erst etwa 34 Stunden, nachdem das Feuer gelöscht war“, erfolgt. Es sei zweifelhaft, ob Currenta „sich bei dieser tagelang andauernden Aktion rechtlich auf eine Notlage berufen kann“, kritisiert der BUND.

Die Organisation kann nicht nachvollziehen, wieso die ursprünglich 5,25 Mio. Liter nicht hatten aufgefangen werden können. In bereitstehenden Tanks sei laut Bezirksregierung Platz für 34 Mio. Liter gewesen. Nun müsse die Staatsanwaltschaft prüfen. „Zudem stellt sich die Frage, ob nicht der Straftatbestand der Strafvereitelung im Amt vorliegt. Auch die politische Verantwortung für dieses Täuschungs- und Vertuschungsmanöver muss geklärt werden.“

Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer bestätigt am Dienstag den Eingang der Strafanzeige. „Es wird nun geprüft, ob sich dem Anzeigevorbringen ein Anfangsverdacht wegen Straftaten, zum Beispiel Gewässerverunreinigung, entnehmen lässt und Ermittlungen aufzunehmen sind oder nicht.“

Derweil laufen die Ermittlungen gegen drei Currenta-Mitarbeiter „wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung weiter. Ob sich der Beschuldigtenkreis noch erweitern wird, kann ich derzeit nicht abschätzen“, berichtet Bremer. „Die Ermittlungen, insbesondere die Auswertung sehr umfangreicher Datensätze, dauern an.“

Auch in der Leverkusener Politik rumort es wegen der Rhein-Einleitung. Erhard Schoofs (Bürgerliste) formuliert in einem Antrag für den Umweltausschuss am Donnerstag:  „Die Verwaltung berichtet mit Hilfe der EVL, der Bezirksregierung, des Landesumweltamtes und von Currenta umfassend/detailliert über die immer noch laufende illegale Abfallentsorgung von Löschwässern aus der Explosion der Currenta -Sondermüllverbrennungsanlage in den Rhein, aus dessen Uferfiltrat unter anderem unsere EVL erhebliche Teile unseres Leverkusener Trinkwassers entnimmt.“ Die EVL hatte jetzt Proben des Rheinufer-Filtrats gezogen. Ergebnis: „Alle Werte sind weit unterhalb der Grenzwerte nach Trinkwasserverordnung, nur ein kleiner Teil war überhaupt messbar“, hieß es. Das Insektizid Clothianidin sei nicht nachgewiesen worden.

SPD-Landtagsabgeordnete Eva Lux attackiert die Landesregierung: „Dass man über die Einleitung von giftigem Abwasser erst über die Medien erfährt, obwohl dies dem Ministerium bekannt war, ist so fahrlässig wie gefährlich. Currenta und die Behörden hätten die Bevölkerung umgehend informieren müssen. Es muss jetzt Schluss sein mit Information nur scheibchenweise und nachlässigem Schutz der Anwohner“, kritisiert sie. „Ich erwarte schnellstens eine umfassende Information des Landtages und der Bürger seitens der zuständigen Ministerien.“ 

Chemparkbetreiber Currenta betont, er unterstütze die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen „zur Abwassereinleitung im Zusammenhang mit dem Ereignis am 27. Juli 2021 vollumfänglich. Currenta ist davon überzeugt, dass diese Ermittlungen die Notwendigkeit der zur Gefahrenabwehr ergriffenen Maßnahmen nochmals bestätigen werden. Selbstverständlich sind die Ergebnisse der Ermittlungen abzuwarten“, sagt ein Sprecher. Currenta habe „im Rahmen der unmittelbaren Gefahrenabwehr Teile der aufgefangenen Wassermengen unter Zudosierung von Aktivkohle in die reguläre Abwasserbehandlung eingeleitet. Die Bezirksregierung wurde darüber umgehend informiert und hat bestätigt, dass die Begründung für die unmittelbar notwendige Maßnahme im Rahmen der Gefahrenabwehr im Nachhinein nachvollziehbar sei.“ Das Landesumweltamt habe am Ablauf der Kläranlage in den Rhein Proben genommen und analysiert. „Sämtliche Überwachungswerte wurden verlässlich unterschritten“, ergänzt er.

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